Bewegungstermine in Berlin: Infrastruktur von vorgestern

Straßenbauprojekte wie die TVO zeigen, dass der Senat die Klimakrise immer noch nicht verstanden hat. Es braucht noch viel mehr Proteste dagegen.

Drei Polizisten stehen vor dem Protestcamp in der Wuhlheide und schauen auf ein Baumhaus

Nach vier Tagen geräumt: Das Protestcamp in der Wuhlheide Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Wenn es um die Klimakrise geht, ist es eine beliebte Taktik von Politiker:innen, das Problem einfach in die Zukunft zu verlagern. Dementsprechend bereitwillig sind Ent­schei­dungs­trä­ge­r:in­nen darin, immer wieder ambitionierte Ziele in weiter Entfernung zu setzen, in etwa das Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll oder global die Erderwärmung auf 2 Grad zu beschränken.

Solche Klimaziele dienten bislang vor allem dazu, klimapolitisches Handeln zu simulieren, während man in der Gegenwart ungebremst Treibhausgase produziert. Ein einfacher Trick um zu testen, wie ernst es Staaten mit ihren Klimaschutz Ambitionen meinen, ist auf Infrastrukturprojekte zu schauen.

Allein die Planung von Straßen, Kraftwerken, U-Bahnen und Stromleitungen kann mehr als 10 Jahre dauern. Dazu kommt noch die oftmals enormen Kosten, die sich nur rentieren, wenn diese Infrastruktur auch viele Jahrzehnte genutzt wird. Das heißt, dass heute auf keinen Fall weitere klimaschädliche Infrastruktur mehr geschaffen werden darf.

Wenig überraschend ist das natürlich nicht der Fall. Anstatt auf nachhaltige Mobilität zu setzten treibt der Straßenprojekte voran als wäre es 1960. So plant der Senat mit der Tangentialen Verbindung Ost, eine vierspurige Autobahn mitten durch die Wuhlheide zu bauen. Über 15 Hektar Wald, darunter wertvolle Eichen müssten dafür gefällt und Lebensraum für zahlreiche Tiere zerschnitten werden. Ein ökologisches Desaster für ein paar Minuten weniger Fahrzeit.

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Die richtige Infrastruktur ausbauen

Das klimaschädliche Infrastrukturprojekte verstärkt in den Fokus der Klimagerechtigkeitsbewegung geraten ist deshalb nur konsequent. Vergangen Samstag besetzten mehrere dutzend Ak­ti­vis­t:in­nen ein Waldstück in der Wuhlheide mit Baumhäusern und Tripods. Die Besetzung hielt mehrere Tage bis die Polizei das Camp am Mittwoch morgen mit einem Großaufgebot räumte.

Wünschenswert wäre es, wenn der Senat mit dem selben Eifer, mit dem er linke Projekte räumt, auch einmal den Bau von Fahrrad- und ÖPNV Infrastruktur vorantreiben würde. Der kommt nämlich – ebenfalls wenig überraschend – nur sehr schleppend voran.

Unter Schwarz-Rot droht die Mobilitätswende noch weiter ausgebremst zu werden. Zuletzt verhinderte Verkehrssenatorin Manja Schreiner die Verabschiedung des letzten Teil des Mobilitätsgesetzes und stellte den darin verankerten Vorrang von Fuß- und Radverkehr gegenüber dem Autoverkehr infrage.

Dabei stirbt fast jedes Jahr eine zweistellige Anzahl an Rad­fah­re­r:in­nen auf Berlins Straßen. Fast immer bei Unfällen, die mit einer Fahrradfreundlichen Infrastruktur hätten verhindert werden können. Den Ausbau zu verzögern kostet also Menschenleben. Aus diesem Grund veranstaltet der Fahrradclub ADFC jedes Jahr den “Ride of Silence“ bei dem getöteten Rad­fah­re­r:in­nen gedacht wird. Die Teil­neh­me­r:in­nen der Demo fahren weiß gekleidet und schweigend zu den Orten, wo Rad­fa­he­r:in­nen ums Leben gekommen sind (Mittwoch, 17. Mai, 19 Uhr, Rotes Rathaus).

Mobilität für alle

Beim öffentlichen Nahverkehr sieht es nicht viel besser aus. Der ist zwar sehr sicher, aber wurde über die Jahre kaputtgespart während gleichzeitig die Preise so weit erhöht worden, dass sich arme Menschen ein U-Bahn-Ticket oder gar ein Abo nicht mehr leisten können. Mobilität in einer Solidargemeinschaft sieht anders aus.

Fährt man dann notgedrungen ohne Fahrschein, weil man pleite ist, und zahlt dann die Strafe nicht, weil man pleite ist, kommt man in Deutschland derzeit direkt in den Knast. Dieser institutionalisierte Hass auf arme Menschen nennt sich Ersatzfreiheitsstrafe.

Der Freiheitsfonds hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen, die wegen Freifahrens einsitzen freizukaufen. Dafür braucht es allerdings Geld, das zum Beispiel bei einer Soli-Veranstaltung im Cafe Plume in Neukölln gesammelt wird. Bei Musik, Redebeiträgen und Getränken lässt sich der ein oder andere Taler für den Freiheitsfonds locker machen (Donnerstag, 18. Mai, 18 Uhr, Warthestraße 60).

Einen praktischen Beitrag, Automobilität noch etwas unattraktiver zu machen leistet derzeit auch die Letzte Generation. Diese Woche setzt sie ihre Blockaden fort, am Dienstag blockierten sie die A100 über mehrere Stunden. Neben den Blockadeaktionen veranstaltet die Gruppe auch Protestmärsche, bei denen je­de*r mitmachen kann (Mittwoch, 17. Mai; Freitag, 19. Mai und Samstag, 20. Mai, jeweils 16 Uhr am Marx-Engels-Forum).

Für alle, die sich fragen, ob es überhaupt zielführend ist, hart arbeitende Menschen auf ihrem Weg von A nach B zu blockieren oder für ein paar Tage in einem Baumhaus im Wald zu schlafen, für die gibt es am nächsten Dienstag den Workshop “Räume des Austausches: Klimagerechtigkeit und Protest – wie weit kann, darf, soll Klimaaktivismus gehen?“ des Kippunkt Kollektivs. Gemeinsam sollen aktuelle Aktionsformen der Klimabewegung diskutiert und bewertet werden (Dienstag, 23. Mai, 16 Uhr, Mittelpunktbibliothek Schöneberg, Hauptstraße 40, 10827 Berlin).

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Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.

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