Räumung der Waldbesetzung in Berlin: Klimaprotest lässt sich nicht verbieten

Die Räumung des Wuhlheide-Protestcamps und das mehrmonatige Versammlungsverbot sind eines Rechtsstaates unwürdig. Statt Repression braucht es ein Umdenken.

Polizisten bei der Räumung der Waldbesetzung in der Wuhlheide in Berlin.

Eine Gefahr für Bäume: Po­li­zis­t*in­nen in der Wuhlheide Foto: Christian Mang

Eines scheint bei den Protesten und Aktio­nen zivilen Ungehorsams von Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen in letzter Zeit in Vergessenheit zu geraten: Aufgabe der Polizei ist nicht, die freie Meinungsäußerung zu verhindern, sondern sie zu ermöglichen – wie auch die Teilnahme an Demonstrationen. Es drängt sich jedoch zunehmend der Eindruck auf, dass die Polizei jeglichen Klimaprotest am liebsten verbieten würde – ist ja auch eine Menge Arbeit, De­mons­tran­t*in­nen die Ausübung ihrer verbrieften Grundrechte zu garantieren.

Auch bei der Räumung der Wuhlheide, die Um­weltaktivist*innen besetzt hatten, um die Rodung von rund 15 Hektar Wald für den Bau einer vierspurigen Schnellstraße zu verhindern, stand in erster Linie die Verhinderung des legitimen und friedlichen Widerstands im Vordergrund. Mit Rückendeckung des schwarz-roten Law-and-Order-Senats verfügte die Staatsgewalt ein Versammlungsverbot in der gesamten Wuhlheide, und das nicht für einen oder mehrere Tage, sondern gleich für den gesamten Sommer – wohl in der Annahme, dass es danach zu kalt ist für ein Protestcamp im Wald.

Das Demonstrationsverbot ist jedoch nicht nur hinsichtlich seiner Dauer völlig überzogen, auch die Begründung ist abenteuerlich: So sei durch die mit Seilen befestigten Baumhäuser eine Beschädigung der Baumrinde der Kiefern zu befürchten, heißt es. Dass sich die Einsatzkräfte bei der Räumung zur Rettung der Bäume mit Kettensägen den Weg durch den Wald freischnitten und mitten in der Brutsaison auch vor der Fällung eines Baumes nicht zurückschreckten, scheint hingegen kein Problem zu sein. Auch dass die Bäume durch die in den 60er Jahren geplante und für heutige Verhältnisse völlig überdimensionierte Straße ohnehin dem Tod geweiht sind, spielt keine Rolle.

Noch problematischer als dieser scheinheilige Vorwand, Naturschutz im Namen des Naturschutzes zu kriminalisieren, ist jedoch die nachfolgende Begründung: Die Umweltschützer*innen, junge Menschen mit bunten Perücken und der Kinderfigur des kleinen Maulwurfs als Maskottchen, hätten sich in „martialischer Aufmachung präsentiert“, die eine „militante Wirkung“ erzeuge und damit Gewaltbereitschaft vermittle und Außenstehende einschüchtere. Mit diesem – sehr subjektiven – Argument lässt sich so gut wie jede Demonstration verbieten.

Dieses Vorgehen ist eines Rechtsstaates unwürdig. Das angesichts der Klimakrise dringend notwendige Umdenken bei Infrastrukturprojekten wird auf diese Weise verunmöglicht und das autofixierte und umweltzerstörerische Weiter-so im wahrsten Sinne des Wortes zementiert. Für progressive Politik verheißt die Repression der Klimaproteste durch Schwarz-Rot nichts Gutes.

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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