Bewegungstermine in Berlin: Viele Krisen, eine Ursache

In ihren Ursachen und Folgen sind Klimakrise und soziale Krise untrennbar miteinander verbunden. Das hat mittlerweile auch die Klimabewegung begriffen.

Menschen stehen mit einem Banner mit der Aufschrift People not Profit auf dem Marktplatz in Halle

Menschen über Profite lautet das diesjährige Motto des Klimastreiks Foto: dpa | Heiko Rebsch

Nach der Ampel-Koalition auf Bundesebene hat nun auch die Berliner Landesregierung ein Entlastungspaket vorgelegt, das die Menschen in der Hauptstadt über den Winter bringen soll. Bis zu 1,5 Milliarden Euro wollen SPD, Grüne und Linke dafür aus Landesmitteln zur Verfügung stellen, um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Soziale Träger sollen Zuschüsse zu Heizkosten und Strom erhalten, Berliner Unternehmen Energiekosten-Soforthilfen bekommen und Privathaushalte durch ein Kündigungsmoratorium vor dem Verlust ihrer Wohnung geschützt werden – allerdings nur bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften.

Vielen reicht das nicht aus. Insbesondere armutsbetroffene Menschen, immerhin 13,8 Millionen Menschen, wissen schon länger nicht mehr, wie sie bis zum Ende des Monats ihren Kühlschrank füllen sollen und fürchten angesichts der gestiegenen Energiepreise, im Winter frieren zu müssen. Einmalzahlungen des Bundes oder das neue Bür­ge­r*in­nen­geld kompensieren nicht einmal die Inflation und das geplante 29-Euro-Ticket ist für viele 29 Euro zu teuer. Die neuerlichen Maßnahmen zielen nicht etwa darauf, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, sondern im kapitalistischen System den Konsum anzukurbeln.

Dass die Armen sparen sollen, oder vielmehr müssen und die Steuergelder der ausgebeuteten Klasse dafür verwendet werden, die Profite der sie ausbeutenden Unternehmen zu garantieren, trifft zunehmend auf Widerstand. Die Maßnahmen des Staates dienten nicht etwa dazu, solche dem Kapitalismus innewohnenden und der Profitgier des Kapitals geschuldeten Krisen zu verhindern, sondern „das kapitalistische Ausbeutungsmodell umzustrukturieren und zu modernisieren“, heißt es im Aufruf zur Demo „Der Preis ist heiß“, die am Freitag am Kottbusser Tor stattfinden soll.

Bei der gleichnamigen legendären Fernsehshow aus den 90er Jahren sollten Kan­di­da­t*in­nen die Preise von Produkten schätzen, ohne sie zu überbieten. Den Millionen armutsbetroffenen Menschen, die ohnehin bei jedem Einkauf die Preise genau im Blick haben müssen, dürfte das nicht schwer fallen, zumal sie bei den derzeitigen Steigerungen nur schwerlich überbieten können. Doch für diese Fähigkeit gibt es heutzutage kein Preisgeld, es winkt höchstens ein Ausflug zur Tafel.

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Damit sich das ändert und eine solidarische Krisenpolitik auch die kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse in den Blick nimmt, soll es bei der Demonstration am Freitag am Kotti und auf einer öffentlichen Versammlung am Sonntag im Bethanien die Gelegenheit geben, sich jenseits der Einflussnahme von politischen Parteien oder Institutionen des Staates zu organisieren (Freitag 23. September, 18 Uhr, Kottbusser Tor; Sonntag 25. September, NewYorck im Bethanien).

#PeopleNotProfit

Dass die Klimakrise und die soziale Krise nicht zu trennen sind, ist in der Klimabewegung mittlerweile Konsens. Bei ihren Aktionstagen zum „heißen Herbst“, die von Samstag bis Dienstag in Berlin stattfanden, haben die Ak­ti­vis­t*in­nen von Extinction Rebellion daher den Schulterschluss mit der Kampagne #Ich bin Armutsbetroffen gesucht. Während die Polizei noch mit den mehr als 200 Ermittlungsverfahren gegen die Kli­mare­bel­l*in­nen beschäftigt ist, die bei der Herbstrebellion angefallen sind, steht Berlin bereits der nächste Klimaprotest bevor: Am Freitag rufen Fridays For Future zum Globalen Klimastreik auf.

Unter dem Motto #PeopleNotProfit wollen weltweit Millionen Menschen für eine lebenswerte Zukunft auf die Straße gehen Sie fordern, Klimagerechtigkeit über die Interessen von Konzernen zu stellen, statt mit Maßnahmen wie der Gasumlage Verluste zu kollektivieren und Gewinne zu privatisieren. Um die dringend notwendige Energiewende auch sozial gerecht zu gestalten, will Fridays For Future eine sozial gerechte Energiegrundsicherung sowie ein 100-Milliarden Euro schweres Sondervermögen einführen.

Mit den durch eine Übergewinnsteuer finanzierten Maßnahmen ließen sich sowohl erneuerbare Energien ausbauen als auch der ÖPNV – und für die Einführung eines 0€-Tickets wäre sogar auch noch Geld übrig. Wer der Meinung ist, dass die Bekämpfung des Klimawandels nur mit einem sozial gerechten Systemwandel zu machen ist, kann dies am Freitag im Regierungsviertel auf die Straße tragen. Danach ist auch noch genug Zeit, für die Preis-ist-heiß-Demo am Kotti (Freitag 23. September, 12 Uhr, Invalidenpark).

Selbstbestimmung unter Beschuss

Dass nicht nur progressive Forderungen auf die Straßen von Mitte getragen werden, wurde am vergangenen Wochenende deutlich, als rund 3.000 Ab­trei­bungs­geg­ne­r*in­nen durch die Hauptstadt zogen. Religiöse Fundamentalist*innen, rechte Hardliner und Holocaust-Verharmloser*innen protestierten mit Kreuzen gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen – und trafen dabei auf bunten Gegenprotest. Dass Ab­trei­bungs­geg­ne­r*in­nen mit ihren Forderungen nicht nur die Selbstbestimmung, sondern auch das Leben von Frauen gefährden, ist auch Thema des globalen Safe Abortion Day, der nächste Woche Mittwoch unter anderem in Berlin stattfinden wird.

Denn nicht nur in Deutschland, wo Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nach wie vor kriminalisiert werden, steht es nicht gut um die reproduktiven Rechte von Frauen. In den USA wurde das Abtreibungsrecht in weiten Teilen des Landes gekippt, in Polen existiert es de facto nicht mehr und in Ungarn wurde es vergangene Woche verschärft: Schwangere müssen sich dort künftig vor einem Abbruch den Herzschlag des Embryos anhören.

Mit mehreren Aktionen soll daher gegen die Ungleichbehandlung und Unterdrückung von Frauen, nicht-binären und trans* Personen sowie Menschen mit Behinderung protestiert und für die uneingeschränkte körperliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung für alle protestiert werden. Eine der Aktionen findet direkt vor dem „Bundesverband Lebensrecht“ statt, der auch die Anti-Abtreibungsdemo am vergangenen Samstag organisiert hat (Mittwoch, 28. September, 18 Uhr, Landgrafenstr. 5).

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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