Betrügerischer Fußball: Ungerechtigkeit – der Sinn des Spiels
Fußball ist oll, nicht fair und ungeregelt, sagt der Soziologe Roman Horak. Genau das findet er super. Ein Plädoyer gegen die Modernisierung.
Das Fußballspiel ist ja eigentlich etwas ganz Seltsames. Die Differenz des Fußballs zu allen anderen Mannschaftssportarten ist ja die, dass das Spiel völlig ungeregelt ist. Das heißt, man kann durch offensichtliche und versteckte Fouls, Zeitschinden und dergleichen das Spielgeschehen mitgestalten. Das heißt, man kann betrügen! Das ist ein wichtiger Punkt.
Es ist ein unfairer Sport, und er ist schlecht kontrolliert. Ich liebe das. Ich behaupte, der Sinn des Spiels ist genau das. Warum ist Fußball das weltweit verbreitetste Sportspiel? Deshalb! Weil es schlecht kontrolliert ist. Weil es die Chance des Betrugs ermöglicht. Es gibt nicht vor, so kontrolliert zu sein wie Eishockey, Basketball, American Football und all diese zerstückelten Spiele.
Im Fußball gibt es keine Gerechtigkeit. Es ist wie das Leben selbst. Das wissen alle, und das macht es so interessant. Darum bin ich auch gegen jede Modernisierung im Namen einer höheren Gerechtigkeit. Es muss die Möglichkeit erhalten bleiben, dass der Ball im Tor ist und der Schiri das Gegenteil feststellt. Da bin ich radikal dafür. Der Irrtum und die Ungerechtigkeit müssen Teil des Spiels bleiben, weil das die Faszination des Spiels ausmacht.
Monsanto gibt auf: 2013 wurde in Deutschland keine gentechnisch veränderte Pflanze angebaut. Die Geschichte dieses Konsumkriegs lesen Sie in der taz.am wochenende vom 2./3. November 2013 . Terror und Überwachung haben eins gemeinsam: Sie können jede treffen. Und: „Die Sendung mit der Maus“ atmet den Geist von '68, sagt Christoph Biemann. Außerdem: Der Mensch in der Revolte - In ein paar Tagen wäre Albert Camus 100 geworden. Am eKiosk, Kiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Man darf nicht vergessen, dass Fußball ein Spektakel mit seit 120 Jahren kaum veränderten Regeln ist. Der Fußball ist in seiner Struktur komplett atavistisch, vormodern und schlecht geregelt. Gleichzeitig ist er aber in seiner Ökonomisierung und Medialisierung hochmodern. Das ist eigentlich ein Widerspruch. Einerseits geht es um unglaublich viel Kohle, andererseits ist das Spiel so ungeregelt.
geboren 1953, arbeitet am Institut für Kunstwissenschaften an der Uni für Angewandte Kunst in Wien und leitet die Abteilung für Kunst- und Kultursoziologie. Er ist Rapid-Fan.
Zum Glück kein American Football
Das geht eigentlich nicht zusammen. Ich glaube aber, dass in der Uefa einige schlaue Köpfe überrissen haben, dass das Spiel davon lebt. Stellen Sie sich vor, das Spiel wäre so geregelt wie American Football. Das ist eigentlich unvorstellbar, weil es nicht mehr das selbe Spiel wäre. Ein, zwei NFL-Spiele habe ich gesehen. Ich empfand das als entsetzlich fad. Spielzug – Pause – Spielzug – Pause – Werbung – Spielzug – Pause.
Oder Basketball. In den frühen 90er Jahren habe ich mir in den USA ein paar Basketballspiele der NBA angesehen. Das waren dermaßen absurde, fremdgesteuerte Verhaltensweisen der Zuschauer, die mich deprimiert haben. Dieses Befolgen der Aufforderungen auf dem Videowürfel, das ist so weit weg von dem, was ich mir unter einem Sportspektakel vorstelle.
Das mag für die USA passen, aber für eine europäische Kultur passt das nicht. Da bin ich altmodisch, da liebe ich den Atavismus. Ich habe eine andere Idee von Fluss und Beweglichkeit. Jede Form der Modernisierung des Spiels im Namen der Gerechtigkeit mag moralisch richtig und ökonomisch vernünftig sein, aber es bringt das Spiel in seiner Substanz um. Die Substanz ist Ungeregeltheit, schlechte Kontrolle und Ungerechtigkeit.
Haltung ändert sich nicht durch Beweise
Die Frage der Medialisierung ist spannend. Man kann Szenen wiederholt sehen und dennoch bleibt die Deutungsdebatte bestehen. Das Wembley-Tor 1966 ist so ein Beispiel. Englische Wissenschaftler erklären, der Ball war drin, Deutsche, er war draußen. Mit den modernsten wissenschaftlichen Methoden kommt man zu differenten Ergebnissen. Aber das ist das Gute. Das Spiel braucht diese Geschichten. Medien sind kurzlebig. In diesem Bilderschwall, dem wir ausgesetzt sind, kann sich doch kein Mensch ein Bild merken. Aber die Geschichten bleiben.
Es wäre ja naiv zu glauben, dass sich durch die objektive Beweislage die Haltung von Menschen ändern kann. Ein aufklärerischer Irrtum. Das ist der Fluch der Aufklärung überhaupt: Diese Vorstellung, dass man mittels eines Arguments der Vernunft die Dummheit oder den Irrtum vernichten kann. Das geht nicht. Man kann nur eine Gegenposition formulieren. Weil wir Menschen irrationale Monstren sind. Da hat der Sigmund Freud schon recht. Zumindest sind wir Subjekte zwischen Wahnsinn und Realität.
(Aufgezeichnet von Gregor Labes)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“