Besetztes Siedlungsland: Israel räumt Protestcamp
200 Aktivisten besetzen friedlich einen Hügel, auf dem eine israelische Siedlung gebaut werden soll. Sie schlagen die Siedler mit deren Methoden.
JERUSALEM taz | Nur gut einen Tag haben die rund 200 palästinensische Protestcamper ihre Stellung gehalten, bevor israelische Sicherheitskräfte den Berg stürmten. Bab al-Schams (Tor der Sonne) nennen die Aktivisten den rund zehn Kilometer südöstlich von Jerusalem gelegenen, stark umkämpften Hügel, der am Wochenende Schauplatz ihrer neuen Widerstandsmethode wurde. Die israelische Regierung plant an demselben Ort, den sie als E1 bezeichnet, die Errichtung der Siedlung Mewasseret Adumim.
Noch vor Morgengrauen überraschten rund 500 Soldaten und Polizeibeamte die Protestcamper, die kaum Widerstand leisteten. Nach palästinensischen Angaben wurden dabei sechs Menschen leicht verletzt. Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem hatte zuvor über einen Aufschub der Evakuierung um sechs Tage entschieden. Die insgesamt 25 Zelte blieben vorerst stehen.
Die Bezeichnung E1 (East 1) für das umkämpfte Landstück, das gut 12 Quadratkilometer umfasst und an einer strategisch wichtigen Stelle liegt, stammt noch aus der britischen Mandatszeit. Die Pläne der israelischen Regierung für eine neue Siedlung an diesem Ort sind über zehn Jahre alt. Auf Druck aus Washington wurde das Bauvorhaben immer wieder verzögert. Dass Israel nun doch den Bau von 3.000 Wohneinheiten auf E1 beschloss, gilt als Strafe für den PLO-Antrag auf Aufwertung ihres UN-Status zum Beobachter ohne Mitgliedschaft. Israel bewertete diesen „einseitigen Schritt“ als Verletzung früherer Abkommen.
Urbane Kontinuität
Ginge es nach Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dann sollte mit Mewasseret Adumim eine „urbane Kontinuität“ zwischen Jerusalem und der Siedlung Maale Adumim geschaffen werden, wo heute schon rund 40.000 Menschen leben. Umgekehrt fürchten die Palästinenser, dass der geplante Bau, der international scharf verurteilt wurde, die Verbindung zwischen dem Westjordanland und Jerusalem unterbricht und damit der Zweistaatenlösung ein Ende bereitet.
„Wir, die Söhne und Töchter Palästinas, geben die Gründung des Dorfes Bab al-Schams bekannt“, heißt es in einer Pressemitteilung der Volkswiderstandskomitees im Westjordanland. Das Komitee der Kleinstadt Bilin hat sich bereits durch den gewaltlosen Widerstand einen Namen gemacht hat. „Wir werden angesichts der Ausbreitung der Siedlungen und der Konfiszierung unseres Landes nicht länger schweigen“, hieß es in der Erklärung weiter.
Die Protestcamper wählten den Namen „Bab al-Schams“ nach dem gleichnamigen Roman des libanesischen Autors Elias Khoury. „Bab al-Schams ist das Tor zu unserer Freiheit und unserer Standhaftigkeit. Bab Al-Schams ist unser Tor nach Jerusalem. Bab al-Schams ist das Tor zu unserer Rückkehr“, heißt es in der Erklärung. Khoury solidarisierte sich mit den Palästinensern und bedauerte, bei der Protestaktion nicht dabei sein zu können.
Siedlungsposten ohne Genehmigungen
Mit der Besetzung von Land schlagen die palästinensischen Protestcamper die israelischen Siedler mit deren eigenen Methoden. Die ganze Siedlerbewegung hat genauso angefangen, und bis heute breiten sich Siedlungen und vor allem die sogenannten Siedlungsvorposten aus, ohne dass die üblichen Genehmigungen vorliegen.
Ein Unterschied ist, dass die Palästinenser die Zelte auf einem Landstück aufschlugen, das in palästinensischem Privatbesitz ist. Anders ist auch, dass die israelische Regierung das Lager unverzüglich auflösen ließ, während „illegale Siedlervorposten“ in der Regel nicht angerührt werden.
„Die Zeit ist reif, die Spielregeln zu verändern“, schreibt das Volkswiderstandskomitee. Ab sofort werde man „Tatsachen schaffen“. Die Protestcamper, unter ihnen der frühere Informationsminister Mohammed Barghuti, genießen die Unterstützung der eigenen Regierung. PLO-Funktionärin Hanan Aschrawi bejubelte die „großartige Initiative“, die der Welt demonstriere, was die Palästinenser alles durchmachen müssen, „um auf ihrem eigenen Land leben zu können“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?