Beschlüsse beim EU-Gipfel: Sanktionen und ein „Megadeal“
In Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs neue Sanktionen gegen Russland beschlossen. Auch der europäische Gaspreisdeckel soll kommen.
Zu den Einigungen, die am Donnerstag in Brüssel erzielt wurden, gehören unter anderem das neunte Paket mit Russland-Sanktionen sowie die Vereinbarung, diesen Montag einen europäischen Gaspreisdeckel zu beschließen. Anders als sonst üblich, war dafür diesmal nicht einmal eine Sitzung bis tief in die Nacht nötig.
Monatelang hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dagegen gewehrt, politisch einen Höchstpreis für Gas festzulegen, weil er die Versorgungssicherheit gefährdet sieht. Nun verständigte sich der EU-Gipfel darauf, dass die Arbeiten daran bei einem Treffen der Energieminister an diesem Montag abgeschlossen werden. Scholz hofft jedoch, dass der Preisdeckel nie greifen wird. „Der Preisdeckel (…) wird allerdings so hoch sein, dass ich hoffe, dass er niemals relevant wird“, sagte Scholz nach dem Gipfel.
Die EU-Kommission hatte unter dem Druck von Preisdeckel-Befürwortern vorgeschlagen, den Preis für Gas, das am Großhandelsplatz TTF verkauft wird, unter bestimmten Umständen bei 275 Euro pro Megawattstunde zu deckeln. Im Gespräch ist nun eine niedrigere Grenze von 180 bis 220 Euro.
Streit um Ungarn-Paket beigelegt
Nachdem Polen am Donnerstag letzte Bedenken gegen eine wichtige Richtlinie für die internationale Mindeststeuer für große Unternehmen ablegte, fiel am Rande des Gipfels auch der formale Beschluss für vier bereits am Montag vereinbarte Entscheidungen. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft sprach von einem Megadeal. Dazu gehört, Ungarn wegen unzureichender Korruptionsbekämpfung bis auf Weiteres 6,3 Milliarden Euro aus dem EU-Gemeinschaftshaushalt vorzuenthalten. Zudem geht es um umfangreiche EU-Hilfen für die Ukraine, den ungarischen Plan zur Verwendung von Corona-Hilfen und die Richtlinie für die internationale Mindeststeuer.
Russland-Sanktionen, die Neunte
Wohl kein Thema hat die Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr so sehr beschäftigt wie der russische Krieg gegen die Ukraine und seine Auswirkungen. Schon kurz vor Kriegsbeginn hatten die EU-Staaten das erste Paket mit Sanktionen beschlossen, die die russische Wirtschaft empfindlich treffen sollten.
Am Donnerstag brachte der Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten nun den Beschluss für das neunte Paket auf den Weg. Vorgesehen sind etwa Strafmaßnahmen gegen russische Banken und zusätzliche Handelsbeschränkungen – aber auch Anpassungen, die unkomplizierte russische Nahrungsmittel- und Düngemittelexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer ermöglichen sollen.
Zudem gab es beim Gipfel gute Nachrichten für Bosnien und Herzegowina: Das Land gehört nach einer Entscheidung der Staats- und Regierungschefs ab sofort zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten. Grund für den Beschluss ist auch die Sorge, dass sich das Balkanland mit etwa 3,3 Millionen Einwohner ansonsten Richtung Russland oder China orientieren könnte.
Kanzler Scholz betonte nach dem Gipfel, dass die Regierung in Sarajevo noch viel Arbeit vor sich habe. „Klar ist für uns, dass Bosnien-Herzegowina vor dem Beginn der konkreten Verhandlungen noch substanzielle Reformen umsetzen muss“, sagte er. Zuletzt hatte die EU die Ukraine und Moldau offiziell zu Beitrittskandidaten ernannt.
Handelsstreit mit den USA droht
Wie soll die EU auf ein milliardenschweres, wohl gegen internationale Handelsregeln verstoßendes Investitionsprogramm der USA reagieren? Auf diese Frage werden die Staaten im kommenden Jahr eine Antwort geben müssen. Das dürfte nicht einfach werden.
So sprach sich der französische Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag dafür aus, mit einem europäischen Unterstützungsprogramm zu reagieren – notfalls ebenfalls unter Missachtung von Handelsregeln. Scholz machte hingegen deutlich, dass er Zugeständnisse von den USA erwartet und skeptisch gegenüber einem neuen europäischen Investitionsprogramm ist.Vereinbart wurde beim Gipfel, dass die EU-Kommission von Ursula von der Leyen bis Ende Januar konkrete Vorschläge zum Schutz des Wirtschaftsstandortes Europa erarbeiten soll.
Das Programm der USA sieht milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz und Soziales vor. Nach Ansicht der EU-Kommission werden dadurch EU-Firmen gegenüber der US-Konkurrenz benachteiligt. So sind Subventionen und Steuergutschriften unter anderem daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren.
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