Beschleunigung für U-Bahnen: Untenrum schneller
Der CDU-Faktionschef fordert eine Express-U-Bahn für Berlin – geht das denn überhaupt? Wenn man will: ja, weiß unser weitgereister Autor.
A uf Twitter wurde gleich wieder rumgegiftet: Was für ein Honk, dieser Burkhard Dregger, fordert doch tatsächlich Express-U-Bahnlinien! LOL! Geht doch gar nicht!! Da bräuchten wir ja Extragleise oder doppelt breite Tunnel, sagt die BVG, sagt der Tagesspiegel, und dann stimmt das ja wohl. „Express-Modus im Gehirn? Abschalten! Führt sonst zur krassen Senkung des IQ bis unter 50“, tweetet ein Nutzer des Häme-Netzwerks mit dem Vögelchen.
Da muss der Autor dieses Textes tatsächlich mal eine Lanze für den CDU-Fraktionschef brechen. Denn für Expresslinien unter Tage braucht man keine Ausweichgleise, sondern nur logisches Denken. Anderswo haben Verkehrsplaner so etwas längst etabliert, beispielsweise in Santiago de Chile, dessen in den vergangenen Jahrzehnten massiv ausgebautes Metronetz in Sachen Ausdehnung gut mit Berlins U-Bahn vergleichbar ist (allerdings transportiert es deutlich mehr Menschen ).
Auf mehreren Strecken verkehrt dort zu den Stoßzeiten ein Express-Service, der ganz simpel – und gut – funktioniert: Die weniger frequentierten Bahnhöfe werden in zwei Klassen („grün“ und „rot“) geteilt, und nach einer Bahn, die an den grünen hält, kommt eine, die an den roten stoppt. Die Knotenpunkte, wo am meisten ein- und ausgestiegen wird, bedienen dagegen beide Unter-Linien.
Ob das gut für Berlin wäre, steht auf einem anderen Blatt. Denn während alle profitieren, die etwa von der Endhaltestelle ins Zentrum oder zurück wollen, gibt es auch VerliererInnen: Wer an einer untergeordneten Station aussteigen will, muss gegebenenfalls die nächste Bahn abwarten, und wer von einer untergeordneten Station der anderen Farbe losfährt, ist sogar gezwungen, noch einmal den Zug zu wechseln oder schlimmstenfalls einen Halt zurück zu fahren.
Erst mal schlau machen
Aber wie gesagt: Erst mal schlau machen, dann mit Fakten diskutieren. Und auch die regelrecht glaubenskriegerisch geführte Debatte, ob ein U-Bahn-Weiterbau von Segen oder Übel sei, muss endlich pragmatischer werden. Wenn etwa immer wieder auf die horrenden Kosten von U-Bahn-Tunneln verwiesen wird, muss man dazu sagen, dass der gern als Negativbeispiel herangezogene U5-Lückenschluss durch die geologischen Bedingungen, aber auch durch eine gewisse hauptstädtische Prunksucht enorm teuer geworden ist.
Ein Kilometerchen, um das Märkische Viertel an die U8 anzubinden, ist mit solchen Extravaganzen gar nicht vergleichbar. Dass Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) unter anderem dazu bereits eine Machbarkeitsstudie beauftragt hat, ist ein Zugeständnis an den Koalitionspartner SPD, aber durchaus sinnvoll. Am Donnerstag kündigte sie nun noch eine Studie an: zur Verlängerung der U7 vom Rathaus Spandau bis Heerstraße.
Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht keinen U-Bahn-Ausbau vor. Das könnte 2021 schon anders sein. Denn der ÖPNV muss noch viel attraktiver werden. Und da darf’s dann auch mal ein bisschen mehr sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“