Beschäftigte fordern Tarifverträge: „Tagesspiegel“ streikt
Bezahlung nach Tarifvertrag gebe es, wenn die Zeitung schwarze Zahlen schreibt, sagt die Geschäftsführung. Die Beschäftigten protestieren.
„Die Stimmung ist schlecht“, sagt eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Seit über zwei Jahren führen wir Tarifverhandlungen und werden aber immer wieder mit minimalen Gehaltserhöhungen vertröstet.“ Am 29. März legte die Geschäftsführung des zu Holtzbrinck gehörenden Verlags ein neues Angebot vor: Redakteur:innen mit bis zu 3.939 Euro Bruttogehalt, Angestellte im Verlag mit bis zu 3.230 Euro sowie Studierende sollten eine Gehaltserhöhung bekommen, um erst einmal die niedrigen Einkünfte anzupassen. Der Rest der Belegschaft erhielt das Versprechen, nach Branchentarifvertrag bezahlt zu werden, sollte der Tagesspiegel im Vorjahr schwarze Zahlen schreiben.
Eine Strategie, um einen Tarifvertrag zu vermeiden, findet der Großteil der Beschäftigten. „Leere Versprechen“, meint auch der Geschäftsführer der Deutschen- Journalist:innen-Union (DJU) in Verdi, Jörg Reichel. Zusammen mit dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) Berlin hatte seine Gewerkschaft zu einem eintägigen Warnstreik aufgerufen. „Die Lohnerhöhung würde nur 150 der 520 Beschäftigte betreffen“, sagt er.
Schwarze Zahlen sind höchst unwahrscheinlich
Außerdem sei es ein „stehender Witz“, dass der Tagesspiegel noch nie schwarze Zahlen geschrieben habe. Einmal in den letzten zwanzig Jahren sei das vorgekommen, sagt eine Mitarbeiterin auf der Kundgebung. In diesen zwanzig Jahren sei ihr Bruttogehalt minimal erhöht worden und immer noch weit vom Tarifgehalt entfernt. Laut Reichel liegen die meisten Beschäftigten mehrere hundert Euro unter dem Tarif.
„Tarifverhandlungen dürfen nicht von einer schwarzen Null abhängig gemacht werden, sondern davon, ob Verlag und Redaktion erfolgreich sind. Und das sind sie“, ruft Reichel ins Megafon und erntet Applaus. Mitte März war es bei Zeit Online, das ebenfalls zur Holtzbrinck-Gruppe gehört, zu einem Tarifabschluss gekommen. Sollte es beim Tagesspiegel nicht dazu kommen, würden die Beschäftigten erneut streiken. Eine Handvoll Leute in höheren Positionen soll in den letzten Monaten schon gekündigt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja