piwik no script img

Bertelsmann-Studie zu KrankenhäusernBefremdliche Forderung

Kommentar von Klaus Reinhardt

800 Krankenhäuser zu schließen, ist nicht sinnvoll. Gerade auf dem Land muss die flächendeckende Versorgung der Patienten sichergestellt sein.

Bei den Krankenhäusern geht es um mehr als reine Effizienz Foto: dpa

E s ist mehr als befremdlich, wenn die Bertelsmann-Stiftung pauschal die Schließung von 800 Krankenhäusern in Deutschland fordert. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat gerade erst die Bedeutung der Daseinsvorsorge und Sicherung einer gut erreichbaren, wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur herausgestellt. Als Konsequenz daraus hat das Bundesgesundheitsministerium beschlossen, 120 kleinere Kliniken finanziell zu unterstützen.

Zwar kann es in Ballungsgebieten mit höherer Krankenhausdichte durchaus sinnvoll sein, Patienten in größeren Strukturen zu versorgen. Dadurch könnten beispielsweise Abläufe für Ärzte und Pflegepersonal vereinfacht und die zunehmende Arbeitsverdichtung abgemildert werden. Doch gerade im ländlichen Raum müssen wir die flächendeckende Versorgung der Patienten sicherstellen. Genau deshalb müssen wir mehr als bisher die sektorübergreifende Versorgung gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten ausbauen.

Klaus Reinhardt

ist Facharzt für Allgemeinmedizin und Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages.

In Hamburger Krankenhäusern werden ja auch Patienten aus dem weiteren Umland behandelt. Das alles zeigt, dass man diese Fragen nicht vom grünen Tisch aus entscheiden kann. Sie müssen vor Ort und von den Landes- und Kommunalpolitikern gemeinsam mit den Ärzten diskutiert werden. Schließlich dienen Kliniken und Praxen nicht nur der regulären medizinischen Versorgung, sondern müssen auch für die medizinische Versorgung in Krisenfällen wie Epidemien und Großschadensereignissen gut aufgestellt sein.

Wer auch immer mit welchen Ideen den Krankenhaussektor verändern will, muss dem grundgesetzlichen Auftrag der Daseinsvorsorge, der Gleichheit der Lebensverhältnisse und dem Feuerwehrwehrprinzip der Krankenhäuser im Katastrophenfall gerecht werden. Vor allem aber müssen wir diskutieren, wie angesichts des Fachkräftemangels der steigende Behandlungsbedarf gedeckt werden soll. Denn auch mit weniger Krankenhäusern sind nicht weniger Kranke zu behandeln.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Dass so eine Forderung von der Bertelsmann-Stifung kommt, ist erwartbar. Wirklich befremdlich hingegen ist, dass diese Studie einer dem Neoliberalismus und der Marktradikalität verpflichteten Stifungen in den Nachrichten und den Medien behandelt wird, als wäre der Bertelsmann-Hintergrund dort völlig unbekannt.

  • "Dadurch könnten beispielsweise Abläufe für Ärzte und Pflegepersonal vereinfacht und die zunehmende Arbeitsverdichtung abgemildert werden"

    Gerade das ist ja nicht der Fall. Wenn Krankenhäuser geschlossen werden haben die anderen eine noch höhere Belastung, der sie in Krisenfällen (Feuer, Massenkarambolage, oder Epedemie) nicht gewachsen sind. Im Übrigen muss sich niemand einbilden, dass die Neubauten für Erweiterungen umsonst wären. Der Mensch ist keine Maschine, die nach Wartungsplan im Sekundentakt repariert werden kann.

  • Allein die Aussage, mit weniger Krankenhäusern könne man eine bessere Versorgung gewährleisten, weil das eingesparte Personal, dann in den übrigen Kliniken zur Verfügung stünde, offenbart, aus welcher Richtung dieser Vorschlag kommt.



    Ernsthaft kann niemand glauben, dass das Personal in den restlichen Kliniken aufgestockt werden würde, so etwas wird vorher als Lockmittel groß über Medien verbreitet, Realität sind solche Vorschläge noch nie geworden.



    Heutzutage ist die Personalstärke eine Krankenhauses, so stark wie vor einigen Jahrzehnten die Notfallbesetzung, die vorgeschrieben war um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten.



    Glaubt tatsächlich irgendjemand, das die Krankenkassen, einer Personalverdoppelung in den restlichen Kliniken zustimmen würden?

    • @nutzer:

      Übrigens Dr. Brigitte Mohn die das Projekt "Neuordnung Krankenhaus-Landschaft" bei der Bertelsmannstiftung betreibt ist auch Mitglied des Aufsichtsrats der Rhön-Privatkliniken AG.



      Könnte da ein Zusammenhang bestehen?

      • @nutzer:

        Gut möglich, sofern Leser diese Info parat haben. Ich hatte es bisher aber noch nicht gewußt. Vielleicht sollte ich das Buch Bertelsmannrepublik Deutschland zu Ende lesen. Hatte nach 2/3 aufgehört weil ich erschrocken war welchen Einfluss diese Gesellschaft hat.