Berliner Verfassungsschutz: „Enormer Schaden“
Innensenator Geisel kündigt eine gründliche Untersuchung des Berliner Verfassungsschutzes an. Hintergrund: der Leak eines AfD-Berichts.
Geleakt worden war ein 43- seitiger, als Verschlusssache eingestufter Bericht (taz berichtete). Neun MitarbeiterInnen des Referats Rechtsextremismus hatten daran mitgewirkt. Der Inhalt ist brisant. Es geht um die Frage, ob die Berliner AfD vom rechtsextremen Prüf- zum Verdachtsfall hochgestuft werden soll. Verdachtsfall würde heißen, die Partei könnte mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Attestiert wird der AfD in dem Bericht allerdings, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu verfolgen. Rassistische Äußerungen von Parteimitgliedern und Verbindungen in die extreme Rechte seien als Grenzfälle im Rahmen der Meinungsfreiheit zu bewerten.
Die Berliner AfD hatte den geleakten Bericht im Januar öffentlich gemacht – wohl auch, um damit der im Bundesgebiet diskutierten Einstufung als Verdachtsfall zu entgehen. Eine Positionierung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in dieser Frage sei demnächst zu erwarten, sagte Geisel am Mittwoch.
Die Innenverwaltung hatte nach Bekanntwerden des Leaks erklärt, dass es sich bei dem Papier um einen „nicht finalisierten Zwischenbericht“ handele. Geisel bekräftigte das im Verfassungsschutzausschuss. Es handele sich um kein abschließendes Votum des Verfassungsschutzes, denn das Papier weise große methodische Mängel auf. Erst wenn das Prüfverfahren abgeschlossen sei, werde es eine Bewertung zu der Frage der Einstufung der AfD geben. Dass ein solches Prüfverfahren läuft, war im August 2020 in geheimer Sitzung bekannt geworden.
Erneute Sicherheitsüberprüfung
Die Staatsanwaltschaft habe ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrat eröffnet, so der Innensenator. Auch behördenintern seien Maßnahmen ergriffen worden. Der Leiter des Referats Rechtsextremismus sei „freigestellt“ worden. Daten auf Servern seien gesichert, technische Geräte eingezogen worden, um Rückschlüsse auf eine Verbreitung und deren Urheber zu ziehen. Es werde geklärt, welche Beamte Zugriff auf bestimmte Dokumente hatten. Von allen Mitarbeitern habe die Behördenleitung dienstliche Erklärungen eingefordert.
Alle würden einer erneuten Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Diese werde nicht vom Berliner Verfassungsschutz, sondern von einer anderen Behörde vorgenommen, betonte Geisel. Auch ein Stühlerücken in Teilen des Verfassungsschutzes kündigte er an. In den hochsensiblen Bereichen werde „zwingend“ nach einer gewissen Zeit eine Rotation der Dienstkräfte erfolgen. „Bereitschaft zur Umfeldveränderung stärken“ nannte Geisel das.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski befand bei der Aussprache, die neun Referatsmitarbeiter hätten gute Arbeit geleistet und die richtigen Schlüsse gezogen.
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