Berliner SPD revidiert Autobahn-Beschluss: R2G endlich gegen A100
Seit dem SPD-Parteitag ist Rot-Grün-Rot geschlossen gegen den A100-Weiterbau. Schlimmstenfalls droht nun ein jahrelanges Tauziehen mit dem Bund.
K napp, aber mehrheitlich fiel das Votum des SPD-Parteitags für den Weiterbau der Stadtautobahn aus. Viele im Saal reagierten aufgebracht – immerhin wurde damit ein gerade mal ein Jahr alter Beschluss wieder revidiert. „Es ist falsch, auf Beton zu setzen. Es ist falsch, auf Abgase zu setzen“, rief Raed Saleh in den Saal. „Der Weiterbau der A100 ist umweltpolitisch fatal!“, so der Spandauer Kreisvorsitzende.
Sie haben's gemerkt: Die Rede ist vom Jahr 2010, als Klaus Wowereits Haare noch nicht weiß waren. Zusammen mit dem damaligen Parteichef Michael Müller drückte der Regierende durch, dass der Bund beim 16. Bauabschnitt nach Treptow auf das Land zählen konnte. Was auch geschah, nachdem 2011 Rot-Grün wegen genau dieses Konflikts nicht zustande kam und die CDU in die Bresche sprang.
Am Sonntag nun hat die SPD – mit gut 64 Prozent, einer deutlicheren Mehrheit als vor zwölf Jahren – die autobahn-positive Haltung erneut revidiert und beschlossen, dass die Partei den Bau des 17. Bauabschnitts nach Friedrichshain verhindern soll. Das Signal geht gleichzeitig an die Bundesregierung, immerhin stellt die SPD den Kanzler und soll nach Erkenntnissen der Politikwissenschaft eine Richtlinienkompetenz besitzen.
Der Wind hat sich gedreht
Dass Ko-Landeschef Saleh damit kein allzu großes Problem haben würde, ließ sich – siehe oben – absehen. Bei Franziska Giffey war das weniger klar, sie hatte sich in der Vergangenheit fast durchweg als Autofreundin geriert. Aber es war wohl nicht nur ihr miserables Wahlergebnis, das sie dazu brachte, der A100-Abstimmung am Ende fernzubleiben – sie hat verstanden, dass sich der Wind in der Partei endgültig gegen den Bau von Betonschneisen gedreht hat.
Und was kommt jetzt? Jetzt dürfte die A100 für geraume Zeit zum Zankapfel zwischen Bund und Land sowie innerhalb der Ampel werden. Dass der Bund gegen den Willen des Senats die Ausbaupläne durchdrückt, war schon vor dem SPD-Parteitag unwahrscheinlich. Nun wird es für den FDP-Verkehrsminister auch noch am Kabinettstisch ungemütlicher. Andererseits: Das Potenzial, die KoalitionspartnerInnen vorzuführen, wird er nicht so schnell aus der Hand geben. Immerhin gibt es ja noch eine Pro-Ausbau-Fraktion in der SPD.
Ein nicht völlig abwegiges Szenario könnte so aussehen: Der Senat greift die Forderung auf, per Änderung des Flächennutzungsplans der A100 Raum wegzunehmen – so sieht es der SPD-Beschluss vor (wobei das Copyright auf diese Idee die Linke hat). Der Bund müsste dann offensiv Grundstücke enteignen und vor Gericht ziehen. Ein absurdes Theater, das Jahre dauern könnte. Hoffentlich kommen vorher auch noch die Letzten zur Vernunft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen