Berliner Musiker zu Konzertabsagen: Fiese Störgeräusche der Krise
Die abgesagte Premiere vom Trio Spajic Stecher Möbius ist nur ein Beispiel im lahmgelegten Konzertbetrieb. Die Auswirkungen wird man lange spüren.
Hätte. Nach Plan also hätte am Sonntag in der Kantine am Berghain ein Konzert stattfinden sollen, bei dem sich das Trio Spajic Stecher Möbius erstmals in Berlin präsentieren wollte, als Abschluss einer kleinen Tour durch andere deutsche Städte. Ein Plan, der natürlich lange vor den aktuellen Coronaviruszeiten gemacht wurde und mit dem stillgelegten Kulturbetrieb auf den Livebühnen längst Makulatur ist.
„Das haben wir uns natürlich anders vorgestellt“, sagt Guido Möbius am Telefon. „Das sollte jetzt der Startschuss sein für dieses Projekt. Und der ist nicht gefallen.“ Das sei zwar „nicht schön“, aber richtig tragisch will es der Musiker noch nicht nehmen. Schließlich handele es sich in seinem Fall gerade mal um eine Handvoll Konzerte, während er doch weiß, dass es viele KollegInnen wirklich heftig getroffen hat, die gerade die Absage von mit vielen Terminen gespickten Tourneen verkraften müssen.
Dass der 1969 geborene und Ende der 1990er Jahre von Köln nach Berlin gekommene Musiker aufgrund der Konzertabsagen für sich noch keine wirklich existenzielle Gefahr sieht, liegt auch daran, dass Möbius nicht nur Musiker ist. Seit über 20 Jahren betreibt er den Musikverlag Autopilot, und der ist im Moment wenigstens nur indirekt betroffen. Außerdem macht Möbius Pressearbeit. Auch für Berliner Festivals wie das CTM. Diese Plattform für experimentelle und elektronische Musik fand ja Anfang des Jahres bereits statt, die nächste Ausgabe kommt erst wieder Anfang des nächsten Jahres. Andere Termine aber sind nicht mehr zu halten. Deswegen, sagt Möbius, habe er auch bei der Pressearbeit Ausfälle zu vermelden.
Geräuschmusik mit Pop-Appeal
Als Musiker wiederum hat Guido Möbius etliche Alben vorgelegt, auf denen tricky ineinander verschraubte Sounds zu hören sind. Eine Geräuschmusik mit einem gehörigen Pop-Appeal, die manchmal richtig funky daherkommt. Also eine experimentelle Musik, die Laune macht. Vergangenes Jahr ist auch das Debütalbum von G.A.M.S. erschienen, dem Duo von Möbius und dem Schlagzeuger Andi Stecher. Hier spielt Möbius, von Haus aus eigentlich ein Gitarrist und deswegen gut vertraut mit allerlei Effektgeräten, mit den klanglichen Möglichkeiten von Feedbacks, Rückkopplungen, die eigentlich sonst auf der Bühne als Störgeräusche gelten oder nur des Effekts wegen eingesetzt werden.
Mit Svetlana Spajić, die bereits mit Marina Abramović gearbeitet hat, wird das Duokonzept nun zum Trio erweitert, und gern hätte man eben am Sonntag in der Kantine gehört, wie sich denn die Stimme der serbischen, in der Tradition des Balkans verwurzelten Sängerin mit der Feedback-Musik von Möbius verträgt.
Gerade arbeiteten die drei auch im Studio. Die Zeit muss genutzt werden trotz der ausgefallenen Konzerte. Denn das Trio ist eben eine musikalische Fernbeziehung, Svetlana Spajić muss aus Belgrad anreisen – und ist bereits wieder weg. Für das Berliner Konzert gibt es bereits einen Ausweichtermin im Herbst in der Kantine am Berghain. „Ob man den wahrnehmen kann“, sagt Möbius, „steht aber auf einem anderen Blatt.“
Die Luft wird dünner
Unternehmen, Freiberufler und Selbständige will das Land Berlin vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie mit insgesamt 600 Millionen Euro an Soforthilfen unterstützen. Das hat der Senat auf einer Sondersitzung am Donnerstagabend beschlossen. Allein 100 Millionen Euro soll es im laufenden Jahr an Soforthilfemaßnahmen für Kleinunternehmen und Soloselbständige sowie für Freiberufler geben, teilte der Senat mit.
Das „Soforthilfe II“ überschriebene Landesprogramm wende sich an die besonders hart von der Corona-Krise getroffenen Klein- und Kleinstunternehmen mit maximal fünf Beschäftigten sowie Freiberufler und Soloselbständige aus Bereichen wie Gesundheit, Handel und Dienstleistung, Jugend und Bildung, Kultur, Soziales, Sport sowie Tourismus. Die Höhe des Zuschusses ist laut Senat auf 5.000 Euro begrenzt. Er kann den Angaben zufolge aber gegebenenfalls mehrmals beantragt werden. (dpa)
Der Herbst ist sowieso die Hoffnung. „Die telefonieren sich alle wahrscheinlich gerade den Wolf, um ihre Konzerte in die zweite Jahreshälfte zu legen“, sagt Möbius. Und dass man die Ausfälle auch noch im kommenden Jahr spüren werde. Schließlich ist die Zahl der – durch die aktuelle Situation dazu gefährdeten – Spielorte begrenzt und die Konkurrenz darum nicht klein.
„Die Luft generell wird dünner“, so Möbius.
Auch wenn man sich gegenseitig kennt und freundschaftlich zunickt: Prinzipiell hat man es in der freien Berliner Konzertszene, bei den MusikerInnen wie den VeranstalterInnen, eher mit einem Einzelkämpfertum zu tun. Eine sich immer wieder lautstark zu Wort meldende und auch Forderungen stellende Interessenvertretung wie zum Beispiel die Clubcommission Berlin für die hiesige Clubszene findet sich nicht.
„Die Situation jetzt wird uns lange beschäftigen“, sagt Möbius. Im nächsten Jahr zum Beispiel bereits, selbst wenn es bald schon wieder auf die Bühne gehen sollte, im Hinblick auf die Gema-Ausschüttungen, wenn die jetzigen Konzertausfälle zu spüren sein werden.
Selbst aber will er die Zwangspause nutzen und Dinge, die liegen geblieben sind, erledigen. Die Steuererklärumg etwa. „Wir versuchen im Augenblick erst mal, die Nerven zu behalten.“ Ob das aber so bleibt, da solle man ihn, sagt Guido Möbius, doch mal im Sommer fragen.
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