Berlinale Wettbewerb: „La prière“: Erweckungserlebnis gesucht
Drogenentzug auf katholisch: Der französische Film „La prière“ erzählt von einem jungen Mann, der mit dem Glauben nicht weit kommt.
„La prière“ spielt in einer Welt für sich: Junge Männer, die drogenabhängig waren, Heroin bei den meisten, werden in einem katholischen Lager in den Bergen von ihren Abhängigkeiten kuriert. Kein Kloster, aber doch fast. Keine Gefangenschaft und kein Zwang, aber doch nur die Freiheit, sich den strengen Regeln zu unterwerfen.
Es gibt auch ein Lager für Frauen, aber die Männer haben mit den Frauen so gut wie keinen Kontakt – und wenn, dann muss es gleich ans Verloben und Heiraten gehen. Thomas (Anthony Bajon), der Held des Films, kommt hier an, etwas pummelig, beinahe noch nicht erwachsen. Er schweigt, trotzt, singt nicht mit, leidet wie ein Hund unterm Drogenentzug. Die Gemeinschaft der Jungen, angeleitet von einem mittelalten Mann namens Marco (Alex Brendemühl), nimmt ihn ins Gebet.
Er flieht, eine junge Frau namens Sibylle (Louise Grinberg), in die er sich verguckt, überredet ihn zur Rückkehr ins Lager. Sibylle übrigens verguckt sich zurück. Das wird später noch wichtig.
Die Heilige Hanna blickt streng
Mit Gott hat Thomas es um einiges schwerer. Er kennt die Gebete, vielleicht glaubt er irgendwann sogar, er würde tatsächlich glauben, aber da glaubt er verkehrt. Die strenge Schwester Myriam, Gründerin des Lagers, sieht das sofort und blickt so gütig und zugleich streng, wie nur Hanna Schygulla gütig und zugleich streng blicken kann. Ein paar Ohrfeigen später weiß Thomas: In Sachen Glauben ist noch manches zu tun. Ein Erweckungserlebnis bei einer Wanderung in den Bergen zum Beispiel wäre nicht schlecht. Holterdipolter geht es hinab in Richtung Gebet.
Ob der Film „La prière“, vom französischen Regisseur Cedric Kahn und im Wettbewerb der Berlinale präsentiert, ein frommer Film ist? Gar nicht so einfach zu sagen. Unfromm jedenfalls ist er ganz sicher nicht. Auf eine sehr geduldige und nüchterne Weise nicht unfromm. Er nimmt seinen Helden, den Glauben, den Zweifel am Glauben sehr ernst. Beobachtet, lässt sich ein, protokolliert.
Die Erzählhaltung ist noch nicht einmal in einem strengen Sinn distanziert. Der Film ist weder kritisch noch gläubig, sagt nicht, was er will, er bleibt seinem Helden einfach nur auf den Fersen. Wenn Thomas wie ein Verrückter davonrennt, rennt die Kamera nicht minder verrückt hinterher. Wenn er Sex hat, erregt sie sich mit.
Trotzdem ist der Film bar jeder Intensität. Entsättigt die Farben, grau und winterlich die Landschaft, grau und winterlich das Gemüt. Pedestrisch ist der Film noch da, wo er zum Himmel blickt und wo Gott auf das Gebet des ungläubigen Thomas zu antworten scheint. Da hilft nicht die sakrale Musik. Da hilft nicht Schygulla, da hilft kein Gott, da hilft nicht der Zweifel und auch nicht die Liebe. „La priére“ ist ein rechtschaffenes Werk, aber es zeigt sich mal wieder, dass rechtschaffen in der Kunst oft genug der kleine Bruder von ganz schön langweilig ist.
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