Berlinale-Staralbum – Christian Bale: Der Abgelenkte
„Sie haben einen tollen Bauchnabel!“, ruft Christian Bale in den Raum. Bei der Pressekonferenz wirkt er, nun ja, etwas neben der Spur.
Eine Kontinuität bei der diesjährigen Berlinale: Ohne Pressekonferenz würden einige Filme deutlich besser wegkommen als mit Pressekonferenz. So auch „Vice“, Adam McKays Film über den ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney, der kurz vor 9/11 mit Bush Jr. ins Amt kam und maßgeblich für den Zweiten Irakkrieg verantwortlich war.
Selten hat es so ein vielschichtiges Biopic aus Hollywood gegeben. Brillant verkörpert wird der wohl mächtigste Vize der US-Historie von Christian Bale, der für die Rolle 30 Kilo zulegte, sich 30 Jahre älter schminken ließ – und zu Recht für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert wurde.
40 Minuten vergehen, bis Bale und Regisseur McKay endlich erscheinen. Da ist schon ein Drittel der Presse abgedampft, das Festival geht schließlich weiter. Bale trägt Zwiebellook, schwarz, wie um die übrigen paar Cheney-Kilos zu kaschieren. Seinen Mund rahmt ein opulenter Bart, der viele seiner Sätze in ein unverständliches Grummeln verwandelt. Selbst die Übersetzer*innenkabine scheint überfordert.
Während McKay den Journalist*innen die Unterschiede zwischen Cheney (hat moderne rechtskonservative US-Politik maßgeblich mitgeprägt) und Trump (ist ein Resultat von Cheneys Werk) erläutert, ist Bales Blick abgelenkt von Details im Saal. Der gebürtige Waliser ist deutlich neben der Spur.
12.02. 22.30 Uhr International
15.02. 22.45 Uhr Haus der Berliner Festspiele
„Sie haben einen tollen Bauchnabel!“, ruft der 45-Jährige einmal in den Raum. Oder: „Sie haben ja eine Riesenkameralinse! Was kostet so etwas?“ Alle lachen. Bale unterhält uns, ohne irgendetwas von Substanz zu sagen. Wobei das nicht weiter schlimm wäre. Doch spricht er dann auch über den Film und gibt leider die redundantesten Auslegungen von sich, die über „Vice“ zu machen sind.
Nur einmal bricht Bale aus seiner Welt von Floskeln und Bauchnabeln aus, als er gefragt wird, wie sein Körper auf das ständige Ab- und Zunehmen für Rollen reagiere: „Mein Körper sagt: Hör auf. Du wirst sterben, wenn du so weitermachst.“ Der Raum lacht. Worüber nur?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?