Drei Männer kämpfen um die Aufmerksamkeit einer Frau. Man hat das im Kino schon unzählige Male gesehen, aber selten so anrührend direkt wie in „Saint amour“. Die Frau (Céline Sallette) sitzt am Steuer eines Autos und in ihre Blickachsen über die Schulter oder durch den Rückspiegel drängen sich die Gesichter des jungen, gut aussehenden Mike (Vincent Lacoste), des nicht mehr jungen, nicht schönen Bruno (Benoît Poelvoorde) und das von Gérard Depardieu, der keine Beschreibung braucht.
Sie strengen sich alle drei an, nett zu wirken, wenn die Kamera sie in den Blick nimmt. Dementsprechend angespannt wirkt ihr Lächeln, dementsprechend deutlich werden ihre Selbstzweifel, aber während Mike und Bruno einen gewissen Übereifer ausstrahlen, lehnt sich Depardieu vorsichtig zurück und wirkt um so stärker durch seine Zurückhaltung. Mit der gleichen Taktik spielt Depardieu als Schauspieler hier einmal mehr die Gesamtheit seiner Kollegen an die Wand.
„Saint amour“ läuft wohl deshalb außer Konkurrenz, weil Filme mit Depardieu mittlerweile ein eigenes, inkompatibles Genre bilden. Der Plot wirkt so wie ein bloßer Vorwand, um Depardieu beim Schauspielern zuschauen zu können. Wobei das Wunderbare darin besteht, dass man ihn nie schauspielern sieht. Kaum ein Darsteller wirkt in jeder neuen Rolle derart übergangslos selbstverständlich und natürlich, bis in den letzten Zentimeter seines unfasslich umfangreichen Körpers hinein.
Saint Amour bei der Berlinale
20. 2., 10 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, 20. 2., 12 und 18 Uhr, Friedrichstadtpalast, 21. 2., 22.15 Uhr, Berlinale Palast
So hat es Benoît Poelvoorde, auch er ein Instinktschauspieler, vergleichsweise schwer, sich neben „dem Dicken“ zu behaupten. Genau das aber macht das Regieduo Delépine und Kervern schlauerweise zum Konflikt ihres Films, indem sie Poelvoorde den unglücklichen Sohn des von Depardieu verkörperten Bauern spielen lassen.
Die Handlung beginnt auf einer Agrarmesse, wo Poelvoordes Bruno sich sinnlos betrinkt, was den sentimental werdenden Vater dazu anregt, auf dessen Wunsch hin auf eine Weintour durch ganz Frankreich aufzubrechen.
Berlinale 2016
Der „Goldene Bär für den besten Film“ ging an „Fuocoammare“. Der Preis ist ist die höchste Auszeichnung der Internationalen Filmfestspiele in Berlin. „Fuocoammare“ hält das Leben der Menschen auf Lampedusa fest. Er wurde erstmals am 13. Februar im Wettbewerb der Berlinale gezeigt.
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Blitzlichtgewitter, ein selbstfahrendes Auto und jede Menge Stars – das war die Berlinale 2016. Am Sonntag geht sie zu Ende.
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Silberne Bären bekamen Majd Mastoura als „Bester Darsteller“ in „Inhebbek Hedi“ und Trine Dyrholm als „Beste Darstellerin“ in „Kollektivet“ (v.l.). Außerdem erhielt Danis Tanovic den „Silbernen Bären Großer Preis der Jury“ für seinen Film „Smrt u Sarajevu“. Der „Silberne Bär Alfred-Bauer-Preis“ ging an den Film „Hele Sa Hiwagang Hapis“ von Lav Diaz.
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Preisträgerin Mia Hansen-Love ist glücklich über ihren Silbernen Bären für die beste Regie von „L'avenir“. Auch Tomasz Wasilewski erhielt einen für das Beste Drehbuch von „United States of Love“. Auch Mark Lee Ping-Bing konnte sich glücklich schätzen: Er erhielt einen „Silbernen Bären für eine Herausragende Künstlerische Leistung“ in „Crosscurrent“.
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Kameramann Michael Ballhaus hat den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk bekommen. Sein Markenzeichen: 360-Grad-Kamerafahrten. Bei der Preisverleihung wurde auch „Gangs of New York“ mit Leonardo DiCaprio und Cameron Diaz gezeigt.
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Meryl Streep erhielt 2012 auch einen Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk. Die dreifache Oscar-Gewinnerin war in diesem Jahr die Präsidentin der internationalen Jury. Diese verleiht den Goldenen und den Silbernen Bären der Berlinale. Die US-Schauspielerin ist derzeit im Film „Suffragette“ zu sehen.
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Nur durch seine bloße Anwesenheit stach George Clooney bei der Eröffnung der Berlinale am 11. Februar hervor. Selfies mit Fans zu machen gehört zur Berlinale einfach dazu. Clooney spielt die Hauptrolle im Film „Hail, Caesar!“ und zeigte sich mit seiner Frau Amal Alamuddin auf dem Roten Teppich. Am 12. Februar sprach er mit Kanzlerin Angela Merkel über die Flüchtlingskrise.
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In „Hail, Caesar!“ mimt George Clooney den Hollywoodstar Baird Whitlock. Der Film von den Coen-Brüdern entführt den Zuschauer in eines der großen Filmstudios im Hollywood der frühen Fünfzigerjahre. 2011 eröffneten die Coens bereits mit „True Grit“ die Berlinale. „Hail, Caesar!“ ist seit dem 18. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.
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Der deutsche Filmstar Daniel Brühl erregte ebenfalls Aufsehen, als er zur Eröffnungsgala der Berlinale in einem selbstfahrenden Auto erschien. Zudem spielt er im Berlinale-Film „Alone in Berlin“ einen Kommissar, der die Herkunft von Anti-Hitler Postkarten aufdecken soll. Mit Emma Watson ist Brühl abseits der Berlinale auch im Kinofilm „Colonia Dignidad“ zu sehen.
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Der Künstler Ai Weiwei hat am 13. Februar das Berliner Konzerthaus mit Rettungswesten von der griechischen Insel Lesbos einkleiden lassen. Damit will er auf die Flüchtlinge, die auf ihrer Flucht nach Europa ertrunken sind, aufmerksam machen. Ai Weiwei ist Ehrenpräsident des „Cinema for Peace“, das zeitgleich zur Berlinale stattfand.
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Der einzige deutsche Film im Wettbewerb heißt „24 Wochen“. Was macht ein Paar, bei dessen ungeborenem Kind Trisomie 21 diagnostiziert wird?
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Außerdem war im Wettbewerb: der Film „Chang Jiang Tu“. Kapitän Gao Chun fährt mit seinem Frachter auf dem chinesischen Jangtse flussaufwärts. Er soll die Seele seines verstorbenen Vaters befreien und ist gleichzeitig auf der Suche nach der großen Liebe. Der Film ist am 21. Februar im Haus der Berliner Festspiele zu sehen.
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Johnny Oritz ist erst 19 Jahre alt und hat bereits seine erste Hauptrolle im Film „Soy Nero“, der im Wettbewerb gezeigt wurde. Darin verkörpert er den mexikanischen Jungen Nero, der US-Bürger werden will. Oritz hat eine besondere Verbindung zum Thema: Seine Familie ist auch in die USA migriert.
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Der Schauspieler Gérard Depardieu bewarb am Freitag „Saint Amour“. Der Film gewann keinen Bären, er lief außer Konkurrenz.
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Ab da agiert Lacoste als Taxifahrer Mike und Puffer zwischen ihnen. Begegnungen mit allerlei Sonderlingen (Michel Houellebecq hat ein Cameo als Zimmervermieter) und verschiedenen Frauen (unter anderem Chiara Mastroianni) säumen ihren Weg. Die surrealistische Willigkeit der Frauen, sich einem oder gar allen dreien zu erbarmen, entlarvt den Film zwar als leicht überreifen Männerkitsch, aber auch darüber hilft Depardieus generöse Menschlichkeit hinweg.
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Achtzehn Filme im Wettbewerb, acht erhalten einen Preis: Die Berlinale-Jury streut ihre Anerkennung breit. Das Flüchtlingselend nimmt sie besonders in den Blick.
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