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Berlin beschließt MietendeckelExperiment für die Mieter

Für Linken-Chef Riexinger ist der Berliner Mietendeckel ein „Signal“ an den Rest der Bundesrepublik. Andere Politiker und Verbände hingegen üben Kritik.

Hoffnungsschimmer oder düstere Aussichten? Am Mietendeckel scheiden sich die Berliner Geister Foto: Unsplash/Daniel Brosch

Berlin taz | Die Einigung zum Berliner Mietendeckel stößt auf Zustimmung und Kritik. „Dass die Mieterhöhungen in Berlin für fünf Jahre gestoppt und gedeckelt werden, ist ein wichtiger Erfolg linker Politik“, sagte Linken-Parteichef Bernd Riexinger der taz. „Von Berlin kann ein Signal für alle Initiativen ausgehen, die auch in anderen Bundesländern oder Stadtstaaten einen Mietendeckel fordern.“

Ein Bündnis aus Wirtschafts- und Bauverbänden will hingegen in einem offenen Brief an den Berliner Senat protestieren und befürchtet „negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft“, heißt es in einer Ankündigung.

Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin hatte sich am Freitag auf den Mietendeckel geeinigt, am Dienstag will der Senat das entsprechende Gesetz auf den Weg bringen. Laut der Einigung sollen die Mieten in Berlin, rückwirkend zum 18. Juni 2019, für fünf Jahre eingefroren werden. Ab dem Jahr 2022 können Vermieter die Miete dennoch in Höhe eines Inflationsausgleichs von 1,3 Prozent pro Jahr erhöhen. Das Einfrieren gilt nach Angaben der Grünen für 1,5 Millionen Mietwohnungen, aber nicht für Neubauten, die ab Januar 2014 bezugsfertig wurden, und nicht für den sozialen Wohnungsbau, dessen Mieten ohnehin preisgebunden sind.

Durch das neue Gesetz dürfen überdies Mieten bei Wiedervermietungen nicht mehr über die Höhe der Vormiete angehoben werden. Falls die Vormiete schon höher war als eine bestimmte, künftige Tabellenmiete, kann die Miete vom Neumieter auf diese Tabellenmiete abgesenkt werden.

Die Tabellenmiete bezieht sich auf die Werte im Mietspiegel von 2013 plus einen Aufschlag von 13 Prozent. Wirft man einen Blick in den Mietspiegel, dann lässt sich bei einer 80 Quadratmeter-Altbauwohnung in guter Lage beispielsweise eine künftige Tabellenmiete von 640 Euro nettokalt errechnen. Die neue Miete im Wohnungsangebot dürfte dann nicht mehr über dieser Grenze liegen.

Mietsenkungen mit „Wucherregelung“ möglich

Für Bestandsmieter, also Leute, die bereits einen Mietvertrag haben, gilt eine „Wucherregelung“, die in bestimmten Fällen Absenkungen erlaubt. Dieser Paragraf soll erst in neun Monaten in Kraft treten. Danach dürfen hohe Mieten auch in bereits bestehenden Verträgen gesenkt werden, wenn sie mehr als 20 Prozent über der Tabellenmiete liegen. Sie dürfen dann höchstens die Tabellenmiete plus 20 Prozent betragen. Allerdings sollen je nach Lage noch Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden. Bei einer einfachen Lage sollen dies Abschläge von 28 Cent, bei einer guten Lage Zuschläge von 74 Cent der Quadratmeter sein.

Im oben genannten Beispiel bei einer Tabellenmiete in guter Lage von 8 Euro der Quadratmeter könnte eine Wuchermiete dann – inklusive der Zuschläge – auf eine Höhe von 10,34 Euro nettokalt der Quadratmeter begrenzt werden. Bei einer 80 Quadratmeter-Wohnung wären dies 827 Euro nettokalt. Nur eine Bestandsmiete, die darüber liegt, könnte als „Wuchermiete“ in diesem Beispiel abgesenkt werden.

Diese Mietobergrenzen werden in den Angeboten auf dem Wohnungsmarkt oft übertroffen, wie jeder Berliner Wohnungssuchende erlebt. Laut dem Portal Immowelt liegen die Angebotsmieten in Berlin derzeit bei 11,60 Euro nettokalt der Quadratmeter. Allerdings sind in diesen Angeboten auch Neubauwohnungen mit berücksichtigt, die ja nicht unter den Mietendeckel fallen.

Um Mietpreiserhöhungen durch Modernisierungen zu erschweren, gibt es auch hierzu eine Regelung beim Mietendeckel: Modernisierungsmaßnahmen dürfen ohne Genehmigung nur in Höhe von einem Euro pro Quadratmeter auf die Miete umgelegt werden, hier gilt eine Anzeigepflicht. Für darüber hinausgehende Modernisierungskosten von maximal einem weiteren Euro pro Quadratmeter „sollen Förderprogramme genutzt werden“, heißt es in dem Papier, auf das sich die Koalition am Freitag einigte.

„Rückkehr zur sozialistischen Wohnungspolitik“

Das Gesetz soll Anfang kommenden Jahres in Kraft treten und rückwirkend ab Juni 2019 gelten. CDU, FDP und AfD laufen Sturm gegen die Pläne. Union und FDP im Bundestag wie im Berliner Abgeordnetenhaus haben Normenkontrollklagen gegen das Gesetz in Aussicht gestellt.

„Die Berliner Landesregierung kehrt zurück zur sozialistischen Wohnungspolitik“, erklärte der Präsident des Immobilienverbands IVD, Jürgen Michael Schick. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Enteignungen und Mietenstopp führten nicht zu mehr Wohnraum, „sondern untergraben die Investionsbereitschaft für den Mietwohnungsbau“.

Der Berliner Mieterverein nannte den Mietendeckel dagegen „eine historische Chance“. Christian Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Grünen-Fraktion im Bundestag, sagte der taz: „Mit dem Mietendeckel wird juristisches Neuland betreten. Deshalb ist es richtig, dass Umsetzbarkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit sorgsam geprüft sind“.

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14 Kommentare

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  • Also wer 10,34 Euro nettokalt pro Quadratmeter als sozialistisch bezeichnet, hat nun wirklich keine Ahnung und sollte besser schweigen!



    Und mit Altersvorsorge durch Wohneigentum und einem Preis von 10,34 € kalt in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, ist doch sehr unwahrscheinlich. Hier doch mal bitte die monatliche Belastung in einer detaillierten Rechnung aufschlüsseln: Kaufpreis, Eigenkapitalanteil, monatliche Zinsbelastung, Tilgung, sonstige Kosten, etc ...

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    OhHa. Dann sind ja Gleichwertige Lebensverhätnisse jetzt Lokal und Regional festgeschrieben?

    Oder kann dann ein 8€ m2 Mieter im Hippie Viertel mit 12,50€ - 25€ m2 wohnen.

    Gleich Wertige Lebensverhältnisse?



    Aus Gleichen Haushaltseinkommen?

    Dann machen die Spekulanten eben 19,75% und andere Lücken.

    Wie wird das Wohnen und Leben für alle Einkommensklassen zusammen jetzt dann besser?

    Ciao Bella



    Bella Ciao

    Deckel? 20% über Tabelle? Mit Ausnahmen.



    Klingt wie die Mietpreisbremse. Wie Eikonal. Wie Datenschutz. Wie Ökoplakette.

    Wie eh und jeh.

  • "Aber er hilft, die Stadt für Spekulanten uninteressant zu machen. Das ist ein erster Schritt."



    Warum?



    Er hilft nur Vermietung uninteressant zu machen.



    Erst werden wir 'rechtliche Überprüfungen' bekommen, und falls der Deckel hält, werden wir einen Rückgang des Anteils der Mietwohungen durch Verkauf selbiger erleben.

    Nur Investitionen in Neubau - die werden sofort spürbar nachlassen. Dann ist es an Berlin massiv neue Wohnungen bauen. Schauen wir mal.

    • @Gastnutzer 42:

      "Dann ist es an Berlin massiv neue Wohnungen bauen."

      Das ist der zweite Schritt.

      Der Deckel ist ein erstes Signal, dass in Berlin gegen Spekulanten etwas getan wird. Sie werden vorsichtiger werden, weil sie ja nicht wissen, was als Nächstes kommt.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Eben, sie vermieten dann nicht mehr. Sie verkaufen was sie haben, an Leute die dann auf Eigenbedarf klagen.

        Und sie bauen nicht mehr.

        Nichts davon hilft wirklich. Weder dem einzelnen Mieter, noch Berlin insgesamt.

        Die Lage verbessert sich nur, wenn 'irgendwer' neue Wohnungen baut. Die Investoren haben sich bisher zurückgehalten (um die Ware knapp zu halten) und werden nun nicht damit anfangen. Bleibt nur Berlin selbst. Und die Stadt hätte auch ohne Mietbremse oder -deckel bauen können. Aber reden ist viel billiger. Und Schuld sind eh immer die anderen.

        • @Gastnutzer 42:

          Genau so ist es. Gebaut wird von privaten Baugesellschaften nur, wenn es einen Gewinn gibt. Und wenn der am Ende den von der Politik vorgegebenen Wert hat, und man sozusagen rückwärts rechnen muß, was das ganze kosten darf und -nicht zuletzt durch ständige steigende Anforderungen - dann das Ergebnis aufzeigt, ob man für den Preis bauen kann, dann ist das einfach ein rein mathematisches Ergebnis. Und da kann die Politik noch so rumjammern. Oder arbeiten Sie etwa for nothing?

        • @Gastnutzer 42:

          Eben der 2. Schritt:

          "Dann ist es an Berlin massiv neue Wohnungen bauen."

          "Und die Stadt hätte auch ohne Mietbremse oder -deckel bauen können."

          Ja. Aber sie hätte schon vor ein paar Jahren damit anfangen müssen. Jetzt war eine Notbremse nötig.

  • Ganz so experimentell ist die Mietpreisgrenze ja nicht. Es gab sie in Berlin seit den dreißiger Jahren bis 1988 für Altbauten, die vor 1850 errichtet wurden. Oft hatten diese noch die Toilette auf dem Treppenabsatz und antike Bäder, Renovierungen lohnten sich für die Eigentümer nicht. Aber diese Wohnungen im so genannten "schwarzen Kreis", also in der Regulierung, waren bei Berlinern mit Hang zum Improvisieren sehr beliebt. Erst durch die Föderalismusreform 2006, welche die Kompetenz für Mietrecht beim Bund belassen, aber die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG a.F. für das öffentlich-rechtliche "Wohnungswesen", also zum Beispiel die Fehlbelegungsabgabe für Sozialwohnungen, an die Länder zurückgegeben hat, ist der jetzige Mietdeckel überhaupt wieder möglich geworden. Entdeckt hat dies der Fachanwalt für Mietrecht Peter Weber in seinem Artikel in der JZ vom November 2018, sofern man ihm glauben mag. Denn ob auch die privatautonom vereinbarte Miethöhe selbst unter "Wohnungswesen" fällt und damit gedeckelt werden kann, bleibt heiß umkämpft. Das erklärt die langen Fristen und vielen Ausnahmeregelungen im Gesetz: Man will vor Gericht immer sagen können, dass man dezidierte Einzelfallabwägungen zugelassen hat und die Angemessenheit immer am Spezialfall geprüft werden könne. Umgekehrt will man der Justiz Zeit geben und die Mieter nicht ins Chaos stürzen, wenn die Regelung denn doch gekippt wird. Ich finde das Gesetz deshalb sehr fair und gelungen, auch wenn die mehrfache Rückwirkung (Preise von 2013, Inkrafttreten 1/2 Jahr vor Gesetzesverkpndung) dem Senat noch arge Probleme bereiten könnte.

  • Oh, oh, oh, da werden jetzt eine Menge kleiner Privatkatastrophen passieren. Kleine Angestellte oder Mini-Selbständige, die auf die Regierung gehört haben und sich für die Altersvorsorge eine Eigentumswohnung zugelegt haben, geraten in folgende Gefahr: Die vermietete ETW muß ja noch abbezahlt werden. Dazu nimmt man die Miete. In "guten" Gebieten reicht die für den Kredit oder es bleibt sogar noch was übrig, aber in schwachen Gebieten oder wenn man noch alte, teure Kredite hat, muß man noch zubuttern, bis die Bude endlich abbezahlt ist. Wenn da jetzt durch den Mietendeckel weniger Kohle reinkommt, platzt das alles. Wenn man nicht Kohle genug hat für die Differenz, ist Schicht im Schacht. Die meisten Vermieter in Deutschland sind nicht irgendwelche großen, anonymen Miethai-Konzerne, sondern Normalos, die sich eine Rente zulegen wollten. Ich weiß nicht, wieviele das werden, aber diese abertausende von Vermietern, die jetzt kaputtgehen, werden wir alle mittragen müssen. Und wer wird diese Wohnungen, mit denen man nichts verdienen kann, kaufen? Na toll. Dann werden die Straßen bald wieder aussehen wie in der DDR.

    • @Thomas Schöffel:

      "Oh, oh, oh, da werden jetzt eine Menge kleiner Privatkatastrophen passieren."

      Die passieren jetzt schon täglich. Bei Menschen, die eine Wohnung suchen oder Briefe mit Erhöhungen bekommen.

      " Na toll. Dann werden die Straßen bald wieder aussehen wie in der DDR."

      Die Straßen sehen jetzt schon häufig so aus. Die Ursache liegt bei den schwarzen Nullen an der Regierung.

      Und natürlich brechen Häuser nicht zusammen, nur weil jemand nicht noch mehr Geld aus den Mietern pressen darf.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sie propagieren doch das Nachdenken, oder ? Natürlich ist eine zu hohe Miete für den Mieter großer Mist. Und daß er sich freut, wenn die Miete sinkt, ist auch prima. Aber den Focus nur auf einen einzigen Teilnehmer zu werfen, ist eben doch nur ein Teilaspekt. Wenn das Brot im Supermarkt per orde de mufti billiger gemacht wird und deshalb die Brotfabrik pleitegeht und überhaupt kein Brot mehr produziert wird, dann ist abzusehen, daß man mit punktuellen Maßnahmen eben -abgesehen vom gewünschten Momentaneffekt - mehr ingangsetzt, als man auf den ersten Blick wahrnehmen kann. Wer baut denn Wohnungen und warum ? Hierzulande sind es private Baugesellschaften, die das tun, weil sie damit Gewinne erzielen konnten. Logische Folge durch Nachdenken: Wenn keine Gewinne duch Bauen, dann wird auch nicht mehr gebaut. Alteram audiat, capito ?

  • „Die Berliner Landesregierung kehrt zurück zur sozialistischen Wohnungspolitik“

    Lügen scheint Spaß zu machen. Wenn dem so wäre, würden die Mieten auf 10% der jetzigen Mieten sinken.

    Natürlich löst der Mietendeckel nicht alle Probleme. Aber er hilft, die Stadt für Spekulanten uninteressant zu machen. Das ist ein erster Schritt.

  • komische Politik.. OK man müsste wohl auf Bundesebene ran, aber das Problem sind doch neue Gesetze der letzen 15-20 Jahre, die den Anstieg!!! der Mieten exponentiell haben steigen lassen. Ein Mietendeckel verdeckt maximal n paar wenige Jahre das Symptom. Aber das wird irgendwann wieder durchschlagen: härter als je zuvor.

  • Eine Miete über 10,34 Euro in guter Lage in der Hauptstadt wäre also Wucher. Selten so gelacht.