Bericht zur Lage von Familien: Armutsrisiko von Kindern steigt
Familienministerin Barley zeigt sich besorgt über anhaltende Chancenungleichheit. Sie fordert mehr kostenfreie Angebote für Kinder.
Berlin AFP | Das Armutsrisiko für Kinder in Deutschland ist einem Bericht zufolge gestiegen. Im Jahr 2015 galten rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche als armutsgefährdet, wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf den „Familienreport 2017“ berichtet, der heute in Berlin vorgestellt wird. Die sogenannte Armutsrisikoquote von unter 18-Jährigen lag demnach 2015 bei 19,7 Prozent – damit lag sie 1,5 Prozentpunkte höher als im Jahr 2010.
Als Grund für den Anstieg nennt der „Familienreport 2017“ zum einen den Zuzug von Kindern aus Migrantenfamilien nach Deutschland. Aber auch Familien, in denen nur der Vater einer Erwerbsarbeit in Vollzeit nachgehe, hätten deutlich weniger Einkommen als solche, in denen auch die Mutter arbeiten gehe.
„Die Chancen von Kindern sind in unserem Land immer noch zu ungleich verteilt“, sagte Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) der Süddeutschen Zeitung. Die Familienpolitik habe in dieser Legislatur zwar viel vorangebracht. Dennoch würden zu viele Kinder von staatlichen Angeboten nicht erreicht. Das beste Mittel, um bestehende Ungerechtigkeiten zu beseitigen, sei „eine gute, verlässliche und kostenfreie Kinderbetreuung“, sagte Barley. Jeder Euro, der in gute Kitas, Ganztagsschulen und Horte investiert werde, zahle sich mehrfach aus.
Dem „Familienreport 2017“ zufolge verdoppelte sich die Zahl nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften in den vergangenen 20 Jahren fast auf 843.000, wie die Zeitung weiter berichtet. In den neuen Bundesländern sei nur noch gut jedes zweite Elternpaar verheiratet, in den alten Bundesländern seien es drei von vier.
Mehr frühkindliche Betreuung nötig
Die Zahl der Kinder, die nur bei einem Elternteil aufwachsen, ist demnach deutlich gestiegen: von rund 1,9 Millionen im Jahr 1996 auf 2,3 Millionen im Jahr 2016. Neun von zehn Alleinerziehenden sind weiblich, 44 Prozent gelten als armutsgefährdet.
Paarfamilien dagegen tragen nur zu zehn Prozent ein Armutsrisiko. In Paarfamilien mit drei oder mehr Kindern allerdings steigt das Armutsrisiko auf 25 Prozent.
Um die Teilhabechancen für Kinder aus Geringverdienerfamilien zu verbessern, seien gute Ganztagsangebote notwendig, aber auch mehr frühkindliche Betreuung, zitierte die Zeitung aus dem Report. Auch in Migrantenfamilien würden solche Angebote inzwischen besser angenommen. Bei Kindern bis zu drei Jahren stieg die Betreuungsquote hier um sieben Prozentpunkte auf 21 Prozent.
Leser*innenkommentare
Hanne
"Zehn Jahre später, 1965, weist die Statistik bereits 37.900 Wochenheimplätze für Kinder unter drei Jahren aus. Begleitet wird der Ausbau von einer massiven Werbekampagne. Bis Mitte der 60iger Jahre werden Wochenkrippen als gleichwertige, wenn nicht bessere Alternative zur familiären Betreuung gepriesen.
Mitte der 50er-Jahre beginnt die Ostberliner Humboldt-Universität mit den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Entwicklung von Krippenkindern in der DDR. Leitende Ärztin ist die spätere Direktorin des Instituts für Hygiene des Kindes- und Jugendalters in Berlin, Eva Schmidt-Kolmer. Sie lässt die Entwicklung von mehr als 1.700 Kindern zwischen null und drei Jahren dokumentieren, zur Stichprobe gehören auch 440 Wochenkrippen-Kinder. Untersucht wird, wie gut sich die Kinder im Raum orientieren und bewegen können und wie weit ihr Sprachvermögen und Sozialverhalten entwickelt ist. Die Ergebnisse dieser Untersuchung offenbaren gravierende Defizite bei den Wochenkrippenkindern - in allen getesteten Bereichen."
http://www.deutschlandfunkkultur.de/alltag-in-der-ddr-die-wochenkrippen-kinder.976.de.html?dram:article_id=379620
Hanne
"Bis in die 80er-Jahre hinein wird die Bindungstheorie in der DDR unterdrückt, eine Theorie die davon ausgeht, dass jedes Kind ein angeborenes Bedürfnis nach intensiver, emotionaler Nähe hat. Und sich ohne eine solche Nähe, nicht optimal entwickeln kann. Immerhin wird die direkte Werbung für die Wochenkrippe in der DDR ab Mitte der 60iger Jahre deutlich zurückgefahren. Was bleibt ist das Idealbild der Vollberufstätigkeit beider Eltern und die Doppelbelastungen für Frauen."
"Die Ergebnisse ihrer Untersuchung hat Ute Stary in einem Fachbuch publiziert. Weitere Forschungsarbeiten zum Thema Wochenkrippe gibt es in Deutschland bislang nicht. Schade, sagt Ute Stary, wäre doch hilfreich, jetzt, wo das Bundesfamilienministerium kräftig in 24-Stunden-Kitas investiert und in die sogenannte Randzeitenbetreuung, abends und nachts."
wxyz
Kindern aus armen Familien könnte man auf sehr einfache Weise helfen: Einfach den arbeitenden Eltern einen fairen und an die jetztigen Verhältnisse angepaßten Lohn zahlen!
Es gibt keine "armen Kinder", ohne daß die Eltern zumeist noch ärmer sind.
Hartz
Hartz IV wirkt!
...
Hanne
... und bald gibt es dann wieder "Wochenkrippen" für die "armen" Kinder der Geringverdiener, damit Mutti und Vati die Woche über auch ordentlich (für weiterhin wenig Geld) der Wirtschaft zur Verfügung stehen können/müssen/sollen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wochenkrippe
https://de-de.facebook.com/DDR-Wochenkrippe-269772136489075/
http://www.lr-online.de/regionen/spreewald/luebbenau-calau/laquo-Wenn-Mutti-frueh-zur-Arbeit-geht-raquo;art13825,1970088
83379 (Profil gelöscht)
Gast
Steigt das Armutsrisiko von Kindern oder haben arme Menschen mehr Kinder?
Horst Horstmann
Weder noch. Das größte Armutsrisiko ist alleinerziehend zu sein. Und da es immer mehr Alleinerziehende gibt steigt natürlich auch das Armutsrisiko.
Leider habe ich noch nie davon gehört, dass sich jemand Gedanken macht, wie die Zahl der Alleinerziehenden gesenkt werden könnte.
Hanne
"Um die Teilhabechancen für Kinder aus Geringverdienerfamilien zu verbessern, seien gute Ganztagsangebote notwendig, aber auch mehr frühkindliche Betreuung..."
Diese Einbahnstraßenlogik wird sich mir wohl nie erschließen, erinnert mich doch eher an DDR 2.0.
http://www.lieder-aus-der-ddr.de/mutter-weckt-mich-in-der-fruh/
Gute außerhäusliche Kinderbetreuung und -bildung ist sehr wichtig und da gibt es in D auch noch sehr viel zu tun, aber zu denken, dass Armut und auch Bildungsarmut nur durch Einrichtungen und Vollzeit arbeitende Eltern zu bekommen ist, ist meiner Ansicht nach sehr kurzsichtig, wenn nicht sogar dumm.