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Bericht zum WelthungerindexVerborgener Hunger

Zwei Milliarden Menschen ernähren sich so einseitig, dass es ihrer Gesundheit schadet. Als ein Gegenmittel nennt der Bericht auch Gentechnik.

Rund 200 Millionen Landarbeiter sollen von Hunger betroffen sein. Bild: dpa

BERLIN taz | Satt werden allein reicht nicht: Mehr als zwei Milliarden Menschen leiden an „verborgenem Hunger“, das heißt, sie bekommen zu wenig Vitamine und Mineralstoffe wie Zink, Jod und Eisen. „Er kann verheerende Folgen haben und zu geistigen Beeinträchtigungen, schlechter Gesundheit, geringer Produktivität und schließlich dem Tod führen“, heißt es im diesjährigen Welthungerindex-Bericht, der am Montag in Berlin präsentiert wurde. So könne diese Art von Mangelernährung auch die Entwicklung eines Landes behindern. „Verborgen“ ist Mikronährstoffmangel, weil die Symptome meist nicht sichtbar sind.

Besonders viele Menschen sind in großen Teilen Afrikas südlich der Sahara und des südasiatischen Subkontinents betroffen. Außerhalb von Katastrophengebieten ist Armut der wichtigste Grund, weshalb Menschen nur einseitige und nährstoffarme Nahrung erhalten.

Als Lösung empfiehlt der Bericht der Organisationen Welthungerhilfe und Concern Worldwide sowie des Forschungsinstituts Ifpri vor allem, die Ernährungsvielfalt zu steigern. Das könne zum Beispiel dadurch geschehen, dass die Menschen in Hausgärten selbst Nahrungsmittel anbauen und dass sie besser informiert werden.

Die Experten plädieren aber auch dafür, etwa Weizenmehl industriell mit Eisen und Zink anzureichern. Zudem könnten Nahrungspflanzen mit einem höheren Mikronährstoffgehalt gezüchtet werden. Diese könnten Menschen auf dem Land erreichen, die keinen Zugang zu kommerziell angereicherten Lebensmitteln haben. Zu diesem Zweck kommt für die Fachleute sogar eine sehr umstrittene Methode infrage: per Gentechnik beispielsweise Reis so zu verändern, dass er Vitamin A in relevanten Mengen liefert. Um Nährstoffdefizite kurzfristig zu beheben, könnten die Betroffenen Nahrungsergänzungsmittel erhalten.

Weniger Hungernde

Trotz des Problems Mikronährstoffmangel gibt es auch positive Nachrichten in dem Bericht: Die Zahl der Hungernden ist auf etwa 805 Millionen zurückgegangen. Der Welthungerindex-Wert der Entwicklungsländer ist seit 1990 um 39 Prozent gesunken. Der Indikator fasst den Prozentsatz der Unterernährten an der Bevölkerung sowie Sterblichkeitsrate und Anteil der Untergewichtigen bei unter Fünfjährigen zusammen.

26 Länder – vor allem in Südasien – reduzierten ihren Indexwert um die Hälfte oder mehr. Darin spiegelt sich zum Beispiel wider, dass Angola und Kambodscha sich nach verheerenden Konflikten wieder erholen. In Bangladesch haben Nichtregierungsorganisationen und öffentliche Umverteilungsprogramme dem Bericht zufolge den Hunger unter armen Kindern verringert. In 16 Ländern – die meisten in Afrika – dagegen ist die Lage immer noch „sehr ernst“ oder „gravierend“. Zweitgrößter Verlierer ist der Irak: Der Anteil unterernährter Menschen in der Bevölkerung hat sich dort unter anderem infolge der andauernden Gewalt seit 1990 mehr als verdoppelt.

Die Hilfsorganisation Misereor wies darauf hin, dass unter den Hungernden weltweit schätzungsweise 200 Millionen Landarbeiter seien. Ihre Arbeitsbedingungen hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verschlechtert, da die Marktkonzentration und der Preisdruck in der Lebensmittelbranche zugenommen haben.

Auch der Ausblick ist für viele Staaten laut Welthungerhilfe wegen Konflikten wie in Syrien schlecht. Hinzu komme die Ebola-Epidemie in Westafrika. Viele Menschen gingen aus Angst vor Ansteckung nicht mehr auf den Markt, der Lebensmittelanbau sei gefährdet.

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5 Kommentare

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  • Lesenswert für die Freunde der Tea-Party.

     

    "Mit gemeinschaftlichen Eigentumsformen die Ernährung bei dem Menschenzuwachs zu sichern, ist und war immer ein Plan von Verwirrten mit dem Effekt der Menschenreduzierung wo er umgesetzt wurde oder beibehalten wird. Auch das UN-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe geht an dem Kernproblem in vielen Regionen vorbei, den mangelnden Eigentumsformen und Agrarstrukturen. Wenn man Australien in ein Stammeseigentumsland für einzelne Nomaden mit Viehherden oder ackerbaulichen Dorfgemeinschaftsflächen verwandeln würde, wäre das Land als Nahrungsmittelproduzent weg."

     

    Aha. Im Klartext wohl eher: "Wenn man Australien in ein Stammeseigentumsland für einzelne Nomaden mit Viehherden oder ackerbaulichen Dorfgemeinschaftsflächen verwandeln würde, wäre das Land als Nahrungsmittelproduzent FÜR DIE WEISSEN EROBERER weg."

     

    Übrigens: Die Aborigines waren keine "Nomaden mit Viehherden oder ackerbaulichen Dorfgemeinschaftsflächen" sondern Jäger und Sammler, die Wildtiere und Pflanzen auf eigene Art und Weise hegten und recht gut ohne die weißen Eindringlinge zurechtkamen. Die heutigen Australier haben haben dort erst Viehzucht und Ackerbau eingeführt und dazu die Urbevölkerung abgeschlachtet, wie auch in Nord- und Südamerika. Wie Afrika sich ohne Weiße entwickelt hätte, können wir kaum ermessen.

     

    Was wäre die westliche Zivilisation ohne den Genozid an fremden Völkern und die Ausplünderung anderer Kontinente?

    • @sema:

      Das war die Antwort auf Manfred Stein

  • Dass heute ungefähr 6 von 7 Milliarden Menschen gut satt werden, ist ein großer Erfolg der Menschheit gegenüber 1960, wo nur 2 von 3 Milliarden Menschen satt wurden.

     

    Hier ein lesenswerter Beitrag eines Agraringenieurs und Agrarstatistikers:

    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/kaum_jemand_weiss_vom_groessten_fortschritt_der_menschheit

  • D
    D.J.

    Ich erwarte schon freudig die Kommenare derer, die noch nie einen Fuß in ein Entwicklungsland gesetzt haben, aber genau wissen, das alles könne doch gar nicht sein, da erwiesenermaßen doch alles schlechter werden müsse.

    • @D.J.:

      Was ist das jetzt schon wieder? Finden Sie diesen Bericht etwa irgendwie positiv? "Die Hilfsorganisation Misereor wies darauf hin, dass unter den Hungernden weltweit schätzungsweise 200 Millionen Landarbeiter seien. Ihre Arbeitsbedingungen hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verschlechtert, da die Marktkonzentration und der Preisdruck in der Lebensmittelbranche zugenommen haben.

       

      Auch der Ausblick ist für viele Staaten laut Welthungerhilfe wegen Konflikten wie in Syrien schlecht. Hinzu komme die Ebola-Epidemie in Westafrika. Viele Menschen gingen aus Angst vor Ansteckung nicht mehr auf den Markt, der Lebensmittelanbau sei gefährdet."

       

      Wo ist hier jetzt der positive Ausblick?

       

      Und ganz nebenbei; http://www.gmx.net/magazine/wirtschaft/vorstellung-welthungerindex-2014-welt-gerecht-30138194