Bericht zu Frankreichs Sicherheitslage: Groteske Abstimmungsmängel
Eine Kommission hat die Sicherheitskoordination nach den Pariser Anschlägen analysiert. Der Ergebnisbericht offenbart geradezu absurde Fehler.
Ihr Urteil ist von drastischer Deutlichkeit: Der Mangel an Koordination zwischen den diversen Dienststellen, die mit der Überwachung im In- und Ausland, mit der Prävention und Bekämpfung des Terrorismus beauftragt waren, ist geradezu grotesk, und die seit Langem bekannten Rivalitäten, namentlich zwischen der Polizei und der Gendarmerie, wurden noch verschlimmert durch unklare Zuständigkeiten oder Führungsstrukturen ohne eigentliche Befehlsgewalt.
Wie absurd das sein konnte, hat der Abgeordnete Georges Fenech, der der Kommission vorsteht, am Beispiel des Massakers vom 13. November beschrieben: „Die Beamten der Kriminalpolizei, die als Erste beim Bataclan eintrafen, wollten, dass ihnen die (im Quartier patrouillierenden) Soldaten der Operation ,Sentinelle' ihre Famas-Gewehre ausleihen, denn die Militärs waren nicht befugt, selber zu schießen. Gestützt auf ihre eigenen Befehle jedoch lehnten es die Soldaten ab, den Polizisten ihre Waffen zu geben.“ So griff zu lange gar niemand ein.
Eine andere Dienstordnung hatte zur Folge, dass die vor Ort eintreffenden Ärzte sich nicht um die Verletzten kümmern durften, solange die Polizeiaktion nicht abgeschlossen war.
Antiterroragentur nach US-Vorbild
Im Übrigen wurde der Einsatz im Bataclan, wo 90 Menschen von drei Attentätern getötet und Dutzende verletzt wurden, nicht etwa von der existierenden nationalen Sondereinheit geleitet, sondern von der Pariser Kriminalpolizei. Auch das war ein Folge der eifersüchtig verteidigten territorialen Zuständigkeiten.
Die Kommission schlägt nun eine Vereinheitlichung der diversen Nachrichtendienste unter der Leitung einer nationalen Antiterroragentur nach US-Vorbild vor. Um die bisherige Konkurrenz zwischen entweder dem Innen- oder dem Verteidigungsministerium untergeordneten Stellen zu vermeiden, soll sie direkt dem Regierungschef unterstellt werden.
Auch die Datenbanken der wegen Radikalisierung oder terroristischen Sympathien registrierten Personen sollen zusammengelegt werden. Eine Datenbank existiert zwar mit angeblich 13.000 Namen, doch sie war nur intern für das Innenministerium verfügbar. Schließlich müsse auch die Aufgabe der zur Sicherheit der Bevölkerung in den Straßen patrouillierenden Militärs neu definiert werden.
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