Bericht von Interpol zu Plastikabfällen: Die Müllmafia boomt
Seit China seine Grenzen für Plastikmüll dicht gemacht hat, wird er auf illegalen Kanälen entsorgt. Der meiste Abfall kommt aus Europa.
Dabei gibt es einen „Zusammenhang zwischen kriminellen Netzwerken und der legalen Abfallwirtschaft“, schreiben die Ermittler in ihrem Bericht. Die Müllmafia nutzt demnach legale Unternehmen, um Dokumente zu fälschen oder bei der Registrierung von Abfallmengen zu betrügen.
Für die Länder, in die illegal Plastikmüll importiert wird, sind die Folgen dramatisch. In Vietnam werden demnach 88 Prozent des Mülls nicht fachgerecht entsorgt. In Indien und Indonesien liegt der Anteil ähnlich hoch. Der Import-Müll verschmutzt dort die Umwelt.
Interpol hat öffentlich zugängliche Quellen und kriminalpolizeiliche Ermittlungen in 40 Ländern ausgewertet, unter anderem auch in Deutschland. Explizit erwähnt wird die Bundesrepublik nicht; allerdings sei sie „weltweit der drittgrößte Exporteur von Plastikmüll“, sagt Bernhard Bauske, Projektkoordinator Plastikmüll beim WWF Deutschland, „das macht auch uns zu einem Treiber der kriminellen Machenschaften in Südostasien“. Europa scheint „der wichtigste regionale Exporteur auf dem globalen Kunststoffabfallmarkt zu sein“, heißt es in dem Interpol-Bericht, „die Mehrheit von 65 Prozent aller gemeldeten Exporte stammen aus Europa und sind sowohl für seine eigenen, als auch für die Märkte insbesondere in Asien bestimmt.“
Für Recycling-Rohstoffe gibt es keinen Markt
Peter Kurth, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft, vertritt die Interessen der Branche, die nun im Verdacht steht, zumindest in Teilen mit der Müllmafia zusammen zu arbeiten. Über den Bericht wundert sich der Lobbyist indes nicht, sondern weist die Verantwortung für die Verhältnisse der schwarz-roten Bundesregierung zu.
Von den zwei Millionen Tonnen Kunststoffmüll, die als Verpackungen in der gelben Tonne oder im gelben Sack landeten, würden derzeit weniger als 20 Prozent recycelt, sagt Kurth. Für Recycling-Rohstoffe gebe es keinen Markt. Die Entsorgung, etwa durch legale Exporte oder die Mitverbrennung in Zement-Fabriken, sei teuer und mengenmäßig begrenzt. Das mache es kriminellen Machenschaften leicht.
Die Lösung des Problems sieht er nicht nur in der besseren Ausstattung von Zoll und Polizei, um die bestehende Gesetze durchzusetzen, sondern auch in einer größeren Unterstützung für die Recycling-Wirtschaft. „Recycling-Rohstoffe aus Kunststoff stehen in direktem Wettbewerb zu Kunststoffen aus Rohöl“, sagt Kurth. Derzeit könnten sie mit dem Öl nicht mithalten, das sei billiger, unbegrenzt verfügbar und leichter zu verarbeiten.
Ohne politische Hilfestellung werde also nicht mehr Kunststoffmüll im Recycling landen. „Die EU hat die Tür für eine bessere Gesetzgebung mit ihrem Kreislauf-Paket weit aufgestoßen“, sagt Kurth, „nur geht die Bundesregierung leider nicht hindurch“. Weder habe sie Einsatzquoten für Recycling-Kunststoff beschlossen, noch das Thema Öko-Design vorangetrieben oder das Recycling in ihr Klimapaket aufgenommen.
Neuer Müll durch Elektroautos
Während Europa versucht, seines Plastikmülls Herr zu werden, sieht Interpol schon neue illegale und gefährliche Abfallströme auf die Importländer zukommen: „Ab 2020 wird die erste Generation von Solar-Panelen entsorgt werden“, schreibt die Organisation. Weil das Recycling der Panele absehbar teuer werde, zeichne sich ihre illegale Entsorgung ab.
Eine ähnliche Problemlage gibt es demnach auch für Blei- und Lithium-Ionen-Batterien aus Autos. Hier sieht Interpol erhebliche Mengen an Batteriematerialien sowie Kunststoffen, die durch den Wandel der Antriebstechnik von Verbrennungs-zu Elektrofahrzeugen in Europa im Müll landen werden.
Das Bundesumweltministerium sei „daran interessiert, dass möglichst viele Batterien sowie die Geräte und Fahrzeuge, in denen diese verbaut sind, in Deutschland entsprechend den rechtlichen Vorgaben gesammelt und einem hochwertigen Recycling insbesondere in Deutschland oder der EU zugeführt werden“, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Abgesehen davon seien für den Vollzug zur Bekämpfung illegaler Verbringungen von Abfällen und damit auch von Solarpaneelen, Bleibatterien und Lithiumbatterien die Länder zuständig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland