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Bericht der „Süddeutschen Zeitung“Deutsche Soldaten in die Türkei?

Bis zu 170 deutsche Soldaten könnten an die türkisch-syrische Grenze verlegt werden, zur Bedienung von Flugabwehrraketen. Die Nato dementiert eine türkische Anfrage.

Mächtiges Gerät: Das Patriot-Raketenabwehrsystem. Bild: dpa

BERLIN dpa | Die Bundeswehr steht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung kurz vor einem Nato-Einsatz mit bis zu 170 Soldaten an der türkisch-syrischen Grenze. Deutschland werde in Kürze Flugabwehrraketen vom Typ „Patriot“ mit Bedienungsmannschaft in die Türkei verlegen, berichtet die Zeitung in ihrer Samstag-Ausgabe. An diesem Montag wolle die Türkei eine offizielle Bitte an die Nato richten und zum Schutz ihres Territoriums „Patriot“-Raketensysteme anfordern. Die Nato werde der Bitte umgehend entsprechen.

Das Bundesverteidigungsministerium in Berlin erklärte, sollte eine entsprechendes Unterstützungsgesuch an die Nato herangetragen werden, werde das Militärbündnis dies prüfen. „Wenn dann Deutschland gefragt würde, würde Deutschland dies vor dem Hintergrund der Bündnisverpflichtung ebenfalls prüfen“, sagte ein Sprecher. Er bestätigte, dass in der Nato nur die USA, die Niederlande und Deutschland über Patriot-Raketen des modernsten Typs PAC-3 verfügen, wie er dem Bericht zufolge an der türkisch-syrischen Grenze eingesetzt werden soll.

Nato-Sprecherin Carmen Romero sagte der dpa auf die Frage, ob die Türkei um Unterstützung bei der Raketenabwehr gebeten habe: „Es hat keine Anfrage der Türkei gegeben. Wenn es eine Anfrage gibt, werden die Verbündeten sie prüfen.“ Auch das türkische Außenministerium wollte den Bericht am Samstag zunächst nicht bestätigen.

Wegen der angespannten Sicherheitslage an der türkischen Grenze gebe es laufend Beratungen mit den Nato-Verbündeten, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa in Istanbul. Ankara erwarte grundsätzlich Unterstützung der Verbündeten, ohne dass es bereits eine konkrete Entscheidung gebe.

Mandatspflicht des Bundestages unklar

Mit der PAC-3-Version können sowohl Flugzeuge als auch anfliegende Raketen bekämpft werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll sich die Bundeswehr an der geplanten Nato-Operation mit einer oder zwei Patriot-Staffeln und bis zu 170 Soldaten beteiligen. Ob dazu ein Mandat des Bundestags erforderlich ist, prüfe die Regierung derzeit noch. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, auch die Mandatspflicht müsse im Fall einer Anfrage in Ruhe geprüft werden.

Die Regierung des Nato-Landes Türkei hatte schon vor zehn Tagen angekündigt, dass sie sich die Unterstützung des Bündnisses mit Luftabwehrraketen wünscht. Die Stationierung der Flugkörper wäre nach Lesart der Nato eine Operation zum Schutz des Bündnispartners vor einer Bedrohung durch syrische Kampfflugzeuge oder Raketen, schreibt die Zeitung. Es ginge nicht um den sogenannten Bündnis- oder Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrags, sondern um Hilfe bei der Landesverteidigung. Diese kann der Nato-Oberkommandierende von sich aus anordnen.

Die Bundesregierung ist sich dem Bericht zufolge einig, dass sich Deutschland an einer solchen Nato-Operation beteiligen müsse. Das gebiete die Bündnissolidarität, hieß es. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Donnerstag nach einem Treffen der Außen- und Verteidigungsminister von Deutschland, Frankreich, Polen, Italien und Spanien in Paris erklärt, ein solcher Einsatz – „wenn man es machte“ – diene nur dem Schutz der Türkei und wäre „keinerlei Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg“.

„Nicht nur psychologisch“

In Berliner Regierungskreisen hieß es, damit werde auch die bisher besonnene Haltung der Türkei gegenüber dem Bürgerkrieg in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft anerkannt. Es sei klar, dass die Raketen im Fall eines Angriffs auch eingesetzt würden – die Stationierung sei dann „nicht nur psychologisch gemeint“.

Eine Zustimmung des Bundestages wäre nach Angaben der Zeitung erforderlich, wenn die deutschen Soldaten in Kampfhandlungen verwickelt werden könnten. Die Luftwaffe verfügt über 24 einsetzbare Patriot-Feuereinheiten. Pro Staffel werden bis zu 85 Soldaten zur Bedienung benötigt.

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16 Kommentare

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  • E
    Eurofighter

    Auch andere Länder ( Griechenland, Spanien und eben die Türkei!) verfügen über das Patriot-System!! Nur nicht über das modernere System (PAC3). Lassen wir mal außer Acht, wozu die Niederlande oder Deutschland so ein System überhaupt benötigen: die Türkei verfügt über eigene ausreichende Kapazitäten, um ihren Luftraum zu schützen. Ich persönlich sehe NICHT ein, warum die NATO die Haltung der Türkei ( aktiv und parteiisch im Syrienkoflikt, aggressiv gegen ALLE Nachbarstaaten!) auch noch belohnen sollte!

  • W
    Weltbürger

    Katharina:es kommt nur mist raus, wenn die nicht gebildete Leute Kommentar schreiben. Es gibt soviele Gründe warum die Türkei mit den kurdischen Terroristen anderes umgehet als mit den Freiheitskämpfer aus Syrien. Nur zwei zu nennen.

    1. Türkische Regierung ist demokratisch gewählt.

    2. Kurdische Terroristen versuchen eine demokratisch gewälte Regierung um zu stürtzen. Wenn die Leute eine gewälte Regierung umzustürzen versuchen, nennt man den Menschen Terroristen. In syrien ist die situation genau anderes rum. Assad ist ein Diktator und die Menschen kämpfen gegen ein Diktator sich zu befreien. Deshalb nennt man diese Leute Freiheitskämfer. Türkei unterstützt den Freiheitskämfer, weil sie für ihre Freiheitkämfen. So sind die Definition der Begriffe eben, ob es Ihnen passt oder nicht. Abgesehen davon, dass keiner nach ihrer Meinung fragen wird.

  • A
    Artobanes

    Die Türkei hat anscheinend Angst vor einem Angriff von der Seite Syriens durch Chemie-Waffen, wie kürzlich Staatspräsident Gül andeutete. Nun wissen wir, dass diese Waffen von Germanien an Assad in 80er und 90er Jahren geliefert worden sind. Das ist gerade angebracht, die Verteidigung der Türkei als Aufgabe der "Verteidigungsminister in Berlin" sein wird. Saddam hat "erfolgreich" eingesetzt, Gaddafi hatte keine Zeit und Möglichkeit. Hauptsache profitirt jemand davon. Das Gericht in Den-Haag ist sowieso zuständig für die afrikanischen und slawischen Täter, die zufällig ihre Waffen woanders besorgt hatten. Es bleibt der künftige Aufgabe des Westerwelle, nachdem er die Chemie-Waffen aus Libyen mit "Made in Germany" klamheimlich abgeholt und gebunkert (?) hat, das abermals zu tun, falls Bashar Assad zulässt.

  • MA
    Monsieur Achie

    Tim Leuther:Es mag sein, dass Sie gegen der Türkei sid. Aber das macht nicht. Es hat niemanden geschadet sich zu bilden. Vor halbem Jahr ein türkischer Hubschrauber mit 12 türkische soldaten abgestürzt und alle 12 Soldaten waren Tod. Wie Sie sehen Türkei war in Afganistan und is noch in Afganistan. In Kosovo waren sie nicht da, weil sie auf Serben wegen der Geschichte rücksicht genomen haben. Die Türken waren nicht so rücksichtlos wie die Deutschen. So lange die Soviet Union existiert hat, war die Türkei für die ganze Europa sicherheitventil gegen Russen. Aber glauben Sie mir Sie sind unter den deutschen nicht alleine, die Türkenhasser sind. Glauben Sie auch ja nicht, dass Deutschland Nabel der Erde wäre. Gott sei Dank es gibt unter den Deutschen auch intelligentere Leute gibt.

  • R
    Remsch

    @Akrat: Zu Deutschlands Verteidigung gehört auch das integrative Bündnis der Nato. Die Türkei ist unser Verbündeter und wenn wir Abwehreinrichtungen schicken, damit türkische Mitbürger vor Fremdbeschuß gerettet werden können, ist das alles andere als verwerflich. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der türkische Staat seine Bürger schützt und daß ihm seine Partner zur Seite stehen, wie es die Türkei auch für andere täte und tat. Die Patriot-Raketen werden ja nur von drei, vier Ländern geführt -- die Türkei gehört nicht dazu, Deutschland schon. Kaum ein Land profitierte durch die Nato jemals so wie Deutschland, das heute nie dort wäre, wo es ist -- und das alles vergessen, weil man keine Leben retten will? Da wird einem ja übel.

  • J
    jojo

    Ist das hier die Zeitung der Bundeswehr?

     

    Ich will auch mit in die Türkei - wird ja nich so schlimm werden!

  • A
    Ant-iPod

    Wir Deutschen haben 45 Jahre lang davon profitiert, dass andere Länder und deren Steuerzahler tausende von Soldaten bei uns stationiert haben.

    Wir haben dies zumindest im Westen als Bündnissolidarität verstanden. Gegen den erklärten Willen unserer Bündnispartner, haben wir das Prinzip der Vorneverteidigung in der NATO durchgesetzt und unsere Verbündeten haben uns unterstützt.

     

    Wenn nun ein anderer Bündnispartner Solidarität einfordert, so darf es nicht den geringsten Zweifel daran geben, dass Deutschland ein verlässlicher Bündnispartner ist.

    Wir haben, wie kein anderes Land, von der Bündnistreue anderer profitiert.

     

    Dabei ist es zunächst einmal unerheblich, ob der Einsatz eine Einmischung darstellt, er Geld kostet oder auch nur wünschenswert ist.

    Für die Verlässlichkeit der deutschen Politik dürfen hier keinerlei Zweifel aufkommen.

     

    Man kann sich gerne an anderer Stelle darüber unterhalten, wie die Haltung zu Syrien ist, oder was man sich von den Türken in Bezug auf Syrien wünschen würde.

    Die Bündnissolidarität zu ignorieren hätte fatale, langfristige Folgen, die wir uns nicht wünschen.

    Das ist nicht das richtige Instrument, um seine Kriegsmüdigkeit unter Beweis zu stellen, oder seinen angeblich so moralischen Pazifismus.

    Dafür gibt es andere Mittel und Wege. Wer denn unbedingt will, kann sich dies gerne auch noch im Bundestag formell bestätigen lassen - aber dagegen sein, ist gegen das langfristige, deutsche Interesse.

    Niemand ist gerne mit Leuten zusammen, die sich gerne helfen lassen, aber sobald die Reihe an Ihnen ist, kneifen.

  • K
    Katharina

    Ich habe den Eindruck, daß die Regierung der Türkei mit zweierlei Maß mißt.

    Wenn die Türkei von kurdischen Guerillas vom Irak aus angegriffen wird, sendet sie Soldaten über die Grenze und läßt die Kurden beschießen.

    Wenn sie die Gegner der syrischen Regierung militärisch unterstützt, in dem sie ihnen Unterschlupf gewährt und sie mit Waffen eindeckt, und dann mit Granaten beschossen wird, ruft sie den Bündnisfall aus.

     

    Warum sollten deutsche Soldaten da mitmachen?

     

    Die Situation in der Region ist so unübersichtlich. Es wäre der reine Wahnsinn, sich einzumischen. Ich bezweifle, daß die Bundesregierung den Durchblick hat.

  • JW
    Jonas Will
  • J
    JOE

    Die Bundeswehr hat dort nichts zu suchen. Die deutsche Regierung wird mit ihrer Einsatzwilligkeit der Bundeswehr in allen denkbaren Konflikten überall in der Welt immer mehr zu einem Sicherheitsrisiko. Überdies verbietet das Grundgesetz den Einsatz des Militärs zu anderen Zwecken als der Landesverteidigung. Ich frage mich, wo der Aufschrei der Oppositionsparteien bleibt, offensichtlich unterscheiden sich Rot-Grün und Schwar-Gelb in den Grossmachtphantasien eines IV. Reiches durch nichts mehr. Es gibt höchste Zeit, dass die Bevölkerung den unverantwortlich handelnden Politikern in die Parade fährt und die Militarisierung der Aussenpolitik beendet.

  • P
    PeterWolf

    Die Patriot ist eine Defensivwaffe zur Abwehr von Flugzeugen und Raketen.

    Funktioniert gelegentlich sogar.

    Guckst du Wikipedia.

    Für Zivilisten keine wirkliche Bedrohung.

  • U
    univisor

    Mittendrin statt nur dabei...

  • TL
    Tim Leuther

    Wo waren denn die Türkei als es darum ging der NATO im Kosovo zu helfen? Oder in Afghanistan? Oder am Horn von Afrika?

    Überall (außer im Kosovo) hätte die Anwesenheit der muslimischen Türkei geholfen den Eindruck eines Religionskrieges abzumildern. Aber nein.

  • A
    Akrat

    Ist die Bundeswehr nicht unter der Bedingung gegründet worden, dass sie eine reine Verteidigungsarmee ist?

    Sind deswegen nicht automatisch alle Auslandseinsätze rechtswidrig?

    Außer "Deutschlands Freiheit" wird jetzt nicht nur am Hindukusch verteidigt sondern auch an der türkisch-syrischen Grenze...

    Der Einsatz der Buindeswehr ist Kriegstreiberei und zudem heuchlerisch, da es mit Assad ja vor den Aufständen gute Handelsbeziehungen gab.

  • V
    vic

    Dass de Maizière scharf drauf ist, deutsches Kriegsgerät nebst human ressources einzusetzen, das glaube ich sofort.

  • N
    NurMalSo

    Mich wundert es ja fast, dass es überhaupt noch PATRIOT-Startgeräte bei der Bundeswehr gibt. Als ich vor knapp zehn Jahren meine neun Monate bei so einer Staffel abgesessen hab, wurden von heute auf morgen sämtliche Startgeräte zusammen gepackt und an Israel übergeben.

    Eine Sache, die meines Wissens nach, auch nicht sonderlich großes öffentliches Interesse weckte.