Bergfunk-Festival in Königs Wusterhausen: Wenn der Funkerberg ruft
Das Festival wird vor allem von Menschen gemacht, die mal dort gelebt haben – es bindet sie an die Stadt. Am Wochenende findet es wieder statt.
Die Spitze des Funkerbergs in Königs Wusterhausen muss man sich als geschichtsträchtigen, aber die meiste Zeit des Jahres eher verschlafenen Ort vorstellen. Geschichtsträchtig, weil von dort vor 99 Jahren die erste Radiosendung Deutschlands ausgestrahlt wurde. Verschlafen, weil das Museum, das seit 1993 über die Geschichte des Rundfunks in Königs Wusterhausen informiert, nur am Wochenende und an zwei Nachmittagen unter der Woche für wenige Stunden öffnet.
Früher stand auf der gerade mal 67 Meter hohen Erhebung der sogenannte Deutschlandsender: Bis Ende des Zweiten Weltkriegs erreichten Rundfunkprogramme und Nazipropaganda vom Funkerberg aus über modernste Sendertechnik die Radios und Volksempfänger im gesamten Reich. Diese Sender demontierte die Rote Armee nach 1945, und sie baute auch die meisten Funktürme ab. Die Senderhäuser blieben übrig und stehen heute weitgehend leer.
Doch einmal im Jahr tummeln sich 1.000 bis 1.500 Festivalbesucher*innen zwischen den Senderhäusern und dem letzten Funkmast. Beim Bergfunk Open Air haben schon Acts wie Keimzeit, Von wegen Lisbeth, Judith Holofernes und Romano gespielt, in diesem Jahr kommen unter anderen Gisbert zu Knyphausen und Sookee. Ein kleines Festival, komplett ehrenamtlich organisiert von jungen Menschen, die in und um „KW“ aufgewachsen sind.
„Ich bin 2009 in meinem letzten Abi-Jahr dazugekommen“, sagt Thea Spinola, heute Vorstandmitglied im Verein Stubenrausch, der hinter dem Festival und weiteren Kulturveranstaltungen in Königs Wusterhausen steht. „Bekannte haben mich damals angesprochen, ich habe dann spontan am Cocktailstand ausgeholfen. Und ab da bin ich dabeigeblieben.“
Am 1. September sind Landtagswahlen in Brandenburg. Mit unserer Brandenburg-Serie werfen wir bis dahin in loser Folge Schlaglichter auf das Bundesland, das Berlin umgibt, das aber manchmal von der großen Stadt weiter entfernt zu sein scheint als viele andere Bundesländer.
Alle Folgen unserer Brandenburg-Serie finden sich auf taz.de unter taz Ost. (taz)
Vor dem Festival viel zu tun
Auch Spinola ist in Königs Wusterhausen aufgewachsen. „Wir kommen alle aus dem 157er-Postleitzahlengebiet, also Königs Wusterhausen und Umgebung, zum Beispiel Wildau, Eichwalde und Zeuthen“, sagt sie. Wie die meisten anderen Vereinsmitglieder lebt sie inzwischen nicht mehr dort, arbeitet aber nebenbei mehrere Stunden pro Woche für den Verein. „Jetzt vor dem Festival ist natürlich besonders viel zu tun, ich habe zum Beispiel heute morgen noch T-Shirts bestellt“, sagt sie.
Spinola lebt inzwischen in Berlin, ist nach ihrem Lehramtsstudium gerade im Referendariat und bedauert, dass das Festival dieses Wochenende diesmal außerhalb der Schulferien liegt. „Ich habe mir schon einen Plan gemacht, wann ich abends zurückmuss, um morgens um acht wieder in der Schule stehen zu können“, sagt sie. „In der Woche vorher beim Aufbau kann ich aber diesmal leider nicht dabei sein.“ Darum kümmern sich dann die weiteren rund 20 besonders aktiven Vereinsmitglieder, unterstützt von rund freiwilligen 120 Helfer*innen.
„Angefangen hat das alles mal mit Konzerten in einer Hinterhofkneipe“, erzählt Benjamin Weichert, der sich in diesem Jahr um die Getränkeversorgung kümmert. „Weil das kulturelle Angebot für Jugendliche in der Gegend nicht so attraktiv war, hatten ein paar von uns die Idee, etwas Eigenes zu machen, vor allem um regionalen Bands eine Plattform zu geben.“ Zu den Konzerten kamen Lesungen und Ausstellungen, 2011 dann erstmals das zweitägige Bergfunk-Festival. Der Ticketpreis ist mit gut 30 Euro für die beiden Tage bewusst niedrig, damit sich möglichst viele den Eintritt leisten können. Kultur für alle in Brandenburg.
Ist es eine Art linke Heimatverbundenheit, die sie antreibt, vor oder nach der Arbeit noch Dinge für den Verein zu organisieren oder ihren Urlaub damit zu verbringen, die Bühne aufzubauen und das Festivalgelände abzustecken? Ist es der Wunsch, den Berliner*innen zu zeigen, dass es auch außerhalb der Großstadt schön sein kann?
„Die Lampe ist unser Vereinslogo“
Im Gespräch betonen Spinola und Weichert eher ihre Beziehung zu den anderen Stubenrausch-Mitgliedern als zu Königs Wusterhausen. „Irgendetwas hat der Verein an sich, dass die Leute dabeibleiben“, sagt Spinola. „Es ist ein Freundeskreis, und wer sich aufgehoben fühlt, kommt immer wieder.“ Sie zeigt auf ihren Unterschenkel. Den ziert eine altmodische Stehlampe als Tattoo. „Die Lampe ist unser Vereinslogo. Und ich bin nicht die Einzige. Ein paar andere von uns haben sich die 157 tätowiert, wegen der Postleitzahl.“
Weichert will noch etwas anderes loswerden. „Wir besetzen mit dem Bergfunk auch einen Kalenderplatz: Wir sind das Festival in KW, nicht ein anderes, möglicherweise rechtes Festival“, sagt er. Und natürlich habe das Festival Strahlkraft für die Region. „Es haben sich schon Menschen bei uns gemeldet, die sich nach dem Festivalbesuch überlegt haben, nach KW zu ziehen, und gern weitere Infos von uns wollten“, sagt Spinola. „Oder Anwohner*innen vom Funkerberg, die aus Neugier vorbeigekommen sind und doch ganz angetan waren.“
Mit Shuttle Beim Bergfunk Open Air am 9. und 10. August spielen in diesem Jahr unter anderen Gisbert zu Knyphausen (Freitag), Sookee und Gurr (Samstag). Die Veranstalter rechnen mit rund 1.500 Besucher*innen. Nach Königs Wusterhausen fahren durchgängig Regional- und S-Bahnen, zwischen Bahnhof und Funkerberg ist ein Shuttle eingerichtet. Tageskarten kosten 20 bzw. 22 Euro, die Soli-Tickets für beide Tage kosten 45 Euro.
Mit Blumfeld In diesem Jahr bereits vorbei ist das Festival Jenseits von Millionen, das seit 2009 immer am ersten Augustwochenende auf der Burg Friedland in der Niederlausitz stattfindet. Seit vier Jahren gibt es außerdem das alínæ lumr Festival in der Stadt Storkow, dieses Jahr vom 23. bis zum 25. August. Hier werden unter anderen Blumfeld und Sophie Hunger auftreten. Beide Festivals sind ebenfalls ehrenamtlich von Vereinen organisiert, deren Mitglieder in und um Storkow aufgewachsen sind. (usch)
Die Stadt unterstützt das Festival finanziell, auch der Landkreis gibt alle zwei Jahre Geld dazu, wenn neben dem Festival auch noch die Kulturtage stattfinden. Bürgermeister Swen Ennullat, parteilos und seit 2017 im Amt, sagt, er empfinde das Festival als Bereicherung für die kulturelle Landschaft in Königs Wusterhausen.
Die Zuwendungen aus dem städtischen Kulturfördertopf sind in den letzten Jahren allerdings stark zurückgegangen: von je 20.000 Euro in den Jahren 2016 und 2017 zuerst auf 12.000 im letzten Jahr und auf 8.000 Euro für das diesjährige Festival. Und das, nachdem die Stadt die Kulturförderung sogar von 50.000 auf über 72.000 Euro erhöht hatte.
Enttäuscht von der Stadtpolitik
Allerdings nimmt laut Bürgermeister Ennullat auch die Zahl der Bewerbungen um diese Mittel zu. Ein extra eingesetztes Gremium bewertet die Bewerbungen und spricht Empfehlungen aus. In diesem Jahr bekommt der örtliche Fußballverein mit 13.000 Euro für seine 100-Jahr-Feier den größten Batzen.
Die Bergfunk-Veranstalter*innen, die 15.000 Euro beantragt hatten, waren enttäuscht. „Wir wünschen uns, dass die Stadtpolitik erkennt, dass das Bergfunk kein Eigenbrötlerprojekt ist, also keine Party, die wir nur für uns machen. Sondern dass auch gesehen wird, dass das, was wir machen, positiv für die Region ist“, sagt Spinola. Die Sicherheit, dass sie auch im nächsten Jahr wieder auf den Funkerberg dürfen, wäre da schon viel wert.
„Die Grundstücke auf dem Funkerberg stehen zum Verkauf“, sagt Spinola. „Wir wissen natürlich nicht, was passiert, wenn die Wiese, auf der wir das Festival machen, verkauft ist.“ Sie hoffen, dass die Stadt den besonderen Ort irgendwie erhält.
Gelernt, dass es sich dort gut feiern lässt, hat KW schon. Im kommenden Jahr wird die Stadt 100 Jahre Rundfunkgeschichte feiern. Auch mit Veranstaltungen auf dem Funkerberg.
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