Bergbaukrise im Kongo: Weltgrößte Kobaltmine schließt
Ein Fünftel des Kobalts der Welt kommt aus Mutanda in der Demokratischen Republik Kongo. Jetzt will Glencore die Mine dichtmachen.
„Leider“, so zitiert die Financial Times aus dem Schreiben, „ist die Mine langfristig nicht mehr wirtschaftlich.“ Als Gründe nannte Glencore, ein ursprünglich schweizerisches Rohstoffunternehmen mit globalen Minen- und Handelsinteressen, den „erheblichen Rückgang des Kobaltpreises, gestiegene Inflation bei einigen unserer Produktionskosten – vor allem Schwefelsäure – und die zusätzlichen Steuern des (kongolesischen) Bergbaugesetzes“.
Damit bringt Glencore auf den Punkt, was die globale Bergbauindustrie längst weiß: Der Boom des wichtigstens Rohstoffs für E-Autos und die Energiewende ist vorbei.
Kongo, in dessen Südregion Katanga sich einige der wertvollsten Mineralienvorkommen der Welt befinden, ist der Kobaltförderer Nummer eins: 111.713 Tonnen im Jahr 2018 nach Regierungsangaben, bei einer Weltproduktion von 140.000 Tonnen. Fast alles davon geht nach China. Förderung und Preise stiegen gleichzeitig auf Rekordniveaus. Zwischen 2016 und 2018 vervierfachte sich der Kobaltpreis, und die globale Förderung stieg um fast die Hälfte.
Internationale Geldgeber prognostizierten dem Kongo deswegen bis vor Kurzem hohe Wachstumsraten. Die Bevölkerung des Landes lebt nach Jahrzehnten von Misswirtschaft und Krieg im Elend, dreißig Jahre Investitionsrückstand müssen aufgeholt werden, damit Infrastruktur und soziale Dienste ein Mindestmaß an Funktionsfähigkeit erfüllen.
In freudiger Erwartung hob Kongos Regierung im Jahr 2018 die Steuern im Bergbau an, und im November erklärte sie Kobalt zum „strategischen Mineral“, auf das eine Förderabgabe von 10 statt wie bisher 3,5 Prozent fällig ist. Der neue Präsident Félix Tshisekedi, der seit Januar 2019 regiert, will damit gemäß seiner Parteiparole „Das Volk zuerst“ seine Pläne für Wiederaufbau und Armutsbekämpfung finanzieren.
Inzwischen verdüstern sich die Perspektiven. Die internationalen Kobaltpreise sind von ihrem Spitzenniveau von 95.000 US-Dollar pro Tonne im März 2018 auf aktuell rund 26.000 Dollar gefallen, Tendenz sinkend.
Der Rohstoffbedarf sinkt
Die Diskussion über Kinderarbeit in Kongos Minen und über unzumutbare Arbeitsbedingungen befördert die Entwicklung zertifizierter, teurerer Handelsketten und treibt Abnehmer in die Suche nach Alternativen. BMW verkündete im April den Verzicht auf kongolesisches Kobalt zugunsten von australischem und marokkanischem.
Chinas Industrie hält gigantische Lagerbestände. Batterien werden kleiner und leichter, der Rohstoffbedarf sinkt. Als Investorenliebling hat Kobalt ausgedient.
In Mutanda, einem industriell betriebenen Erdloch pharaonischen Ausmaßes östlich der Bergbaustadt Kolweezi, bündeln sich diese Probleme. Aus Mutanda kamen im vorigen Jahr 27.300 Tonnen Kobalt, ein Fünftel der Weltproduktion. Schon im Februar kündigte Glencore 2.000 Entlassungen unter der 7.500 Personen starken Belegschaft an.
Vorige Woche schrieb Glencore 350 Millionen US-Dollar als Gegenwert von 10.000 Tonnen unverkäuflichen kongolesischen Kobalts ab; an diesem Mittwoch gab die Firma einen Rückgang ihres Halbjahresgewinns um 90 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum bekannt.
Für Glencore entwickelt sich Kongo zur Belastung. Im November 2018 musste das Unternehmen den Verkauf des Kobalts aus einer Mine wegen zu hoher Radioaktivität einstellen. Im Juni 2019 starben in einer anderen Mine 43 Schürfer bei einem Erdrutsch. In den USA wird gegen Glencore wegen Zahlungen an den unter US-Sanktionen stehenden israelischen Unternehmer Dan Gertler ermittelt – Gertler, ein Freund des einstigen kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila, hatte Mutanda 2011 für ein Zehntel des realen Werts erworben und machte beim Weiterverkauf an Glencore einen gigantischen Gewinn.
Ab Jahresende soll Mutanda stillstehen. Und Kongos Regierung braucht neue Einnahmequellen. Nach Angaben des unabhängigen „Observatoriums der öffentlichen Ausgaben“ (Odep) wurden die Mittel aus Kongos Staatshaushalt 2019 schon im ersten Quartal fast zur Hälfte ausgegeben – und Präsident Tshisekedi hat bis heute noch nicht einmal eine neue Regierung gebildet, die alten Kabila-Minister amtieren geschäftsführend weiter. Laut Odep buchen sie zahlreiche Ausgaben als „Sonderposten“ außerhalb der regulären Kontrollen.
Es droht also ein gigantisches Loch in Kongos Staatsfinanzen. Die altbekannten Folgen – unbezahlte Soldaten und Staatsdiener, die die Bevölkerung ausplündern – wollen die 80 Millionen Kongolesen nicht noch mal erleiden.
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