piwik no script img

Berater im VerteidigungsministeriumTagessätze von 1.700 Euro bezahlt

In der Berateraffäre um die Digitalisierung der Bundeswehr zeigen sich verzweigte Freundschaftsverhältnisse. Diese waren durchaus lukrativ.

Schwierig zu digitalisieren: Bundeswehr Foto: dpa

Berlin taz | Topmanager Timo Noetzel und General Erhard Bühler mussten sich am Donnerstag in Berlin den Befragungen des Untersuchungsausschusses zur Berateraffäre um das Verteidigungsministerium stellen. Der Ausschuss soll klären, ob das Ministerium mehreren Beratungsfirmen ohne Ausschreibungen Aufträge für IT-Projekte zuschanzte.

Nach zehn Stunden endete in der Nacht zum Freitag die Befragung. Sie war der vorläufige Höhepunkt zur Berateraffäre mit 19 Zeugenanhörungen im Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss prüft, ob Firmen Aufträge bekamen, weil mehrere Führungspersonen im Ministerium mit Auftragnehmern befreundet sind. Bühler, ehemaliger Abteilungsleiter im Ministerium und Noetzel gelten als die zentralen Figuren der Affäre.

Der Politologe Timo Noetzel ist seit 2015 Topmanager der IT Beratungsfirma Accenture, die mehrere Aufträge bekam. Bühler ist der Taufpate von Noetzels Kindern. Noetzel ist zudem eng mit der Rüstungsstaatssekretärin a. D. Katrin Suder befreundet, die im September 2016 bei der Taufe seiner fünf Kinder dabei war. Laut Noetzel hat Suder diese Freundschaft gegenüber dem Ministerium formal offen gelegt.

Wunschkandidat durchgewunken

Die Firma Accenture wurde zu Tagessätzen von bis zu 1.700 Euro pro Person beauftragt, das ist erheblich mehr, als sonst für IT-Dienstleistungen gezahlt wird. Noetzel erklärte, dass sein Arbeitgeber auf Grund der besonderen Fähigkeiten beauftragt worden sei und nicht nur um IT-Dienstleistungen zu erbringen. Accenture sei die einzige Firma, die Digitalisierungsleistungen von der Konzeption bis zur Umsetzung durchführen könne. Darum seien höhere Stundensätze abgerechnet worden, auch für ihn selbst.

General Bühler erklärte, in der Industrie würden solche und noch höhere Tagessätze bezahlt, man habe verhindern wollen, dass die dringend benötigten IT-Fachkräfte nicht für die Bundeswehr arbeiten wollten.

Laut Noetzel gab es Mitbewerber. Diese hätten nach den Vergaberichtlinien mitberücksichtigt werden sollen. Bühler erklärte jedoch, die Bundeswehr hätte schnell digitalisiert werden sollen. Er drängte daher darauf, Accenture über einen Rahmenvertrag zu beauftragen.

Bühler bezeichnete sich selbst bei der Befragung als „einfachen Ingenieur“, der mit Vergaberecht nichts zu tun hatte. Er habe sich auf die Prüfung der Auftragsvergabe verlassen. Die Prüfstellen jedoch sagten zuvor aus, dass sie nicht prüften, weil aus dem Ministerium die Botschaft kam, dass Accenture der Wunschkandidat sei.

General sei „Totalausfall“

Die FDP-Sprecherin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bezeichnete den General nach der Befragung als „Totalausfall“. „Der deutsche Mittelstand wurde bei der Vergabe umgangen“, stellte Dennis Rohde (SPD) fest.

Nach der Sommerpause ist zu klären, wie Externe im Verteidigungsministerium agierten und andere Externe mit lukrativen Aufträgen versorgten. Auch die Aussagen des internen Ermittlers im Verteidigungsministerium, Andreas Conradi, sind zu prüfen. Die Aussagen von Conradi widersprechen denen anderer Zeugen. Als Vertreter der Bundesregierung nimmt er an jeder Ausschusssitzung teil.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Bei Gehältern um 100 T€ geht das schon in Ordnung. Aber was kommt rum?

  • An den Tagessätzen würde ich mich eher nicht aufhängen. Die sind zwar nicht für alle Bereiche der IT gängig, jedoch auch nicht ungewöhnlich hoch. Insbesondere große Consulting Unternehmen beziehen häufig derartige oder höhere Tagessätze, jedoch nicht weil deren Mitarbeiter besonders kompetent sind, sondern weil man als Kunde ein hohes Maß an Flexibilität und Skalierbarkeit erwarten kann.

    Die Behauptung Accenture sei das einzige Unternehmen, dass in der Lage sei der Bundeswehr bei der Digitalisierung umfänglich zu helfen ist entsprechend absoluter Schwachsinn.

    Schaut man sich an wie häufig IT-Großprojekte den Bach runter gehen ist es im Übrigen auch fraglich wie sinnvoll es ist ein Unternehmen zu beauftragen das irgendwie alles kann aber doch nichts richtig gut. Am Ende des Tages sind technische Details doch oft entscheidend und da will man lieber spezialisierte Unternehmen aus verschiedenen Bereichen anstelle von Managern, die mit Halbwissen und vorgefertigten Excel-Tabellen herumfickeln um abzuschätzen was machbar ist, wie lange etwas dauert und wie teuer es wird.

  • Wenn das notwendige Ergebnis erzielt wurde und zwar von A - Z, dann geht dies preislich schon in Ordnung.

    Nur befürchte ich, dass die Verantwortlichen bezüglich der Auftragsvergabe schon überhaupt nicht über die notwendige Fachkenntnis verfügten und verfügen in der Auftragsbeschreibung, Pflichtenheft & Co. sauber zu beschreiben, welche Anforderungen überhaupt konkret zu erfüllen sind.

    UND, wir dürfen fast sicher sein, dass die betreffenden Verträge ein Schlupfloch enthalten, sodass Accenture im Schadensfall nicht haften muss!; UND natürlich auch nicht die "Bundeswehr".

    :-(

    • @tazeline:

      "Wenn das notwendige Ergebnis erzielt wurde und zwar von A - Z, dann geht dies preislich schon in Ordnung."

      Offensichtlich funktioniert die BW durch die vielen Berater nicht besser. Das ist auch nicht verwunderlich, da es in der Führung an Kompetenz fehlt, die Zivilisten nicht ersetzen können.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Lieber Herr Pehl, mit der Aussage „Die Firma Accenture wurde zu Tagessätzen von bis zu 1.700 Euro pro Person beauftragt, das ist erheblich mehr, als sonst für IT-Dienstleistungen gezahlt wird.“ machen Sie sich zum fachlichen Totalausfall in Sachen „Kenntnis vom Beratermarkt“! Tagessätze bis zu 4.500 Euro zzgl. Spesen für extrem hoch spezialisierte Fachkönner kommen genauso vor wie Ihre reklamierten 1.700 Euro für den klassischen IT-Durchschnittsberater. Es gibt auch die 1.000 Euro/a day, die dann vor Ort die Maschinen mit Programmcode und Daten füttern.



    Unabhängig von den hoch erscheinenden Kosten fragt niemand nach den Beratungsergebnissen, nach dem Monitoring der Beratungsunternehmen (die anscheinend fachlich weder begleitet noch kontrolliert wurden), nach der Auftrags- und Arbeitskontrolle und ob durch die Beratung am Ende auch noch Mehraufwand generiert wurde. Das würden erfahrene IT-Projektleitungen IMMER tun.

  • Accenture ist ein weltweit tätige Aktiengesellschaft nach irischem Recht mit Sitz in Dublin, früher Bermuda-Islands. Dahin geht also unser Steuergeld für Aufträge des Bundes.

    • @Karl-Erich Weber:

      Accenture hat in Deutschland nach meiner Kenntnis so ca. 10 operative steuerpflichtige Gesellschaften (mit Beteiligungsgesellschaften, die über eine eigene Firmierung verfügen, können es mehr sein), zahlt hier also dem Grunde nach Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuer.

      Wieviel vom inländischen Umsatz von ca. EUR 2 Milliarden für konzerninterne (IP-)Lieferungen und Leistungen an ausländische Gesellschaften abfließen, ist mir allerdings nicht bekannt. Da müssen wir schon auf unsere Betriebsprüfer vom Finanzamt Bad Homburg hoffen...

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Die Firma Accenture wurde zu Tagessätzen von bis zu 1.700 Euro pro Person beauftragt, das ist erheblich mehr, als sonst für IT-Dienstleistungen gezahlt wird."

    Für strategische IT-Beratung ist das tatsächlich kein abnormer Tagessatz. Das ist die Beratungsleistung, bei der Halbwissen auf Nichtwissen trifft und dem Beratenen der Eindruck vermittelt wird, seine Probleme jetzt zu verstehen. Deutlich niedrigere Tagessätze sind da üblich, wo Dinge tatsächlich umgesetzt werden müssen.

    Die persönlichen Beziehungen zwischen Auftraggeber und -nehmer sind da schon, hüstel, ungewöhnlich.

    Der Track-Record von Accidenture bei Großprojekten ist aber auf Augenhöhe mit dem des Verteidigungsministeriums:

    gbhackers.com/accenture-facing-lawsuit/



    exposingevilempire...s-scottish-police/



    www.washingtonpost...term=.e3785dbf4042

    • @83492 (Profil gelöscht):

      Ich bin kein Fan von Accenture aber bei derartigen Projekten ist die Fehlerrate durchweg ziemlich hoch. Mir sind einige Unternehmen bekannt von denen ich abraten würde aber keines das ich mit gutem Gewissen für Projekte der Größe empfehlen könnte.

      Meiner Meinung nach ist es letzlich unerlässlich das eine gewisse Kompetenz im Unternehmen verbleibt, damit man nicht auch bei der Konzeptionierung und Organisation auf Externe angewiesen ist. Sonst ist man schnell verraten und verkauft.

    • @83492 (Profil gelöscht):

      "Deutlich niedrigere Tagessätze sind da üblich, wo Dinge tatsächlich umgesetzt werden müssen." So ist es. Den Reibach machen die Quatschköppe, Vertriebler*innen, Wirtschaftsingeneur*innen (man lacht sich schlapp über die Nasen), Verkäufer*innen usw. Und die Leute zahlen es, weil es halt so üblich ist.



      Und im Beschaffungssumpf des Verteidigungsministeriums, den keinE MinisterIn trocken legen konnte, wachsen schon immer die schönsten Korruptionsblüten.

    • @83492 (Profil gelöscht):

      Vielen Dank für die interessanten Links.

      Eine Erfolgsgeschichte sieht anders aus. Großprojekte scheinen das Unternehmen zu überfordern.

    • @83492 (Profil gelöscht):

      Nicht zu vergessen die rigorose "open source" Politik von Accenture.

      www.upguard.com/br...oud-leak-accenture

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Den Text würde ich nicht mal verstehen, wenn er auf deutsch wäre.

        Und davon abgesehen habe ich das dumpfe Gefühl beruflich etwas falsch gemacht zu haben.

        Für meinen Tagessatz würden sich diese Typen wohl nicht mal am Hintern kratzen.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Accenture hat sich Speicher in der Cloud von Amazon* gemietet, da einen Haufen vertraulicher Daten abgeladen und dann vergessen das ganze durch ein Passwort oder einen anderen Authentifizierungsmechanismus zu schützen.

          Damit ist Accenture in guter Gesellschaft, einige der größten Datenverluste der letzten Jahre sind auf derartige Dummheiten zurückzuführen.

          * Ja der "Buchhändler", gleichzeitig auch der größte Anbieter für Cloud Lösungen.^^

          • 8G
            88181 (Profil gelöscht)
            @Januß:

            Danke für die Info.

            Ja, die Passwörter. Ich kombiniere sie aus Namen von Verwandten, Postleitzahlen von Städten in denen ich war und obszönen Begriffen.

            Dann vergesse ich sie und muss das Passwort zurücksetzen und mir ein neues ausdenken.

            Eine idiotische Methode, aber womöglich recht sicher.

      • 8G
        83492 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Oh, das war aber ein großes Loch. Zum Glück nichts passiert, alle Daten noch da :-)

        • @83492 (Profil gelöscht):

          Die Frage ist jetzt nur, wer alles eine Kopie hat.