piwik no script img

Benin-Bronzen gehen nach NigeriaVom Ländle zurück in die Heimat

Das Stuttgarter Linden-Museum gibt seine Benin-Bronzen an Nigeria zurück. Die Institution wird so zum Vorbild im Umgang mit Exponaten der Kolonialzeit.

Noch hängt es in Stuttgart: ein Kunstobjekt aus Benin Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Nicht alle der sogenannten Benin-Bronzen sind aus Bronze. Eins der wertvollsten Objekte der Reihe im Stuttgarter Linden-Museum ist eine weiße Maske aus Elfenbein, die offenbar über Jahrhunderte im Königreich Benin in Ehren gehalten wurde, bis britische Kolonialsoldaten sie raubten und das Kunstwerk so auf verschlungenen Wegen 1964 nach Stuttgart kam.

Wenn am Freitag Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Die Grünen) mit Nigerias Kulturminister Lai Mohammed und der Staatsministerin für Auswärtige Angelegenheiten, Zubairo Dada, den Weg frei für die Rückgabe machen, dann geht es auch um die Maske aus dem Linden-Museum.

Insgesamt 75 Benin-Bronzen befinden sich im Besitz des Linden-Museums, 64 werden aktuell in der Ausstellung „Spuren aus dem Depot“ gezeigt, darunter auch die weiße Elfenbeinmaske. Damit ist das Haus neben dem Museum am Rothenbaum, Hamburg, dem Rautenstrauch-Joest-Museum (Köln), dem Dresdner Völkerkundemuseum sowie dem Ethnologischen Museum Berlin die Institution mit den meisten Stücken aus dem ehemaligen Königreich, das 1897 von britischen Truppen vernichtet wurde.

Persönlicher Besuch

Fast allen Häusern stattete der Generaldirektor der Na­tio­nalen Museums- und Denkmalbehörde Nigerias, Abba Tijani, diese Woche einen persönlichen Besuch ab. Er wolle auch nach der Rückgabe mit den Museen zusammenarbeiten, kündigte Tijani in Stuttgart an. Für ihn selbst sei es eine Rückkehr, sagte der Chef der obersten Kulturbehörde des Landes. Als Student habe er vor Jahrzehnten selbst im Linden-Museum geforscht.

Die Staatssekretärin der Landesregierung, Petra Olschowski, betonte, dass ihr Bundesland in Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Restitution übernommen habe. Nachdem die Debatte um die Rückgabe afrikanischer Kulturgüter mit dem Bericht von Felwine Sarr und Bénédicte Savoy im Auftrag der französischen Regierung angestoßen worden war, hatte Baden-Würtemberg 2019 einen ersten Schritt der Restitution getan:

Die persönliche Bibel und eine Peitsche des namibischen Nationalhelden Hendrik Witbooi wurden aus Stuttgart an Namibia zurückgegeben. Damals war das ein wichtiger erster Schritt, sagte Olschowski, der ihr gezeigt habe, welche emotionale Bedeutung solche Objekte auch für die nigerianische Bevölkerung hätten.

Vergleichsweise offensiv

Auch bei der Rückgabe der berühmten Bronzen ist Baden-Württemberg vergleichsweise offensiv. Die grün-schwarze Landesregierung in Stuttgart beschloss als erstes Bundesland ihre Rückgabe. „Damit übernehmen wir auch gegenüber Ländern, die nicht von Deutschland kolonialisiert wurden, Verantwortung für die koloniale Geschichte“, erklärte Olschowski.

Die Benin-Bronzen im Lindenmuseum kamen seinerzeit entweder über Auktionen in England oder über Händler direkt aus Nigeria ins Schwäbische, oft auch als Schenkungen aus privaten Sammlungen wie der des Heilbronner Lebensmittelherstellers Knorr.

Die Vorreiterrolle des Südwestens habe den Restitutionsprozess in Deutschland beschleunigt, bestätigte Tijani am Mittwoch in Stuttgart. Von der Vereinbarung mit der Bundesregierung am Freitag und der Übergabe erster Objekte aus Deutschland nach Nigeria bis Jahresende erhofft sich Tijani einen Anschubeffekt für internationale Verhandlungen. Bei Museen in Großbritannien und den USA müssten noch einige Hürden überwunden werden, berichtet Tijani.

Für das Linden-Museum besteht die Aussicht, einzelne Stücke der Benin-Bronzen als Leihgabe in der Sammlung behalten zu können, um die Kolonialgeschichte und mit Europa verflochtene Geschichte der Werke selbst erzählen zu können. Denn die Bronze für die Kunstwerke stammt oft aus Europa und wurde von Portugiesen nach Benin gebracht, bis sie später als Kriegsbeute nach Europa verschleppt wurden.

Ob dieses Argument nicht ein Trick sei, um am Ende doch nicht alles zurückgeben zu müssen, fragt ein Journalist. Abba Tijani verneint: „Wir wollen kein Vakuum erzeugen. Uns geht es darum, dass auch in den deutschen Museen funktionierende Ausstellungen verbleiben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Nun ja, eigentlich in Ordnung so etwas zurück zu geben.



    Die koloniale Vergangenheit ist sicher kein Rumesblatt,



    Die Frage ist ob das Leben was wir heute führen ohne koloniale Vergangenheit möglich wäre. Die die heute im Winter mit warmer Zentralheizung über die koloniale Vergangenheit reden haben sich oftmals keine Gedanken gemacht woher der Wohlstand denn kommt und ob man den denn aus sozialer Gerechtigkeit aufgeben möchte. Ich möchte niemanden zu nahe treten, aber weder Frau Baerbock noch Frau Roth mussten jemals bei minus 20 Grad im Winter auf das Häuschen mit dem Herzchen. Es soll Menschen geben die so etwas erlebt haben und die des Morgens den Holz- oder Kohleofen im Kalten anfeuern mussten damit die Bude warm wurde. Das Blöde ist wenn es sozial ist geht es vielleicht Allen ein bisschen gut ( einigen Bozen sicher total gut) aber so richtig gut keinem. Uns geht es (noch) richtig gut.



    Wenn diese Bonzen in Afrika angekommen sind, wer garantiert das sie nicht irgendwie verschwinden und in der Sammlung eines amerikanischen Multimilliardärs landen?

  • Der Artikel lässt offen, womit die Portugiesen für die Bronze bezahlt wurden: oft mit Sklaven.

    Spannend ist auch die Bedeutung dieser Bronze-Skulpturen:

    www.nzz.ch/feuille...eworden-ld.1651055

    Ich wäre dafür, alle Bronze-Köpfe zurückzugeben.

    Nachbildungen von abgeschlagenen Köpfen von Kriegsgegnern, die bei sakralen Hinrichtungen von Kriegsgefangenen eine Rolle spielten, gehören nicht zum ästhetischen Genuss in ein Museum in Deutschland.

    An diesen Masken klebt zuviel Blut.

    • @rero:

      Danke, sehr informativer Artikel in der Tat! Würde mir wünschen solche Blickwinkel auch mal in der taz zu lesen.

      Man sucht sich halt immer den Zeitpunkt und Blickwinkel der Geschichte heraus der einem am besten in die eigene Meinung passt...

      So habe ich bei Ausstellungen zu Karl dem "Großen" auch noch nie einen Hinweis auf die Völkermorde im Zuge der Christianisierung an den damals "heidnischen" Sachsen oder Langobarden gesehen.



      Geschweige denn Reparationszahlungen an Nachfahren ehemaliger Sklaven von der ersten Kette im Glied des "Handels", in diesem Fall dem Königreich Benin. Da Nigeria sich offensichtlich als Nachfolgestaat eben dieses Reiches sieht müssten die gleichen Leute die die Bundesrepublik als Nachfolger des Kaiserreiches sehen, und für Kolonialverbrechen verantwortlich machen, doch eigentlich auch hier aktiv werden.