Belarussischer Regimegegner in Kiew: Schischow tot in Park aufgefunden

Der Aktivist war die Schlüsselfigur der belarussischen Opposition in der Ukraine. Die Polizei schließt einen Mord, getarnt als Suizid, nicht aus.

Der Aktivist Vitalij Schischow.

In Kiew tot aufgefunden worden: der belarussische Aktivist Vitalij Schischow Foto: Human Rights Center Viasna/ap

Kiew taz | Vitalij Schischow, belarussischer Staatsbürger und Chef des „Belarussischen Hauses in der Ukraine“, ist tot. Am Dienstagmorgen meldete die Kiewer Polizei, man habe die Leiche des belarussischen Regimegegners, der im Herbst 2020 durch seine Flucht nach Kiew einer Verhaftung in Belarus entgehen konnte, erhängt an einem Baum in einem Park entdeckt.

Schischows Frau hatte bereits am Montag Alarm geschlagen, nachdem ihr Mann von seinem morgendlichen Jogging-Training nicht mehr zurückgekehrt war. Noch am selben Tag hatten Freunde von Schischow den Park an den Stellen abgesucht, an denen er zu joggen pflegte.

Die Polizei schließt einen Mord, getarnt als Suizid, nicht aus, und ermittelt derzeit in beide Richtungen, hieß es am Dienstag auf einer Pressekonferenz der Polizei in Kiew. Schischows Freunde und Weggefährten sind sich sicher, dass Schischow ermordet worden ist und Diktator Alexander Lukaschenko hinter diesem Mord steckt. Man sei von ukrainischen Geheimdiensten gewarnt worden, dass ein Netz von belarussischen KGB-Agenten in der Ukraine aktiv sei, berichtet ein Weggefährte gegenüber der Kiewer Zeitung Nowoje Wremja.

Schischow habe sich sehr für diese Agenten interessiert. „Er war gewissermaßen unsere Gegenspionage“, so der Mann. Schischow habe gewusst, dass diese Agenten Jagd auf ihn machen, berichtet er. Presseberichte, wonach Schischows Nase gebrochen gewesen sei, dementierte der Nationale Polizeichef Igor Klimenko am Dienstag. Er habe nur Hautschürfungen an Nase, Knie und Brust gehabt. Auch an dem linken Teil der Oberlippe habe man eine Hautschürfung festgestellt. Ein Gutachten müsse herausfinden, ob diese von Schlägen verursacht sei.

Schischows dunkle Vorahnung

Auch Jurij Schtschutschko, ebenfalls ein Weggefährte von Schischow, ist sich sicher, dass es vorsätzlicher Mord war. Nichts sei gestohlen worden, das Mobiltelefon habe in der Nähe des Toten gelegen. Schischow habe eine Vorahnung gehabt, berichtet Schtschutschko. Er habe ihn gebeten, sich um seine Freunde zu kümmern. Andere Freunde des Toten berichteten dem Portal currenttime.tv, Schischow habe sich in letzter Zeit in Kiew verfolgt gefühlt. Unbekannte Personen hätten ihn und seine Frau immer wieder grundlos angesprochen.

Das „Belarussische Haus in der Ukraine“ hilft belarussischen Flüchtlingen bei der Integration in die ukrainische Gesellschaft. Es berät diese in praktischen und juristischen Fragen, unterstützt sie bei der Suche nach Wohnung und Arbeit. Aber das „Belarussische Haus“ ist auch politisch aktiv: So hatte es eine 60-tägige Mahnwache vor der belarussischen Botschaft in Kiew organisiert, es informiert die ukrainische Öffentlichkeit über das Vorgehen der Lukaschenko-Diktatur und veranstaltet öffentlichkeitswirksame Solidaritätsaktionen für die belarussische Opposition. Der 1995 in Belarus geborene Vitalij Schischow, da sind sich seine Weggefährten einig, war die Seele dieser Einrichtung und auch Administrator der Facebookseite der Gruppe.

Unterdessen wurde bekannt, dass ein weiterer Flüchtling aus Belarus in Kiew angekommen ist. Am Montag traf Arseni Sdanewitsch, Ehemann der belarussischen Sprinterin Kristina Timanowskaja, in Kiew ein. Er habe sich während der dramatischen Ereignisse um seine Frau in Tokio innerhalb von 30 Minuten zur Flucht entschieden, zitiert ihn die ukrainische Seite von BBC.

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