Belarussen im Exil: Jenseits von Krieg und Katastrophe
Unsere Autorin hilft verfolgten Belarussen bei der Flucht. Sie hoffen, dass mit dem Sieg der Ukraine auch in Belarus die Diktatur endet.
Belarussen, wacht auf, von eurem Staatsgebiet werden Raketen abgeschossen!“, rief der ukrainische Präsident Selenski im Februar den Menschen in Belarus zu. Aber man bedenke, dass das Land von einem autoritären Regime beherrscht wird.
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Ich arbeite für eine Stiftung, die politisch verfolgten Belarussen hilft. Sie werden organisiert aus einem Land gebracht, in dem es weder Kampfhandlungen noch Katastrophen gibt. Das funktioniert in der Regel so: Ein Mensch oder eine Familie verlässt das Haus mit einem Handy und einem Rucksack, in den sie ihr gesamtes Leben gepackt haben, ein Mitarbeiter der Stiftung erklärt ihnen Schritt für Schritt, wohin sie zu gehen haben. Einige Grenzen später sind die Leute schließlich in Sicherheit. Sie müssen dann ihr Leben ganz von vorn beginnen, in einem neuen Land, nur mit dem Wertvollsten von allem: der Freiheit.
Öffentlich zu machen, wie das vor sich geht, ist verboten. Ich schreibe hier nur über die erfolgreichen Fälle. Hier einige Beispiele: Ruslan ist Unternehmer. Während seines Wehrdienstes wurde er an die belarussisch-ukrainische Grenze beordert. Sie gaben ihm eine Waffe und wiesen ihn an, „Wache zu halten“. Aber der junge Mann desertierte von seinem Posten, er wollte nicht in diesen Krieg verwickelt werden. Einen Monat saß er dafür in Untersuchungshaft. Dann wandte er sich an die Stiftung und konnte nach Georgien fliehen.
Irina ist Gynäkologin, mit dreißig Jahren Berufserfahrung. Gegen sie wurden mehrere Strafverfahren eingeleitet, nachdem sie an einer Protestdemo teilgenommen hatte. 2022 wurde ihr klar, dass sie bald inhaftiert würde. Wie durch ein Wunder konnte sie Belarus verlassen, versteckte sich drei Monate mit Ukrainern in einem Flüchtlingslager. Jetzt arbeitet sie in Polen als Ärztin.
Im Geheimen mit der Ukraine
Oft liest man, dass Belarussen eine „Sklavenmentalität“ hätten. Aber folgende Zahlen zeichnen ein anderes Bild: In den Gefängnissen des Landes gibt es aktuell 1.276 politische Gefangene. In den letzten zwei Jahren wurden mehr als 11.000 Urteile gegen ganz normale Menschen wegen „Extremismus“ verhängt, aber nicht ein Urteil gegen Silowiki, also Einsatzkräfte der Armee oder des Geheimdiensts.
Jeden Tag gehen die Verbrechen gegen das Volk weiter. Erst in diesem Monat wurde eine Sängerin, die ein ukrainisches Lied gesungen hatte, 15 Tage lang inhaftiert. In der Stadt Gomel wurde ein Teenager zu drei Jahren Straflager verurteilt, weil er Bewegungen russischer Militärtechnik gefilmt hatte. Vor diesem Hintergrund erwägt nun Litauen, seine Grenze auch für Belarussen dichtzumachen.
Dabei sind viele Belarussen im Geheimen davon überzeugt, dass der Sieg der Ukraine über den Aggressor unser gemeinsamer Sieg über die Diktatur sein wird. Lasst uns zusammen dafür arbeiten.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
Das Tagebuch wird finanziert von der taz Panter Stiftung.
Ein Sammelband mit den Texten ist unter dem Titel „Krieg und Frieden. Ein Tagebuch“ Anfang September im Verlag edition.fotoTAPETA erschienen und kostet 10 Euro.
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