Belarus und der Krieg in der Ukraine: Nichts wie weg

Hunderte Belarussen sind nach Litauen geflohen. Sie haben Angst, dass sie zwangsrekrutiert werden und in der Ukraine kämpfen müssen.

Der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko mit Militärparka und Pelzmütze

Will zehntausende Belarussen zwangsrekrutieren: Präsident Alexander Lukaschenko Foto: ap

BERLIN taz | Hunderte Belarussen im wehrfähigen Alter sind offensichtlich nach Litauen geflohen, um einer Zwangsrekrutierung und damit einem Kriegseinsatz in der Ukraine zu entgehen. Das berichtet die belarussische Menschenrechtlerin und Leiterin der Nichtregierungsorganisation Nasch Dom (Unser Haus) Olga Karatsch. Laut Karatsch hätten die litauischen Behörden derzeit keinen Überblick über die genaue Anzahl der Ankommenden, doch es würden täglich mehr.

Im Moment läuft in Belarus eine groß angelegte Kampagne. Männer im Alter zwischen 18 und 58 Jahren werden aufgefordert, sich bei den zuständigen Behörden zu melden. Dem unbestätigten Bericht eines belarussischen Militärs zufolge plant Staatspräsident Alexander Lukaschenko die sofortige Einberufung von 35.000 bis 40.000 Männern.

Diese wollten jedoch nicht gegen die Ukraine in den Krieg ziehen, heißt es in einer Mitteilung von Nasch Dom. Bei den Einberufungsbehörden müssten die Männer mit ihren Familien erscheinen, ihnen würden Pässe und Mobiltelefone abgenommen und ihre Verwandten bedroht. Das, was derzeit passiere, sei nichts anderes, als eine erzwungene und gewaltsame Mobilisierung, so Nasch Dom.

Noch am vergangenen Dienstag hatte Lukaschenko verkündet, seine Armee sei nicht an Russlands kriegerischen Aktionen in der Ukraine beteiligt und das werde auch so bleiben. Das ukrainische Nachrichtenportal Ukrainska Prawda hatte hingegen gemeldet, dass belarussische Truppen schon mehrere Tage vor Lukaschenkos Ankündigung in das Tschernigiwer Gebiet eingedrungen seien. Man könne sie, so der Sprecher der territorialen Kampftruppen Sewer (Norden), Witali Kirillow, an ihren Uniformen erkennen. Diese trügen die Markierung 0.

„Nein heißt Nein!“

Laut Olga Karatsch gingen bei Nasch Dom dieser Tage vermehrt Hilfsgesuche von Belarussen ein, die nicht in der Ukraine kämpfen wollten. Die Organisation hat jetzt unter dem Motto „Nein heißt Nein“ eine feministische Kampagne (#NoMeansNo,#NoWar, #StandUpWithUkraine) gestartet.

Frauen, nicht nur in Russland und Belarus, sind dazu aufgerufen, auch Belarussen, die in der Armee dienen, dazu aufzufordern zu desertieren. Dazu sollen sie kurze Videos aufnehmen, die, wenn fremdsprachig, mit russischen Untertiteln versehen werden. Zwischen 3.000 und 5.000 Be­la­rus­s*in­nen in Belarus, sogenannte Eulen (Bezeichnung für Menschenrechtsaktivist*innen), sollen Belarussen davon überzeugen, sich dem Kampfeinsatz zu verweigern und sie gegebenenfalls bei der Flucht unterstützen.

Unterdessen hat die belarussische Staatsanwaltschaft ein weiteres Strafverfahren gegen die Oppositionelle und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die im litauischen Exil lebt, eingeleitet. Das berichtet das russischsprachige Nachrichtenportal Nastojaschee vremja. Der Vorwurf? Aufruf zu Sanktionen oder anderen Maßnahmen, die darauf abzielen, die nationale Sicherheit von Belarus zu gefährden.

Zuvor hatte sich Tichanowskaja über YouTube an Mütter in Russland und Belarus gewandt. „Ihre Kinder werden nicht zu Militärübungen geschickt. Ihre Kinder werden zum Sterben in den Krieg geschickt. Diesen Krieg brauchen unsere Länder nicht. Wladimir Putin jedoch braucht ihn. Er hat die brüderliche Ukraine zum Feind erklärt. Jetzt sterben Tausende von Soldaten in diesem Krieg und das russische Militär schießt auf die Zivilbevölkerung der Ukraine“, sagte sie.

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