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Belästigung bei der WohnungssucheDickpic statt WG-Zimmer

Männer nutzen die Wohnungsknappheit aus und belästigen online Frauen auf Zimmer-Suche. Das geht von Drohungen bis hin zu Masturbations-Videos.

Es hilft, bei der WG-Suche persönliche Daten zu teilen. Doch geraten sie oft in falsche Hände Foto: Holger Hollemann/dpa

Berlin taz | „Er wollte einfach nicht verstehen, dass ich kein Interesse habe“, sagt Celine Vogt über einen Mann, mit dem sie eigentlich nur wegen eines freien WG-Zimmers in Kontakt stand. Sie heißt anders, möchte hier aber anonym bleiben, um sich vor möglichen weiteren unangenehmen Erfahrungen zu schützen.

Sie und weitere Frauen berichten der taz von übergriffigen Männern bei der Plattform WG-Gesucht. Einige der Handlungen sind strafbar, andere nicht. Sie alle zeigen: Männer nutzen ihre Macht und den angespannten Wohnungsmarkt aus, um Frauen zu belästigen.

Drei Jahre ist es nun schon her, dass Vogt als Studentin nach einem bezahlbaren Zimmer suchte. In Berlin ist das bekanntlich ein Mammutprojekt. Bei WG-Gesucht stößt sie auf ein Inserat von Flávio Haas. Auch er heißt eigentlich anders. Die beiden tauschen Handynummern aus, zu einer Besichtigung kommt es trotzdem nicht, weil Vogt kurz darauf ins Ausland geht.

Ein Dreivierteljahr später: Haas meldet sich bei Vogt via WhatsApp. Er macht ihr Komplimente zu ihrem Profilfoto und fragt nach einem Date. Da sie den Chatverlauf und seine Nummer gelöscht hat, erkennt sie ihn nicht wieder. Vogt lehnt ab. Haas ist beleidigt, „,einfach so' ist kein intelligenter Beweggrund“, schreibt er und will wissen, wieso sie kein Interesse hat. Ihr wiederholtes „Nein“ reicht ihm nicht. Screenshots dieser WhatsApp-Nachrichten liegen der taz vor.

Drohungen nach Abfuhr

Ein Jahr später ist Vogt wieder auf der Suche nach einem WG-Zimmer. Haas’ Zimmerangebot ist zu dem Zeitpunkt wieder oder noch immer online. Vogt schreibt ihn wieder an, nicht wissend allerdings, dass es sich um Haas handelt. Sie tauschen Nummern aus – woraufhin beide feststellen, dass sie sich „kennen“. Haas schreibt ihr, dass sie keine guten Karten für das Zimmer habe. Sie habe damals ja kein Interesse an ihm gezeigt: „naja Körbe ohne grund, ist mittlerweile vlt leider normal aber nett ist es trotzdem nicht.“

Später droht er ihr, dass sie ihren Mund nicht zu weit aufmachen solle. Er sei schließlich der Einzige, der sie „vom obdachlos sein retten kann“. Auf Nachfrage der taz sagt Haas am Telefon dazu lediglich, dass er es in Ordnung fände, nach den Gründen zu fragen, wenn eine Frau ihn ablehne.

Vogts Fall ist nur ein Beispiel dafür, was für unangenehme Erfahrungen Frauen bei der WG-Suche machen. Ihre Nummern werden für Dating-Anfragen missbraucht, ihr Aussehen und ihre Gesuche werden (sexistisch) kommentiert, andere bekommen ungefragt Dickpics zugeschickt.

Bei WG-Gesucht ist das Problem bekannt. „Manche Menschen nutzen leider die Anonymität des Internets, um unangemessene Nachrichten zu senden“, sagt Annegret Mülbaier von dem Portal. Solche Nachrichten können von Betroffenen gemeldet werden, im Extremfall wird der Nutzer von der Plattform blockiert oder gar gelöscht. An einem Tag können gut 200 Accounts von der Qualitätssicherung gelöscht werden, die meisten davon werden wegen versuchten Kautionsbetrugs entfernt. Bei Anrufen tun sich Vermittlungsplattformen hingegen schwer einzugreifen, da es außerhalb ihres kontrollierbaren Raums stattfindet.

Unangemessene Fragen

Auch Katharina Mayer hat bei WG-Gesucht schlechte Erfahrungen gemacht. Als Erst­semesterin suchte sie ein WG-Zimmer in Berlin und stellte ein Gesuch online. Für gewöhnlich besteht ein Gesuch aus Fotos, Kontaktdaten und einer Personenbeschreibung, inklusive Hobbys und Putzverhalten.

Auf Mayers Gesuch meldet sich ein Mann telefonisch bei ihr – dass die Kosten für das Zimmer über Mayers Budget liegen, interessiert ihn nicht. „250 Euro, das kriegen wir schon irgendwie hin“, sagte er. Mayer wurde misstrauisch und der Mann fragte weiter: wie sie zu Massagen stehe. „Ich fand die Frage komisch, aber war sehr naiv. ‚Mein Freund und ich massieren uns schon gern‘, hab ich dann gesagt.“ Daraufhin fragt der Mann sie nach ihrer Körpergröße und dem Gewicht. Mayers Antwort befriedigte ihn. Diese seien schließlich „Wie bei der anderen Mitbewohnerin.“


Später bekam auch Mayer im Zuge ihrer Zimmersuche einen unangenehmen Anruf. Mitten in der Nacht habe sie ein Mann angerufen. Er soll gesagt haben: „Meine Mitbewohnerin bläst mir gerade einen. Und ich gucke mir dabei dein Bild an.“ Mayer legte sofort auf. Wer der Anrufer war, weiß sie bis heute nicht. „Es ist schon nicht so cool, was man mitmachen muss, vor allem als unter 20-Jährige.“ Zur Polizei sei sie damals nicht gegangen, erklärt Mayer: „Ich habe daraus nachträglich einen Witz gemacht.“ Heute würde sie anders damit umgehen.

Betroffene wehren sich

Ähnlich erging es der 25-jährigen Melanie H., die in München nach einer WG suchte. Sie habe abends über Facetime einen Anruf bekommen. Die Kamera sei zunächst schwarz gewesen, dann habe der Anrufer nach H.s Namen gefragt. „Dann habe ich gesehen, wie ein Mann masturbiert. Ohne Gesicht, einfach nur das Geschlechtsteil.“

Sie legt auf, blockiert die Nummer. Im Nachhinein empfindet H. ihr Handeln als voreilig, da sie den Mann hätte anzeigen können. Dass der Anrufer die Nummer über WG-Gesuch hatte, hält H. für sehr wahrscheinlich. „Ich hatte kurz vorher ein Gesuch erstellt, mit meiner Nummer drinnen, das macht es Leuten einfacher, wenn sie Interesse haben, Kontakt mit mir aufzunehmen“, sagt sie. Sonst habe sie ihre Nummer nirgendwo veröffentlicht.



Nach einer solchen Tat sind viele Menschen ratlos und ­wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen, erklärt Wanda Valenta von HateAid, einer Plattform, die sich gegen digitale ­Gewalt einsetzt. Valenta sagt, dass man ein solches Telefonat auch zur Anzeige bringen kann. Dies könne für Betroffene empowernd wirken, denn auch bei unterdrückten Nummern kann Anzeige gegen Unbekannt erstattet werden. Zudem wird jede angezeigte digitale Gewalt in der Statistik aufgegriffen. 

Das Problem bei WG-Suchen sei die Abhängigkeit, in der man sich befindet, sagt Valenta: „Menschen tun Dinge, die sie nicht gern tun – angefangen beim Zahlen von zu hohen Mieten.“

Auch die Veröffentlichung der privaten Handynummer gehört dazu, die übergriffige Telefonate erst ermöglicht. „Bei Anrufen zu späten Zeiten würde ich mir überlegen, ob ich da wirklich rangehen muss“, rät Valenta. Um ungewollte Anrufe zu vermeiden, schlägt sie vor, sich für die WG-Suche eine zweite Handy­nummer anzulegen. 

Wenn trotzdem Übergriffe am Telefon passieren, sollen Betroffene ihrem Bauchgefühl folgen und zum Beispiel auflegen, sagt sie und ergänzt: „Ich würde niemals rumdiskutieren. Jemand, der sexualisierte Gewalt ausübt, ist nicht daran interessiert, in einen sachlichen Austausch zu gehen oder sein Verhalten in dem Moment infrage zu stellen.“

Laut WG-Gesucht wehren sich immer mehr Betroffene gegen unangemessene Angebote und Kommentare. Dass das missbräuchliche Verhalten jedoch einfach aufhört, ist unwahrscheinlich. In Zeiten von Wohnungsnot und teuren Mieten wird die Abhängigkeit nur noch größer.

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7 Kommentare

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  • "Aber warum seid ihr Weiber immer so paranoid??? #Notallmen

    Ja, ja. Und dann liest man jeden Tag solche Nachrichten und denkt sich: Sowas (sowas Ähnliches) ist mir auch schon passiert. Und wie unser Rechtssystem nun einmal ist, lohnt es sich gar nicht erst Anzeige zu erstatten, weil Frauen bekanntlich immer selbst Schuld sein müssen.

    • @Tuff:

      Das tut mir echt leid, dass dir auch sowas widerfahren ist, aber eine Anzeige zu machen, ist echt wichtig. Und ja, vielleicht trifft man auf taube Ohren und dumme Sprüche, aber eine Anzeige wird aufgenommen. Auch wenn sie im eigenen Fall vielleicht keine Aussicht auf Erfolg/Aufklärung hat, so fließt sie dennoch in die Statistik mit ein und irgendwann wird deshalb der Handlungsbedarf so groß, das politisch vielleicht doch mal was passiert. Ich weiß, es sind viele "vielleichts", aber nichts tun und alles unter den Teppich zu kehren, ist auch keine Option. Es ist immer besser, die Dinge öffentlich zu machen, nur dann werden sie sichtbar.

    • @Tuff:

      Genauso wie diese Art sexuleller Belästigung eine Straftat darstellt, genaus ist es eine Straftat nach dem STGB, wenn Polizei oder Staatsanwaltschaft ihre Arbeit verweigern. Das ganze nennt man Strafvereitlung im Amt.



      Man muss sich wehren, auch gegen faule und untätige Behörden.

      • @Cantor:

        Das Problem sind nicht nur faule und untätige Behörden.

        Anonyme Anrufer*innen sind nur mit einer Fangschaltung ermittelbar.

        Die Rufnummer kann nicht nachträglich ermittelt werden.

        Die Fangschaltung ist zeitlich begrenzt und kostet Geld (1-200€).

        Die betroffene Person muss diese bei ihrem Mobilfunkanbieter in Auftrag geben.

        Im Anschluss muss diese dann hoffen, dass es einen erneuten Anruf gibt, sonst bleibt diese auf den Kosten sitzen.

        Ich habe bei mehreren Mobilfunkanbietern gearbeitet, diese Konditionen sorgen dafür, dass die Betroffenen praktisch immer darauf verzichten.

        Diesen bleibt dann nichts anderes übrig als eine andere Rufnummer zu wählen.

        Diese Information fehlt auch in dem Artikel.

        • @sociajizzm:

          Die Aussage ist m.E. falsch. Dies kosten für einen „Auftrag zur Feststellung ankommender Telefonverbindungen“ liegen für 14 Tage für den Mobilfunk bei unter 200 Euro, bei den beiden großen Mobilfunkanbietern.

          Auch können lt. BfDI die Strafverfolgungsbehörden die Nummer rückwirkend ermitteln.

          „Eine in die Vergangenheit gerichtete Fangschaltung, etwa im Anschluss an eine telefonische Bedrohung, ist nicht zulässig. Weist die in der Vergangenheit liegende Bedrohung allerdings Ansatzpunkte für die Aufnahme von Strafverfolgungsmaßnahmen auf, kann sich der Betroffene an die Polizei wenden, die dann nach den Vorschriften der Strafprozessordnung die fraglichen Daten ermittelt.“

          • @DanPan:

            Das ist bloße Theorie!



            Die allermeisten Polizisten haben nur wenig Ahnung - halt nur durch das, was sie selbst im Internet so tun oder lassen - von digitaler Kriminalität. Da erhält man dann beim Anzeigen so Kommentare wie „da kann man eh nichts machen, die findet man ja nie“ und den Hinweis, auf so eine Anzeige besser zu verzichten. Besteht man darauf, erhält man spätestens nach zwei Wochen einen Brief der Staatsanwaltschaft, dass das Verfahren eingestellt wurde, da der Täter nicht zu ermitteln ist. Das war’s dann.



            Selbst so bei digitalem Datenmissbrauch schon erlebt und auch oft schon so oder ähnlich von Dritten gehört.

            • @Tiene Wiecherts:

              "Besteht man darauf, erhält man spätestens nach zwei Wochen einen Brief der Staatsanwaltschaft, dass das Verfahren eingestellt wurde, da der Täter nicht zu ermitteln ist."

              Oder der Täter wird ermittelt, kriegt eine Anzeige, und über die Verfahrensunterlagen deinen Namen raus, und steht dann eines Tags vor deiner Wohnung. Ist auch nicht so selten, wie es sein sollte.