Beirat für Rom*nja und Sinti*zze: Krass, dass es den jetzt erst gibt
Der Beirat für Angelegenheiten der Rom*nja und Sinti*zze ist frisch gewählt. Er wird zukünftig in Berlin offiziell mitreden und mitgestalten.

A m Tisch der Mächtigen in Berlin ist ein neuer Platz fest besetzt. Der nun erstmals eingesetzte und frisch gewählte Beirat für Angelegenheiten der Rom*nja und Sinti*zze wird zukünftig offiziell mitreden und mitgestalten. Er soll den Senat beraten bei „Fragen der Partizipation und gleichberechtigten Teilhabe von Rom*nja und Sinti*zze“. Er soll auf Diskriminierung hinweisen und „daran arbeiten, sie zu überwinden“.
Im Beirat sitzen 6 gewählte Mitglieder sowie Beauftragte aus der Verwaltung. Die Wahl und seine Organisation sind gesetzlich festgelegt. Damit verpflichtet sich Berlin grundlegend, Vertreter*innen der Minderheit frühzeitig und über geregelte Verfahren in die Politik einzubeziehen. Rom*nja und Sinti*zze sind eine der vier offiziell anerkannten Minderheiten in der Bundesrepublik – neben Dän*innen, Fries*innen und Sorb*innen. Zusätzlich zu dem Beirat wird Berlin im kommenden Jahr auch eine Ansprechperson für Belange von Rom*nja und Sinti*zze einsetzen.
Nun könnte eine Frage dazu sein: Braucht es das, ein weiteres irgendwie ja spezialisiertes Gremium und dann noch eine weitere Ansprechperson? Wo es doch bereits Anlaufstellen und Verantwortliche gibt für Antidiskriminierung und für Partizipation, für Integration und für Vielfalt?
Der Beirat wurde nicht einfach geschenkt
Für eine Antwort auf diese Frage ist es wichtig zu wissen, dass der Senat der Minderheit diesen Beirat nicht plötzlich geschenkt hat. Dass es ihn nun gibt, ist der langjährigen Arbeit von Selbstorganisationen und Vereinen aus der Community zu verdanken. Zum Großteil ehrenamtlicher, oft unbezahlter Arbeit. Die Beharrlichkeit der Engagierten zeigt bereits, dass es ihnen ein wichtiges Anliegen ist und kein „Nett, dass es das jetzt auch gibt“-Gremium.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Und inhaltlich? Da haben sich die wichtigsten Organisationen von Berlins Sinti*zze und Rom*nja in den vergangen Jahren mehrfach und lautstark zu den S-Bahn-Plänen des Senats positioniert. Der plant mit dem Bund und der Bahn eine Trasse, die den Hauptbahnhof in einer Nord-Süd-Verbindung mit dem S-Bahn-Ring verbinden soll. Dadurch müssen Bäume gefällt werden im direkten Umfeld des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas.
Der Protest aus der Community konnte abwenden, dass die Bauarbeiten das Denkmal weit schwerwiegender beschädigen. Aber allein, dass langfristiges Absperren und sogar ein (teilweiser) Abbau im Raum stand, zeigt, dass der Senat dieses Mahnmal überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Es hätte auf jeden Fall geholfen, wenn hier Vertreter*innen der Minderheit frühzeitig in die Planungen einbezogen worden wären.
Auf Bundesebene gibt es seit 2022 einen Antiziganismusbeauftragten. Einen mit dem Berliner vergleichbaren Beirat gibt es bundesweit bisher nur in Baden-Württemberg.
Noch 2018 hatte Berlin im Zusammenhang mit dem Aktionsplan Roma beschlossen, ein*e Vertreter*in der Minderheit in den Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen aufzunehmen. Doch das genau zeigt auch eins der Probleme. Rom*nja und Sinti*zze gelten als nationale Minderheit, eben weil sie seit mindestens dem 14. Jahrhundert in Europa und im Gebiet der heutigen Bundesrepublik leben. Ihre Belange in den Bereich von Migration und Integration zu schieben, wird dem nicht gerecht – und offenbart gleichzeitig, wie stark die Dominanzgesellschaft sie marginalisiert. Ihre Interessen beachtet sie oft gar nicht – oder viel zu spät, wie nicht zuletzt Berlins Umgang mit dem Denkmal zeigt.
Die Frage muss also nicht lauten: Warum gibt es für sie nun einen eigenen Beirat? Sie ist vielmehr: Warum gibt es diesen Beirat erst jetzt – im Dezember 2024.
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