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„Beim WWF ist das Bündnis mit der Industrie genetisch“

Naturschutz oder Business Der Bremer Journalist und Autor Wilfried Huismann setzt sich mit Umweltorganisationen auseinander. Seine Kritik am BUND hat er in einem Tatort-Drehbuch verarbeitet, wegen seines „Schwarzbuch WWF“kam es zu einem jahrelangen Rechtsstreit, der schließlich beigelegt wurde – Huismann musste 21 Passagen ändern. Der Kern seiner Kritik, sagt er, bleibe davon aber unberührt

Foto: dpa
Wilfried Huismann

65, ist Journalist, Autor und Filmemacher und dreifacher Träger des Grimme-Preises. Er war früher Entwicklungshelfer und lebt heute in Bremen.

Interview Lena Kaiser und Jean-Philipp Baeck

taz: Herr Huismann, warum arbeiten Sie sich als Journalist an Umweltorganisationen wie dem WWF ab, zu dem Sie ein „Schwarzbuch“ veröffentlicht haben?

Wilfried Huismann: Das habe ich eigentlich nur einmal gemacht – mit nachhaltigen Folgen. Später habe ich ein Tatort-Drehbuch mitgeschrieben – „Wer Wind erntet, sät Sturm“ – da ging es im Hintergrund um Windkrafträder in der Nordsee und um die Tatsache, dass Naturschutzorganisationen wie der BUND daran verdienen, wenn sie auf Klagen verzichten.

Was hat eine Umweltorganisation davon, wenn sie auf eine Klage verzichtet?

Pro Windpark fast eine Million Euro, abgesehen davon, dass die meisten Naturschützer Offshore-Windkraft für das kleinere Übel halten, obwohl die riesigen Rotoren tausende Vögel schreddern. Aber der Tatort ist ja Fiktion. Auch wenn die Idee in der Realität geboren ist.

Würden Sie so weit gehen, solche Organisationen als käuflich zu bezeichnen?

Wenn eine Organisation wie der BUND auf eine Klage gegen Offshore-Windparks in der Nordsee verzichtet, kann es eine Rolle spielen, ob sie für diesen Verzicht 800.000 Euro bekommt oder nicht.

Wo war das der Fall?

Beim Offshore-Park Butendiek in der Nordsee zum Beispiel. Es ist aber mehrfach zu solchen Einigungen gekommen. Das ist eine Verführung, die existiert und wo Naturschutzorganisationen auf einem schmalen Grat gehen

Wegen Ihrer Aussagen im „Schwarzbuch WWF“ kam es zum Rechtsstreit. Wie kamen Sie auf den WWF?

Das war ein Zufall. Als ich 2010 für den Film „Lachsfieber“ in Chile war, habe ich gesehen, dass dort über hundert Millionen Lachse verendet waren – wegen katastrophaler Haltungsbedingungen und der Verseuchung der Fjorde durch die Aquakulturen. Die Firma Marine Harvest aus Norwegen, die das Geschäft betrieb, hatte gerade ein Bündnis mit dem WWF und ein gemeinsames grünes Siegel für Aquakultur beschlossen. Dass der WWF für solche Kooperationen mit der Industrie Geld bekommt, war mir bis dahin vollkommen neu. Vorher kannte ich nur lauter nette WWF-Leute, die sich für tolle Projekte wie den Schutz des Wattenmeeres einsetzen.

Der WWF steht seinem Selbstverständnis nach für einen kooperativen Ansatz, dafür gibt er seinen Namen her. Was stört Sie daran?

Solange das ein Dialog auf Augenhöhe ist, den Umwelt- und Naturschutzorganisationen mit der Industrie führen, finde ich das vollkommen in Ordnung. Aber sobald Abhängigkeiten finanzieller Art entstehen, die dann auch noch vertuscht werden, besteht die Gefahr, dass Umweltschutzorganisationen die Umwelt-Verbrechen der Industrie grün waschen. Das sehe ich als vorherrschende Tendenz beim WWF. Wobei der nach wie vor auch gute Projekte macht, muss er auch, sonst wäre er für die Industrie gar nicht mehr attraktiv als Grünwasch-Partner.

Es geht also nicht um die gute Sache?

Meine Hauptkritik gilt dem Geschäftsmodell, mit grünen Siegeln das Image der Industrie- und Energieriesen und der Agrarkonzerne wie Cargill und Monsanto aufzupolieren, die zum Beispiel weltweit die letzten verbleibenden Regenwälder vernichten. Beim WWF ist das Bündnis mit der Industrie genetisch. Er wurde ja nicht nur von prominenten Naturschützern gegründet, sondern auch von der Ölindustrie: Shell und British Petroleum waren von Anfang an dabei – und haben bis heute Direktoren im Aufsichtsrat von WWF International. Ich würde sogar sagen, dass der WWF ein Werkzeug derjenigen extraktiven Konzerne auf der Erde ist, die die Umwelt am meisten schädigen.

Ist die fiktive Auseinandersetzung im Tatort ein Weg, einem Rechtsstreit wie dem mit dem WWF aus dem Weg zu gehen?

Auch beim Tatort kann man rechtliche Probleme bekommen. Aber wir haben die Zusammenhänge verfremdet , die Geschichte ist frei erfunden und wirkt trotzdem aus guten Gründen glaubhaft. Bei einer Dokumentation muss man aber immer Ross und Reiter nennen – und man muss seine Behauptungen beweisen. Dann kann der WWF natürlich sagen, die Beweise sind zu dünn. Deswegen hat es mit dem WWF vier Jahre lang Prozesse gegeben.

Zwischen Ihnen und dem WWF?

Zwischen mir und dem WWF, dem WDR und dem WWF, und dem Gütersloher Verlagshaus und dem WWF.

2012 haben Sie sich mit dem WWF geeinigt. Der zeigte sich zufrieden. Sind Sie eingeknickt?

Nein. Bei einem Vergleich ist es immer so, dass beide Seiten etwas davon haben müssen. Für mich als Autor war wichtig, dass an der inhaltlichen Kritik am WWF nichts verloren geht. Wenn das möglich gewesen wäre, dann hätte der WWF auch ein gerichtliches Verbot einzelner Aussagen durchsetzen können.

Zumindest mussten Sie 21 Passagen ändern.

Für den WWF war es etwa wichtig, dass ich nicht pauschal behaupte, dass er mit dem Wilmar-Konzern, der der größte Regenwald-Vernichter Indonesiens ist, kooperiert. Stattdessen steht jetzt drin, dass er einen Beratervertrag hatte mit diesem Unternehmen, von 2007 bis 2009. Und es ist für mich kein Problem, so eine Formulierung dann zu konkretisieren. Gleichzeitig steht weiterhin in dem Buch, dass der WWF generell mit der ganzen Branche der Palmöl-Industrie kooperiert, die von Natur aus den Regenwald beseitigt, weil die Palmen ja irgendwo wachsen müssen – und mit vielen anderen Unternehmen auch, auf der Basis von honorierten Beraterverträgen. Alleine die HSBC-Bank, die weltweit die industriellen Palmöl-Plantagen mit Krediten füttert, hat für ein WWF-Projekt 100 Millionen springen lassen. Und ist natürlich auch Mitglied in dem vom WWF mitgegründeten „Green Palm“-Bündnis des Round Table On Sustainable Palm Oil. Was für ein Zufall!

Sie mussten die Sicht des WWF hinzufügen …

Nicht generell, und mir war es ganz Recht, die Sichtweise des WWF im Buch zu haben. Ich hatte ja die ganze Recherche-Zeit über vergeblich versucht, ein offizielles Interview mit dem WWF-Hauptquartier zu bekommen. Außerdem habe ich natürlich im Detail auch Fehler gemacht, die jetzt korrigiert sind. Die Grundaussagen sind nicht verändert und der WWF muss damit nun leben. Der WWF darf als Folge des Vergleichs nicht mehr juristisch gegen das Buch vorgehen. Er kann nicht mehr gegen meine These angehen, dass er an der Vertreibung von indigenen Völkern beteiligt ist. Oder, dass die Naturschutzgebiete, die mit Hilfe des WWF in Afrika entstehen, gleichzeitig auch Jagdreviere für Großwildjäger aus dem Westen sind, die viel Geld haben und da rumballern. So wie König Juan Carlos von Spanien. Der Vergleich hat es letztlich auch ermöglicht, dass das Schwarzbuch jetzt in einer japanischen Fassung erschienen ist und als „Pandaleaks“ auch auf englisch existiert.

Immerhin ist der nicht mehr Ehrenpräsident des spanischen WWF, seit er sich vor einem toten Elefanten hat fotografieren lassen.

Den armen alten König, den haben sie als Bauernopfer geopfert. Aber er ist beileibe nicht der Einzige: Es sind riesige Schutzgebiete, die eingerichtet werden, zum Teil auch mit deutschen Entwicklungshilfe-Geldern. Der ehemalige Entwicklungsminister Niebel hatte ein sehr enges Verhältnis zum WWF und förderte etwa diesen transnationalen KAZA-Park im südlichen Afrika, der als das größte Elefanten-Schutzgebiet der Welt gilt. Aber: Es ist auch eines der größten Elefanten-Jagdgebiete und Löwen-Jagdgebiete. Leoparden kann man da auch jagen, sogar mit Hetzjagden mit Hunden. Das alles verschweigt der WWF den armen Spendern, die ihren letzten Groschen für ihn ausgeben, in dem Irrglauben, damit würden die letzten Elefanten gerettet. Mir geht es um diese Unehrlichkeit in der ganzen PR des WWF.

Welcher Umweltorganisation würden Sie denn ein Unbedenklichkeits-Siegel geben?

Grundsätzlich bin ich sehr skeptisch bei diesen globalen Umweltkonzernen, das sind ja selber Globalisierungs-Ergebnisse. Die Arbeit kleinerer Gruppen ist normalerweise sehr viel effizienter. Ich habe zum Beispiel durch meine Reise durch Indonesien gesehen, dass eine solche kleine Gruppe wie „Rettet den Regenwald“ aus Hamburg, mit nur ein paar Hauptamtlichen, durch gezielte Unterstützung von indonesischen Aktivisten sehr viel erreicht. Etwa Anwälte bezahlt, die enteignete Bauern unterstützen. Das ist für die politische Auseinandersetzung viel wichtiger, als wenn der WWF mit Riesen-Trara und Krombacher-Unterstützung in irgendeinem Nationalpark ein paar Hektar renaturiert.

Robin Wood ist gerade von Bremen nach Hamburg gezogen, der WWF ist schon seit zehn Jahren hier. Wofür steht dieser Umzug nach Hamburg?

Ich glaube, das liegt einfach daran, dass Hamburg durch die vielen Medien und die Infrastruktur für solche Organisationen attraktiv ist.

Ist die starke Konzentration auch Zeichen einer Mainstreamisierung?

Keine Ahnung. Aber man muss differenzieren. Bei Robin Wood handelt es sich immer noch um eine Organisation, die aus Überzeugung Widerstand leistet. Beim WWF habe ich mit Insidern gesprochen, die beklagt haben, dass es in der Führungsstruktur des WWF kaum noch Naturschützer gibt. Die meisten kommen aus der PR oder der Wirtschaft. WWF-Leute verdienen recht gut, das sind weltweit fast 5.000, die müssen alle ernährt werden. Und bei der Entscheidung über Kampagnen geht es vor allem um kommerzielle Kriterien: Eine Kampagne für einen Blauwal bringt immer mehr, als die für einen Grasfrosch in Afrika, obwohl der vielleicht viel mehr bedroht ist. Ich weiß oft gar nicht mehr, ob das eine Naturschutzorganisation ist, oder ein Konzern, der die Naturliebe der Menschen geschickt vermarktet.

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