Bei Anhörung im Europaparlament: Wenn China das Internet abdreht
Als der aus Shanghai zugeschaltete Chef der europäischen Handelskammer über Menschenrechte in China sprechen will, bricht die Internetverbindung ab.
Als Experte aus Shanghai zugeschaltet war Jörg Wuttke, Leiter der europäischen Handelskammer in China. Er kann gut mit den KP-Kadern, doch redet er auch Tacheles. Er spricht über Chinas Versprechen der Klimaneutralität wie des Schutzes geistigen Eigentums. Doch als er sagt „Und nun zur Menschenrechtsproblematik …“, wird er prompt vom Internet abgeschnitten. Alle Verbindungsversuche scheitern.
Wer nicht mit Chinas Sicherheitsapparat vertraut ist, mag das für einen ärgerlichen Zufall halten. Auch viele EU-Abgeordnete scheinen zunächst eine instabile WLAN-Verbindung zu vermuten.
Als Korrespondent in Peking hingegen glaubt man längst an keine Zufälle mehr. Denn dafür häufen sie sich zu stark: Just zehn Sekunden vor der geplanten TV-Schalte bricht die Verbindung ab, ausgerechnet während wichtiger Parteitreffen werden alle VPN-Tunnel trockengelegt – jene Software, die man benötigt, um in China gesperrte Webseiten wie Google, Twitter oder die New York Times aufzurufen.
Chinas Regime führt ungeniert seine Zensur vor – live
Unter dem jetzigen Parteichef Xi Jinping gibt sich Peking nicht mal mehr die Mühe, die massive Unterdrückung der Meinungsfreiheit zu tarnen. Doch dass Chinas Regime nun auch im Europapaparlament sein wahres Gesicht so offen präsentiert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
„Mir ist das noch nie passiert“, sagt der mundtot gemachte Handelskammerpräsident Wuttke am Dienstag. „Es zeigt anscheinend die gestiegene Nervosität – doch das live den Abgeordneten vorzuführen, war sicher kontraproduktiv.“
Denn die Volksvertreter dürften sich nun erst recht fragen, ob man mit China wirklich uneingeschränkt Geschäfte machen sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?