Behörden lassen Naturschutz warten: Kleiner Fluss, große Blamage

Der Fluss Düte bei Osnabrück müsste nach EU-Recht als FFH-Gebiet ausgewiesen und geschützt werden. Doch die Behörden vor Ort bremsen seit Jahren.

Ein Fluss mit viel Bewuchs an den Ufern.

Die Düte bei Osnabrück braucht konsequenten Schutz. Aber genau hier hakt es Foto: Lothar Hinz/Zoonar/Imago

Osnabrück taz | Wer an der Düte entlanggeht, dem kleinen Flüsschen nahe Osnabrück, durch Feuchtwiesen und Auwälder, ahnt nicht, dass sich an seinem Schutzstatus seit Jahrzehnten die Geister scheiden.

Sicher, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz hat Ende 2021 das derzeit auf 290 Hektar Größe projektierte Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH) „Düte mit Nebenbächen“ durch eine „Einstweilige Sicherstellung“ geschützt, 2023 hat er diese Sicherstellung bis Ende 2025 verlängert.

Aber seine dauerhafte Ausweisung gemäß Bundesnaturschutzgesetz und EU-FFH-Richtlinie steht bis heute aus. So gehört es weiterhin zu den Gebieten, wegen deren Nichtausweisung der Europäische Gerichtshof Deutschland 2023 in einem Vertragsverletzungsverfahren verurteilt hat. Es ist eines der allerletzten, die noch fehlen – von rund 4.600.

Matthias Schreiber, Vorstandsmitglied des „Umweltforums Osnabrücker Land“, ist empört. Es gebe einen „allgemeinen Unwillen, europäisches Naturschutzrecht konsequent umzusetzen“, sagt er, die Entscheidungen würden zwischen den Verwaltungsebenen hin- und hergeschoben. Schreiber, bitter: „Solche Zustände erklären, warum es mit dem Naturschutz in Deutschland so katastrophal läuft!“

Stadt und Landkreis Osnabrück teilen sich die Zuständigkeit für „Düte mit Nebenbächen“. In einer Mitteilungsvorlage des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt der Stadt heißt es Anfang Juni 2024, es sei „übergeordneter und grundsätzlicher Anspruch beider Seiten“, die Verordnungsinhalte „für ein Naturschutzgebiet“ auszugestalten. Mitte September 2024 wollte der Ausschuss für Umwelt und Energie des Landkreises nachziehen.

Besonders brisant ist die Frage, ob die EU-Kommission aufgrund der Düte-Verzögerung ein neues Verfahren einleitet

Doch es kam anders. Die Mehrheit des Ausschusses unter Federführung der CDU beschloss gegen SPD und Grüne ein Landschaftsschutzgebiet, denn, sagt Schreiber, „das wurde den örtlichen Landwirten jahrelang als nur halb so schlimm kommuniziert“. Der Unterschied: Beim Naturschutzgebiet greifen großflächige Pauschalverbote, beim Landschaftsschutzgebiet muss kleinteilig entschieden werden, was im Einzelnen wo unter Schutz steht.

Eine Landschaftsschutzgebiets-Verordnung müsse zwar die gleichen Schutzstandards sicherstellen, erforderte aber „einen hohen Mehraufwand“, sagt Schreiber. Da die Stadt Osnabrück für ihren Teil des Gebietes den Naturschutzgebietsstatus anstrebe, sei zu einem „lückenlosen Schutz“ ein „erheblicher Abstimmungsaufwand erforderlich“.

Das Verfahren zur Düte läuft schon fast 20 Jahre; 2005 wurde das Gebiet an die EU gemeldet. Doch bis heute sind seine Grenzen nicht endgültig bestimmt. „Die gegenwärtig vorliegende Abgrenzung ist nicht rechtssicher in eine Schutzgebietsverordnung umsetzbar“, schreibt Burkhard Riepenhoff, Sprecher des Landkreises Osnabrück. „Die Grenzen orientieren sich in vielen Fällen nicht an naturräumlichen und/oder nutzungsorientierten Gegebenheiten.“ Der Landkreis dränge das Land Niedersachsen seit Jahren, „eine naturschutzfachlich umsetzungsfähige Abgrenzung zu erarbeiten“ und mit der EU abzustimmen. Derzeit ist „Düte mit Nebenbächen“ so unzureichend projektiert, dass teils noch nicht einmal der Flussverlauf selber enthalten ist.

Die Frist läuft bis Ende 2025

Das alles sollte eigentlich innerhalb der Laufzeit der Einstweiligen Sicherstellung des Gebiets erfolgen – bis Ende 2025, die Frist ist nicht verlängerbar. Aber: „Die Erwartung, dass die neue Abgrenzung durch das Land rechtzeitig vor dem Auslaufen vorgelegt wird, scheint sich nach den uns aktuell vorliegenden Informationen nicht zu erfüllen“, so Riepenhoff. Um „danach nicht mit leeren Händen dazustehen“, müsse die Kreisverwaltung eine „Übergangsverordnung“ in Kraft setzen.

Schreiber fürchtet, dass es mit dem FFH-Gebiet „Düte mit Nebenbächen“ kommen könnte wie mit dem nahegelegenen FFH-Gebiet „Bäche im Artland“: Dort enthalte die Schutzverordnung einerseits sinnvolle Verbote, anderseits seien in ihr „alle Verbote praktisch wieder aufgehoben worden“. Grund für ein Normenkontrollverfahren des Umweltforums, über das der Europäische Gerichtshof Mitte Oktober entscheidet.

Besonders brisant ist die Frage, ob die EU-Kommission aufgrund der Düte-Verzögerung ein neues Verfahren einleitet, wegen Missachtung des Urteils gegen die Bundesrepublik Deutschland. Da der Schutzstatus der Düte derzeit nur „einstweilig“ ist, demnächst nur einen „Übergang“ darstellt, spreche „vieles für eine Verurteilung“, sagt Schreiber. Die ist dann bußgeldbewehrt. „Das wäre für Deutschland eine kapitale Blamage!“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.