Begräbnis von Armita Garawand: Eine Beerdigung mit Festnahmen
In Iran wird die 16-Jährige unter strengen Sicherheitsmaßnahmen beigesetzt. Trotzdem rufen Trauernde Parolen und landen in Haft.
Armita Garawand wurde unter strengen Sicherheitsmaßnahmen beigesetzt. Um ihr Grab wurde ein Gerüst aufgestellt, um Besucher*innen fernzuhalten, wie Videos zeigen. Die Trauernden riefen Protestparolen wie „Armita, ruh in Frieden“. Mindestens 15 Personen wurden Berichten zufolge inhaftiert. Vier sind mittlerweile wieder frei.
Einer der Festgenommenen ist Mohammed Garawand, ein Familienangehöriger der Schülerin. Ebenso wurden prominente Stimmen der Oppositionsbewegung bei der Beerdigung verhaftet. Die renommierte Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh, die sich derzeit eigentlich per Kaution im Hafturlaub befindet, wurde Berichten zufolge geschlagen und festgenommen. Aktuell soll sie sich in Untersuchungshaft befinden. Ihr Ehemann Reza Khandan bestätigte das auf der Plattform X.
Auch Manzar Zarabi wurde verhaftet; sie hatte im Jahr 2020 vier Familienangehörige beim Abschuss des ukrainischen Passagierflugzeugs PS752 durch die Revolutionsgarde der Islamischen Republik verloren und kämpft seither für Gerechtigkeit. Sie wird derzeit in der Haftanstalt Shahre Rey festgehalten.
Solidarität in Iran und International
Narges Mohammadi, die dieses Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, meldete sich am Sonntag aus dem berüchtigten Evin-Gefängnis, in dem sie aktuell inhaftiert ist, mit einem Brief zu Wort und solidarisierte sich mit Armita Garawand. „Armita Garawand, voller Lebensfreude, wurde wegen ihrer schönen Haare, die sie nicht unter dem Zwangshidschab verbergen wollte, an den Rand des Todes geschickt“, heißt es in diesem Brief.
Sie kritisierte, dass die Meldungen über Garawands Ermordung manipuliert wurden, und kündigte an, den Zwangshidschab in Gedenken an die 16-Jährige nicht mehr zu tolerieren.
Der Fall von Armita Garawand sorgt in Iran für große Empörung. Seit Wochen werden in Teheran in der Stadt Banner mit ihrem Gesicht aufgehängt, die an das Schicksal der 16-Jährigen erinnern sollen. An den Wänden wird ihr Name als Hashtag gesprüht.
Am Wochenende riefen Bewohner*innen des Teheraner Stadtteils Ekbatan Protestparolen wie „Nieder mit dem Diktator“ oder „Nieder mit dem Kinder tötenden Regime“, um sich mit Garawand zu solidarisieren. Am Sonntag wurden bei Protesten in der Provinz Ilam im Westen Irans zwei Personen inhaftiert.
Auch international gibt es Protest und Kritik an Irans Regierung, auch von der deutschen Bundesregierung. Außenministerin Annalena Baerbock kommentierte auf der Plattform X: „Die Brutalität des Regimes hat ihre Zukunft geraubt.“ Ähnlich bewerteten auch Bundestagsabgeordnete den Vorfall, wie Norbert Röttgen (CDU), der im Auswärtigen Ausschuss sitzt. „Ein Regime, das sich nur mit Gewalt halten kann, hat keine Zukunft. Die Zukunft sind die jungen Frauen & Männer im Iran, die keine Angst mehr haben“, schrieb Röttgen auf X.
Aktivist*innen und Menschenrechtsorganisationen ziehen Parallelen zum Fall von Jina Mahsa Amini, die im September 2022 ebenfalls von der Sittenpolizei festgenommen und ins Koma geschlagen wurde. Ihr Tod löste landesweite Proteste unter der Parole „Frau, Leben, Freiheit“ aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge