Misshandlung durch Irans Sittenpolizei: Erneut Mädchen im Koma

Der Fall erinnert in vielen Punkten an den der Kurdin Jina Mahsa Amini. Nicht nur das Vorgehen der iranischen Behörden ist ähnlich.

Eine Frau richtet ihr Kopftuch.

In Iran obligatorisch: das Kopftuch (Symbolbild) Foto: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/imago

BERLIN taz | Erneut ist in Iran ein Mädchen Opfer der Sittenpolizei geworden. Mit zwei Freundinnen war die 16-jährige Armita Garawand am Sonntag gegen 7 Uhr am Teheraner Shohada-Platz in den Frauenwaggon der U-Bahn eingestiegen. Eine Agentin der Sittenpolizei forderte sie auf, ihren Hidschab aufzusetzen. Als die Schülerin sich weigerte, griff die Beamtin sie körperlich an. Garawand stürzte zu Boden und verletzte sich am Kopf, woraufhin sie blutend ohnmächtig wurde. So berichtet es unter anderem Juristen-Vereinigung Dadban. Videomaterial einer Überwachungskamera im Bahnhof zeigt, wie Garawand aus der U-Bahn getragen wird.

Die 16-Jährige, die im Koma liegen soll, wird nun im ­Fadschr-Krankenhaus in Teheran behandelt, das der iranischen Luftwaffe untersteht. Das Krankenhaus ist Berichten zufolge militärisch abgeriegelt. Nicht einmal die Eltern des Mädchens dürfen ihre Tochter besuchen.

Jegliche Kommunikation wurde eingeschränkt, nachdem ein mutmaßliches Foto Garawands, auf dem sie an medizinische Geräte angeschlossen ist, an die Öffentlichkeit gelangte. Das Foto soll von einem Familienmitglied auf Instagram veröffentlicht worden sein, bevor es gelöscht und der Name des Accounts geändert wurde. Dies konnte bislang jedoch nicht verifiziert werden. Die Telefone des Krankenhauspersonals sowie der Eltern der Schülerin wurden infolgedessen beschlagnahmt.

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Die Journalistin Maryam Lotfi, die für die reformistische Zeitung Shargh ins Krankenhaus ging, um über den Fall zu berichten, wurde am Montag nach Angaben der Zeitung festgenommen. Mittlerweile ist sie gegen Zahlung einer Kaution entlassen worden, wie ihre Schwester auf der Plattform X berichtete.

Behörden stellen den Fall anders dar

Iranische Behörden behaupten, Garawand sei wegen gesundheitlicher Probleme und niedrigen Blutdrucks ohnmächtig geworden. Auch Garawands Eltern mussten gegenüber dem staatlichen Fernsehsender Irna aussagen, dass ihre Tochter lediglich ohnmächtig geworden sei, es aber keinen Zwischenfall gegeben habe. Menschenrechtsorganisationen berichten, die Eltern seien zu den Aussagen gezwungen worden.

Ak­ti­vis­t*in­nen und zivilgesellschaftliche Organisationen fordern nun die Veröffentlichung von Videomaterial aus der U-Bahn selbst. Demnach existieren Aufnahmen, die eine Misshandlung Garawands zeigen. Die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw fordert zudem Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen und das Rote Kreuz auf, den Vorfall zu untersuchen. Auch die vom UN-Menschenrechtsrat im vergangenen Jahr eingerichtete Untersuchungskommission solle sich des Falls annehmen.

Garawands Familie stammt aus Kuhdascht in der westiranischen Provinz Luristan. In den 2000er Jahren zog die Familie in die mehrheitlich kurdische Stadt Kermanschah, bevor sie nach Teheran zog. Die 16-Jährige hat den 3. Dan im Taekwondo und malt in ihrer Freizeit.

Der Vorfall hat national und international Empörung ausgelöst. „Schon wieder kämpft eine junge Frau in Iran um ihr Leben. Allein, weil sie in der U-Bahn ihre Haare gezeigt hat. Es ist unerträglich“, schrieb die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Mittwoch.

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Der Fall erinnert an die junge Kurdin Jina Mahsa Amini, die am 13. September 2022 ebenfalls von der Teheraner Sittenpolizei festgenommen und misshandelt wurde. Auch sie lag im Koma, bevor sie am 16. September 2022 ihren Verletzungen erlag. Selbst das Vorgehen der Behörden erinnert an den Fall Amini. Die Journalistin Nilufar Hamedi, die damals als erste aus dem Krankenhaus berichtet hatte, sitzt bis heute im Teheraner Evin-Gefängnis im Frauentrakt für politische Gefangene. Ihr wird unter anderem „Kollaboration mit dem Feindesstaat USA“ vorgeworfen.

Auch Aminis Eltern waren unter Druck gesetzt worden, öffentlich der Darstellung der Behörden zuzustimmen, die damals von Tod durch Vorerkrankung sprachen. Erst einige Wochen später veröffentlichte die Journalistin Nazila Marufian ein Interview mit Aminis Vater, der von Mord durch die Sittenpolizei sprach. Marufian wurde daraufhin verhaftet.

Der Tod Aminis löste im vergangenen Jahr eine breite Protestbewegung in Iran unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ aus. Mehr als 500 Menschen wurden seither im Zusammenhang mit den Protesten getötet und mehr als 22.000 Menschen festgenommen. Mindestens sieben Protestierende wurden hingerichtet.

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