Bedrohter Studiengang in Hamburg: „Wir sind besonders“
Der Studiengang Holzwirtschaft soll nach 65 Jahren abgeschafft werden. Keine gute Idee, sagt Fachschaftsrätin Victoria Mader, denn die Ausbildung sei einmalig
taz: Frau Mader, Ihr Fachschaftsrat kämpft seit Wochen für den Erhalt des Zentrums für Holzwirtschaft. Warum ist der Studiengang unverzichtbar?
Victoria Mader: Es gibt unseren Studiengang seit 65 Jahren, und er ist besonders. Das Wort „Wirtschaft“ im Namen legt zwar nahe, dass es ein Wirtschaftsstudium ist. Es ist aber viel breiter angelegt. Da ist Forstwesen, Physik, Biologie und Chemie mit enthalten. Wir fordern den Erhalt der Studiengänge und die weitere Zusammenarbeit mit dem Thünen-Institut des Bundes, mit dem wir uns in Lohbrügge einen Campus teilen. Es gibt dort auch einen wunderbaren Garten mit Bäumen aus der ganzen Welt. Die Zusammenarbeit geht Hand in Hand.
Das Zentrum bildet für die Holzbranche aus. Das gehört doch an die Fachhochschule.
Nach dieser Logik müsste man auch zum Beispiel die Pharmazie auslagern. Aber das Argument trifft nicht zu. Menschen, die hier studieren, arbeiten später bei Umweltorganisationen oder beim Zoll, sie arbeiten im Holzhandel oder entwickeln neue Spanplatten für Möbel. Das ist nicht nur eine Branche. Der universitäre Ansatz kommt hier voll zum Tragen.
Das Zentrum für Holzwirtschaft gehört zur Fakultät Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften (MIN) und die muss sparen.
Ende Januar wurden Pläne der Biologie bekannt, das Zentrum für Holzwirtschaft mit rund 250 Stduierenden und 60 Mitarbeitern bis 2020 schließen zu wollen. Andere Bereiche des Fachs sollen geschont werden.
Uni-Präsident Dieter Lenzen bot im Februar Schlichtung an und der Wissenschaftsausschuss diskutierte am 19. April über die Schließung. Alle Parteien forderten den Erhalt der Fakultät.
47, Betriebswirtin, studiert Holzwirtschaft im 6. Semester und ist Sprecherin des Fachschaftsrates.
Wofür ist diese Breite wichtig?
Wenn beim Zoll Hölzer auftauchen und ich wissen will, ob das geschützer Palisander ist, erkenne ich das mit Hilfe der Biologie. Wenn ich wissen will, wie ein Sägewerk funktioniert, brauche ich Physik. Will ich wissen, ob ein Balken eine Belastung aushält, brauche ich Physik und Biologie. Und will ich Papier herstellen, benötige ich Chemie. Der Umgang mit Holz ist auch wichtig für das Klima. Alles Kohlenstoffdioxid, das frei wird, wird zum großen Teil von Bäumen wieder gebunden. Wenn wir Holz schlagen und es verarbeiten, ist es wichtig zu schauen, was wir in der Produktion machen und ob das Kohlenstoffdioxid wieder frei wird.
Es hieß im Wissenschaftsausschuss, dass es stattdessen einen neuen Studiengang Umweltwissenschaften geben soll.
Der Studiengang wäre sehr verwässert. Wir hatten sieben Professuren. Weil die Uni Geld sparen muss, sollen bis 2020 nur noch zwei davon erhalten werden. Das wäre nur ein kleiner Rest, mit der die Breite der jetzigen Ausbildung nicht erhalten werden könnte. Außerdem gibt es Umweltwissenschaften längst an anderen Hochschulen.
Die grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank sagte, es gebe interne Gespräche für eine Lösung an der Uni.
Dort beredet man zurzeit die eben genannte Sparlösung. Ich hoffe aber, dass hinter geschlossenen Türen auch zwischen Senat und Uni-Präsidium gesprochen wird. Was bei uns passiert, ist Ausdruck der Finanzpolitik. Weil die Uni bis 2020 nur 0,88 Prozent Steigerung bekommt, wird überall Geld knapp. Jetzt knallt es bei uns, demnächst sind andere Fächer dran.
Wäre es gut, das Zentrum an die Technische Universität (TU) Harburg zu verlagern?
Wir hätten nichts dagegen. Die Frage ist aber, ob die TU das Geld hat, das der Uni jetzt fehlt.
Sie haben demonstriert, waren im Wissenschaftsausschuss und es gibt sogar eine Petition mit 35.000 Unterstützern. Fällt Ihnen noch was ein?
Die Planungen laufen.
Man hört, der Allgemeine Studierendenausschuss plane eine Anti-Exellenz-Initiative. Machen Sie da mit?
Ich persönlich sehe die Exellenz-Initiative kritisch. Es gibt bei uns Stimmen, die sagen, wenn die Grundfinanzierung gewährleistet ist, kann man Exzellenzförderung machen. Problematisch finden wir alle, diese zu nutzen, um Löcher in der Grundfinanzierung zu stopfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter