Bedrohte Religionsfreiheit in Nicaragua: Ortega-Regime attackiert Kirche

In Nicaragua bot die Kirche der Zivilgesellschaft letzte Freiräume. Dass der Vatikan zur Repression der Kirche schweigt, stößt auf massive Kritik.

Portrait Papst Franziskus

Schweigt zu den Repressionen in Nicaragua: Papst Franziskus Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

WIEN taz | Der Papst möge sich zu den Angriffen auf die Religionsfreiheit „unter der primitiven Diktatur Ortega/Murillo“ in Nicaragua äußern. Zwei Dutzend lateinamerikanische Ex-Staatschefs unterschiedlicher Ideologien forderten dies am 17. August in einem offenen Brief an den Vatikan. Denn sie sorgen sich über die jüngsten Ereignisse in dem zentralamerikanischen Land.

Die Ex-Präsidenten von Óscar Arias aus Costa Rica bis Mauricio Macri aus Argentinien sind ungehalten über das Schweigen des Pontifex maximus. „Das Niederbrennen von Kirchen und die wüste Zerstörung von Bildnissen des katholischen Ritus“ ziele auf die Vernichtung der sozialen und menschlichen Basis. Es erinnere an die Bücherverbrennungen in Nazideutschland.

Die Attacken des Regimes von Daniel Ortega gegen die katholische Kirche, zu der sich die meisten Bewohner Nicaraguas bekennen, begannen vor einem halben Jahr. Im März wurde der päpstliche Nuntius Waldemar Stanisław Sommertag zur unerwünschten Person erklärt.

Anfang Juli sind dann 18 Missionarinnen vom Orden der Mutter Theresa ausgewiesen worden. Der Ableger ihre Ordensgemeinschaft in Nicaragua wurde aufgelöst, weil er sich nicht als „ausländischer Agent“ registriert hatte.

Mehr als 1.500 NGOs verboten

Seit Jahresbeginn sind in Nicaragua mehr als 1.500 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unter demselben Vorwurf verboten worden, darunter wichtige Umwelt-, Menschenrechts-, Frauen- und Kulturorganisationen.

Betroffene berichten, dass es ihnen im Innenministerium so gut wie unmöglich gemacht wurde, ihre Unterlagen zeitgerecht einzureichen. Seitdem gab es zivilgesellschaftliche Freiräume allenfalls noch im Rahmen religiöser Betätigung.

Doch am 1. August konnten schockierte Gläubige live auf Facebook verfolgen, wie die Polizei in das Pfarrhaus der Stadt Sébaco eindrang. Dort befanden sich die Installa­tio­nen des katholischen Senders. An dem Tag wurden sieben von der Diözese Matagalpa betriebene Radiostationen gewaltsam geschlossen.

Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa und einer der schärfsten Kritiker des diktatorischen Regimes, wurde bald von der Polizei daran gehindert, die Messe in der Kathedrale der Stadt zu lesen. Gemeinsam mit sechs Priestern sitzt er seitdem im Hausarrest unter Bewachung. Ihnen wird vorgeworfen, „gewalttätige Gruppen“ organisiert zu haben, die „die Regierung destabilisieren“ wollten.

Die Opposition ist bereits ausgeschaltet

Ende 2020 hatte Ortega Gesetze durch das Parlament peitschen lassen, die der Kriminalisierung oppositioneller Äußerungen dienen. Vor den Präsidentschaftswahlen im November 2021 hatte er praktisch alle potenziellen Gegenkandidaten und Oppositionsführer verhaften lassen. Die meisten sind inzwischen zu hohen Haftstrafen verurteilt und werden unter unmenschlichen Bedingungen in den Kerkern des Regimes gequält.

Das könnte auch dem Priester Óscar Danilo Benavidez aus der entlegenen Berggemeinde Mulukukú blühen. Er wurde letzten Sonntag festgenommen. Laut Innenministerium sei der Staat „Opfer“ und fühle sich vom Gottesmann „beleidigt“. Ein konkretes Delikt nennt der Haftbefehl aber nicht. Doch nach einer Strafprozessreform haben die Behörden dafür jetzt 90 Tage statt bisher 48 Stunden Zeit.

Der bekannte Journalist und Lateinamerikaexperte ­Andrés Oppenheimer fragte sich kürzlich im Nuevo Herald von ­Miami, was skandalöser sei: die Attacken des Ortega-Re­gimes gegen die Kirche „oder das totale Schweigen von Papst Franziskus über diese Angriffe auf seine Leute“.

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