Jahrestag der Revolution in Nicaragua: Revolutionäre in Isolationshaft

Präsident Daniel Ortega feiert den 43. Jahrestag der sandinistischen Revolution von 1979 als Diktator. Einstige Mitstreiter sitzen in seinen Kerkern.

Daniel Ortega winkt aus einem Fahrzeug

Nicaraguas Präsident Daniel Ortega winkt seinen Anhängern zu Foto: Maynor valenzuela/reuters

WIEN taz | „Welchen Dialog kann es mit dem Teufel geben?“ Mit diesem Zitat des argentinisch-kubanischen Revolutionärs Che Guevara begründete Daniel Ortega die Selbstisolierung seines Regimes. Bei seiner Festansprache zum 43. Jahrestag der sandinistischen Revolution von 1979 prügelte der nicaraguanische Staatschef einmal mehr auf die USA ein, deren imperialistischer Politik er alle Übel der Welt zuschrieb.

„Den Yankees, dem Imperialismus kann man nicht über den Weg trauen“. Man würde zwar gern verhandeln, aber es sei unmöglich. Informierte erkannten darin eine Anspielung auf die Geheimdiplomatie des Ortega-Sohns Laureano in Washington, die nach dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine von nicaraguanischer Seite abrupt abgebrochen wurde.

Anders als in Zeiten, da noch jubelnde Massen zum Festakt geströmt waren, fand die Feier nach Einbruch der Dunkelheit auf dem relativ kleinen Revolutionsplatz statt, der nur mit zwangsverpflichteten Staatsangestellten gefüllt werden konnte. Als einziger ausländischer Regierungschef gab sich Ralph Gonsalves, Ministerpräsident des karibischen Zwergstaats St. Vincent and the Grenadines, her. Zur Belohnung wurde er mit dem Sandino-Orden dekoriert.

Ortega hat zuletzt auf dem Weg vom autoritären Staat zur offenen Diktatur eine weitere Etappe zurückgelegt. Vor wenigen Tagen ließ er sieben der letzten oppositionellen Bürgermeister durch Parteileute ersetzen. Die Begründung, dass deren Partei Bürger für die Freiheit (CxL) als staatsfeindlich aufgelöst worden sei, findet keine Grundlage in der Verfassung.

Zunehmend geknebelt wird auch die Zivilgesellschaft. Seit Jahresbeginn wurden fast 800 NGOs, die ausländische Finanzierung erhalten, als „ausländische Agenten“ verboten. Darunter praktisch alle Menschenrechts-, Umwelt- und Frauenorganisationen aber auch entwicklungspolitisch engagierte Organisationen aus Europa wie medico international.

Politische Arbeit ist in Nicaragua schon lange nicht mehr möglich. Vor der Wahlfarce vom November wurden fast alle möglichen Gegenkandidaten und Oppositionsführer sowie prominente Journalisten verhaftet. Viele von ihnen wurden inzwischen nach eigens geschaffenen Gummigesetzen wegen „Verletzung der nationalen Souveränität“ zu 8 bis 14 Jahren Kerker verurteilt.

Ortegas ehemaliger Weggefährte Hugo Torres ist schon im Februar an den Haftbedingungen gestorben. Der ehemalige Vizeaußenminister Víctor Hugo Tinoco wurde zum Sterben in den Hausarrest entlassen.

Mit ausgewählter Grausamkeit wird auch die ehemalige Heldin der Revolution und spätere Gesundheitsministerin Dora María Téllez gequält. Seit mehr als 400 Tagen ist sie bei völliger Dunkelheit in eine Einzelzelle gesperrt und konnte seither nur achtmal Besuch von Angehörigen empfangen. Die Angehörigen wollen jetzt mit dem Slogan „Sei menschlich!“ auf das Schicksal der politischen Gefangenen aufmerksam machen und deren Freilassung durch­setzen.

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