Bearbeitung von Asylanträgen: Asylverfahren dauern so lange wie seit 2017 nicht mehr
Eigentlich wollen die Länder die Asylverfahren beschleunigen. Doch neue Zahlen zeigen, dass die Dauer eher steigt und im Schnitt bei neun Monaten liegt.
Demnach dauerte die Bearbeitung der Anträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im vergangenen Jahr so lang wie seit 2017 nicht mehr. Damals vergingen von der Antragstellung bis zum Bescheid 10,7 Monate. 2023 warteten die Antragsteller durchschnittlich 6,8 Monate auf eine Entscheidung.
Besonders lange mussten sich im vergangenen Jahr nach Angaben der Bundesregierung Antragsteller aus Togo, Gambia und Nigeria gedulden. Sie warteten jeweils mehr als 20 Monate auf ihren Asylbescheid. Doch auch Asylbewerber aus den Palästinensergebieten und dem Bürgerkriegsland Sudan erhielten erst nach durchschnittlich rund 15 Monaten einen – meist positiven – Bescheid.
Sehr schnell ging es dagegen, wenn jemand aus dem Kosovo oder aus Moldau vorsprach. Beide Länder gelten als sogenannte sichere Herkunftsstaaten. Hier dauerte es im Schnitt nur etwas über einen Monat, bis der Bescheid da war.
Fast alle Menschen aus dem Sudan erhielten Schutz
Für die 960 abgeschlossenen Asylverfahren von Sudanesen im vergangenen Jahr gibt die Bundesregierung eine Schutzquote von 99 Prozent an. In den 433 entschiedenen Verfahren, die Menschen aus den palästinensischen Gebieten betrafen, wurde in knapp 82 Prozent der Fälle ein Schutz zuerkannt.
Bei der Verfahrensdauer von palästinensischen Antragstellern ist allerdings zu berücksichtigen, dass über Anträge von Menschen aus dem Gazastreifen wegen der volatilen Lage in dem vom Krieg stark zerstörten Gebiet seit dem 9. Januar 2024 nicht entschieden wird.
Mehrere europäische Staaten, darunter auch Deutschland, hatten nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad am 8. Dezember Entscheidungen über Asylverfahren von Menschen aus Syrien ausgesetzt. Syrien war im vergangenen Jahr mit rund 33 Prozent aller Erstanträge das Hauptherkunftsland von Asylbewerbern in Deutschland.
Die Bundesregierung erklärt die insgesamt längere Verfahrensdauer damit, dass sich das Bamf aktuell verstärkt auf den „Rückstandsabbau von anhängigen Verfahren mit hoher Liegezeit“ fokussiere. Tatsächlich war die Zahl der Asylbewerber 2023 stark gestiegen. Mit rund 329.000 Erstanträgen war sie um rund 51 Prozent höher als 2022. Im vergangenen Jahr gab es dann einen Rückgang um etwa 30 Prozent auf rund 230.000 Asylerstanträge.
Widerrufsverfahren dauern besonders lang
Nicht berücksichtigt sind in der Bamf-Statistik zur Dauer der Asylverfahren sogenannte Widerrufsverfahren. Die dauern oft besonders lang und stehen beispielsweise dann an, wenn sich die Lage im Herkunftsland grundlegend geändert hat. Hinzu kommen Rücknahmeverfahren, die allerdings nur dann anstehen, wenn Hinweise auftauchen, dass jemandem zu Unrecht Schutz gewährt wurde, etwa bei falschen Angaben zur Identität.
„Die Politik muss eine Lösung finden, um aufwendige Widerrufsverfahren bei anerkannten syrischen Geflüchteten möglichst zu vermeiden“, sagt Clara Bünger, Innenpolitikerin der Linken. Schließlich sei das Bamf jetzt schon überfordert. „Hunderttausende Widerrufsprüfungen wären für die geflüchteten Menschen eine riesige Belastung“ und für die Behörde kaum zu bewältigen.
Im vergangenen Jahr traf das Bundesamt in 52.613 Prüfverfahren Entscheidungen. Zu einem Widerruf beziehungsweise einer Rücknahme des Schutzstatus kam es in rund vier Prozent der Fälle. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für Widerrufsverfahren lag laut Bundesregierung im vergangenen Jahr bei 30,3 Monaten.
Die Dauer der Asylklageverfahren, die anstehen, wenn sich ein Asylbewerber gegen einen Bamf-Bescheid juristisch zur Wehr setzt, war zuletzt etwas zurückgegangen. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte am 6. November 2023 eine Beschleunigung der Asylverfahren, die in der Zuständigkeit des Bundes liegen, sowie der von den Ländern zu verantwortenden Asylklageverfahren beschlossen. Konkret hieß es damals, Asylverfahren und Klageverfahren für Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent sollten jeweils binnen drei Monaten abgeschlossen sein.
In allen anderen Fällen sollten die behördlichen sowie erstinstanzlichen Asylverfahren jeweils nach sechs Monaten beendet sein. Dieses Ziel wurde von allen Bundesländern mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz zuletzt nicht erreicht. Baden-Württemberg stand mit 7,9 Monaten noch relativ gut da.
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