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Bayerns Rückzug aus dem D-TicketEinfach nur fahrlässig

Kommentar von Wolfgang Mulke

Klar kann man am Nahverkehr nachbessern. Aber Bayerns angekündigter Rückzug aus dem Deutschlandticket stellt einen großen Erfolg infrage.

Bayern hat ein schlechtes Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln – das Auto wird präferiert Foto: Matthias Balk/dpa

D as Deutschlandticket ist zumindest aus Kundensicht eine echte Erfolgsgeschichte. Zwar ist die angepeilte Abozahl von 15 Millionen Kunden bisher noch nicht erreicht. Doch nicht einmal zwei Jahre nach der Einführung gehört der bundesweit einheitliche Fahrschein für den Nahverkehr für viele Pendler zu den guten Ideen der Ampel.

Das hängt vor allem mit dem Preis und der Einfachheit des Angebots zusammen. Wer vor der Einführung über mehrere Landkreise hinweg zum Job pendeln musste, zahlte je nach Region monatlich mehr als 200 Euro für die Fahrten mit Bus oder Bahn. Die 49 Euro zur Einführung stellten ein spürbare Entlastung des Haushaltsbudgets dar.

Umstritten war lange die seit Jahresbeginn wirksame Anhebung des Preises auf 58 Euro. Gemessen an früheren Preisen ist die Ersparnis für viele Nutzer immer noch enorm. Wohl auch deshalb hält sich die Zahl der Kündigungen in Grenzen. Das ist auch ein Indiz für die Fortentwicklung des D-Tickets: Es muss preisgünstig bleiben, aber die Kunden haben auch Verständnis für eine realistische Preisfindung. Denn darum wird es unter anderem in diesem Jahr gehen.

Die Erfolgsgeschichte hat auch Schattenseiten. Gerade in ländlichen Gebieten haben viele Bewohner nichts vom D-Ticket, weil es dort praktisch kein Nahverkehrsangebot gibt, auf das Autofahrer umsteigen könnten. Verlierer sind auch die Verkehrsunternehmen, denen überlebenswichtige Einnahmen weggebrochen sind. Die Finanzierung ist über das laufende Jahr hinaus nun in Frage gestellt.

Dafür sorgen aktuelle Querschüsse aus Bayern: Der Freistaat will die erst nach zähen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern vereinbarte Finanzierung nicht länger mittragen. Das hängt mit dem schlechten Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln in Teilen Bayerns zusammen, aber auch mit einer klaren Präferenz der Landesregierung für den Autoverkehr. Die Ankündigung stellt einen verkehrspolitischen Erfolg fahrlässig in Frage. Besser wäre es, den Nahverkehr so auszubauen, dass auch die Bayern mehr vom D-Ticket profitieren können.

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7 Kommentare

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  • taz: *Gerade in ländlichen Gebieten haben viele Bewohner nichts vom D-Ticket, weil es dort praktisch kein Nahverkehrsangebot gibt, auf das Autofahrer umsteigen könnten.*

    Das ist ja nicht die Schuld des D-Tickets - was eigentlich Klimaticket heißen sollte - sondern das man in den ländlichen Gebieten nie den ÖPNV ausgebaut hat. Für den Ausbau des ÖPNV ist kein Geld da und für das D-Tickets schon gar nicht, aber für neue Autobahnen möchte man wieder zig-Milliarden Euro locker machen. Die Steuergelder der Bürger werden dazu benutzt die Zukunft ihrer Kinder und Kindeskinder 'auf den alten und den neuen Autobahnen' zu "verheizen". Der Klimawandel freut sich jedenfalls über so eine "Politik", denn der wächst dadurch immer schneller. Wenn Deutschland wirklich eine Mobilitätswende schaffen möchte, denn allein der Pkw-Verkehr in Deutschland erzeugt rund 100 Millionen Tonnen CO2 im Jahr, dann brauchen wir dauerhaft einen günstigen und funktionierenden ÖPNV und nicht noch mehr Autobahnen. Und die ländlichen Gebiete müssen auch einen funktionierenden ÖPNV bekommen, sonst wird nur weiterhin gegen die Städter gewettert, anstatt den unfähigen Politikern endlich mal 'den Marsch zu blasen'.

  • "Besser wäre es, den Nahverkehr so auszubauen, dass auch die Bayern mehr vom D-Ticket profitieren können."



    Richtig. Wenn man dann bedenkt wie lange der Ausbau in Deutschland für derlei Projekte im Durchschnitt dauert ist aber der bayrische Rückzug doch nur logisch.



    ERST Voraussetzungen schaffen, DANN Angebote dahingehend zielführend fördern/subventionieren.



    Im Hier und Jetzt ist das Deutschlandticket vor allem ein verbilligtes Fahrangebot für Menschen in urbanen Gegenden. Diese Menschen profitieren bereits von einer enormen Dichte was Stationen als auch Taktung betrifft. Warum man denen überdies diese Vorteile auch noch finanziell vergolden soll erschließt sich mir nicht🤷‍♂️



    VOR ALLEM in Anbetracht der defizitären Lage viele Nahverkehrsanbieter.



    Mobilität kostet.



    Der Landbevölkerung bleibt gar nichts anderes übrig als mit teuer Benzin und eigenem Auto zu fahren, Städter können immerhin wählen. Sie sollen dennoch genau so belastet werden. ÖPNV ist nur eine echte Lösung wenn er sich auch trägt.

    • @Farang:

      Die Landbevölkerung lässt sich den meist längeren Weg zur Arbeit mit einer Entfernungspauschale von 0,38€ pro km subventionieren und hat dazu noch geringere Kosten für Mieten und Wohneigentum.

    • @Farang:

      In den Städten, die so gut ausgestattet sind, gibt es zusätzliche Angebote, die für diese Städter sogar noch attraktiver sind als das D-Ticket.



      Innerhalb einer Stadt mit einem einzigen ÖPNV Anbieter braucht niemand das D-Ticket.



      Seine wirklichen Vorteile spielt es in den Mittelstädten und Speckgürteln aus. Wo man bei jedem Bus prüfen müsste, ob das ticket, das man in der Tasche hat, wirklich gültig ist. Wo ein verpasster Bus eben nicht mit einem Umweg ausgeglichen werden kann, weil der Umweg über die Zonengrenze führt.

    • @Farang:

      Der individuelle Verkehr wird übrigens reichlich subventioniert.

      • @SamuelMumm:

        Und der ÖPNV etwa nicht?



        Ich bin Berliner. Unsere Berliner Verkehrsbetriebe sind bereits mit 1,1 Milliarden verschuldet. Allein bis 2028 werden sich diese Schulden auf 3,7 Milliarden verdreifachen, da enorme Summen für Modernisierung und Streckenausbau anfallen.



        Früher kostete mich die Monatskarte etwas über 100 Euro. Immer noch geschenkt in Anbetracht der entgegengebrachten Leistung. Durch das Deutschlandticket kann ich nun die gleiche Mobilität PLUS deutschlandweiten Regionalverkehr für 58€ erwerben.



        Eine Halbierung der Preise während sich die Verbindlichkeiten verdreifachen.



        Das ist idiotisch. Mobilität ist wertvoll. Sie kostet. Ressourcen und Geld. Sie zu verramschen ist Quatsch. Auch fürs Klima.

        • @Farang:

          Ich lebe auch in Berlin und verzichte aufgrund des D-Tickets seit Jahren auf das Auto. ÖPNV ist Daseinsvorsorge und aktiver Klimaschutz. In Anbetracht der vielen fossilschädlichen Subventionen, die jährlich fließen, ist es eine Schande, dass Sie behaupten, dass ÖPNV die tatsächlichen Kosten über die Nutzer einbringen muss. Dieses Argument ergibt auch keinen Sinn, da ich als BürgerIn nicht steuern kann, dass meine gezahlten Steuern nicht den Autobahn-Bau fließen, wie kürzlich hier in Berlin beschlossen, nachdem die Sparorgie gefeiert wurde.



          Auch Bürger in der Stadt haben einen Anspruch auf saubere Luft und weniger Abgase. Dies wird nur möglich, wenn Nahverkehr effizienter organisiert wird. Wenn ich mich an die nächste große Kreuzung stelle, sehe ich zu 90% PkW mit 1 Insassen. Das ist weder verkehrspolitisch, noch umweltpolitisch sinnvoll.



          Wir brauchen, um als Gesellschaft voranzukommen, weniger Individualverkehr. Das ist eine sinnlose Verschwendung von Ressourcen und Vermögen. Jeder Neuwagen-Besitzer, der beim Autohändler vom Hof fährt, erfährt einen sofortigen Wertverlust von 25 - 30%. Der Gewinn fließt an Konzerne. Wirtschaftlich ist das Unsinn.