Bayerisches Urteil im Kirchenasylprozess: Absolution für Mutter Mechthild

Weil sie Geflüchtete in ihrem Kloster aufnahm, musste Äbtissin Mechthild Thürmer in Bayern vor Gericht. Doch nun wurde das Verfahren eingestellt.

Mechthild Thürmer, Äbtissin des Benediktinerklosters Maria Frieden in Kirchschletten

Ist sich keiner Schuld bewusst: Äbtissin Mechthild Thürmer Foto: Daniel Vogl/dpa

BAMBERG taz | Mutter Mechthild muss nicht ins Gefängnis. Der Satz klingt für jeden, der sie einmal kennengelernt hat, wie eine Selbstverständlichkeit und ist es dennoch nicht. Denn als die ganze Angelegenheit losging, hatte ein Amtsrichter der Nonne durchaus zu verstehen gegeben, dass sie mit einer „empfindlichen Freiheitsstrafe“ zu rechnen habe, wenn sie nicht Vernunft annehme und einen Strafbefehl über 2.500 Euro akzeptiere. Dafür, dass sie drei Frauen in Not geholfen hatte. Doch das, was der Richter für Vernunft hielt, wollte Mutter Mechthild nun wirklich nicht annehmen.

Doch der Reihe nach: Mutter Mechthild, die mit bürgerlichem Namen Anna Thürmer heißt, ist Äbtissin des Klosters Maria Frieden im oberfränkischen Kirchschletten und hat dort schon Dutzenden von Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt. Wegen drei der Fälle musste sie sich nun vor dem Amtsgericht Bamberg verantworten. Der Vorwurf: Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt.

Die drei Frauen kamen aus Eritrea, Nigeria und dem Irak und hätten in den Jahren 2018 bis 2020 gemäß dem Dublin-Verfahren nach Italien beziehungsweise Rumänien abgeschoben werden sollen. Dieser Plan des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wurde durch die von Mutter Mechthild gewährte Kirchenasyle vereitelt.

Die Bamberger Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Strafbefehl argumentiert, die Äbtissin habe sich strafbar gemacht, weil sie das Kirchenasyl jeweils auch dann fortgesetzt habe, nachdem das Bamf ihr mitgeteilt habe, dass eine Härtefallprüfung nicht mehr in Betracht komme oder abschlägig beschieden worden sei.

Schicksale zum Erbarmen

Als es am Dienstag schließlich zur Verhandlung kommt, lässt sich die Sache jedoch anders an. Der Staatsanwalt verliest zwar die ursprünglichen Vorwürfe, bringt aber dann sofort eine Einstellung des Verfahrens ins Spiel. Als unter Umständen tatsächlich strafbar betrachtet er nunmehr nur noch den Fall der Nigerianerin, da in diesem Fall das Bamf schon vor Beginn des Kirchenasyls abgelehnt habe, die Frau als Härtefall einzustufen und von einer Abschiebung abzusehen. Dass sie das allerdings gewusst habe, so räumt der Staatsanwalt ein, sei der Äbtissin nicht nachzuweisen. In der Tat gibt Mutter Mechthild an, davon keine Kenntnis gehabt zu haben.

Überhaupt ist sich die 64-Jährige keiner Schuld bewusst. Sie habe bei jedem Kirchenasyl immer das Okay der Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Kirchenasyl bekommen und sei der Ansicht, alle Vorschriften eingehalten zu haben, erzählt sie dem Gericht. „Da wäre ich nie draufgekommen, dass es illegal ist, wenn die öffentlichen Stellen es wissen.“

Und die Schicksale der Frauen seien tatsächlich zum Erbarmen gewesen. Die nigerianische Geflüchtete sei bereits dreimal zurück nach Italien und einmal sogar vor dort zurück nach Libyen gebracht worden. In Italien sei sie vergewaltigt worden, habe unter Brücken schlafen müssen. Auch in Libyen sei sie vergewaltigt, mit HIV infiziert und misshandelt worden, ihr Oberkörper sei mit den Narben von Messerstichen übersät gewesen.

Sie habe die Hoffnung gehabt, dass die Frauen im Kloster sich erst mal etwas hätten erholen können, um dann bei einer neuen Bamf-Anhörung vielleicht noch einmal eine Chance zu bekommen. Schließlich sei es den Frauen auch nicht leicht gefallen, all die traumatischen Erlebnisse zu berichten. Gerade in einer Anhörungssituation mit anwesenden Männern sei dies besonders schwierig.

Kirchenasyl ad absurdum geführt

Der Sachverhalt ist freilich nicht neu. Dass von Seiten des Staatsanwalts nun von Strafe keine Rede mehr ist, hat einen anderen Grund: Im vergangenen Jahr hat das Landgericht Würzburg die Verurteilung einer Franziskanerschwester aufgehoben, die zwei Nigerianerinnen Kirchenasyl gewährt hatte.

Kurz zuvor hatte das Bayerische Oberste Landesgericht in Bamberg den Freispruch eines Benediktinermönchs bestätigt, bei dem ein Flüchtling aus dem Gazastreifen Zuflucht gefunden hatte. Es war das erste letztinstanzliche Urteil zur Strafbarkeit von Kirchenasyl in Bayern, wo die Staatsanwaltschaften in den vergangenen Jahren besonders rigoros gegen Kirchenangehörige vorgegangen waren. Das OLG war zu der Auffassung gelangt, dass der Mönch sich strikt an eine Vereinbarung zwischen Kirchen und Staat aus dem Jahr 2015 gehalten hatte.

Nach diesen beiden Urteilen war kaum mehr vorstellbar, dass das Amtsgericht Bamberg im Verfahren gegen Mechthild Thürmer auf einer Strafe beharren könnte. Denn auch Mutter Mechthild hatte sich an die Vereinbarung gehalten, in der das Bamf den Kirchen zusicherte, das Kirchenasyl zur respektieren. Diese versprachen im Gegenzug, alle Fälle zu melden und nur in Härtefällen Kirchenasyl zu gewähren, um hier neue Einzelfallprüfungen zu erreichen. Anfangs lief dieses Prozedere relativ reibungslos, doch dann ging das Bamf dazu über, die Fälle nur noch pro forma zu prüfen und fast immer an den ursprünglichen Entscheidungen festzuhalten.

In diesen Fällen erwartete man dann, dass die Pfarrer oder Ordensangehörigen ihre Schützlinge nach spätestens drei Tagen wieder aus ihren Räumlichkeiten verjagten, um eine Abschiebung zu ermöglichen. Eine einseitige Vorgabe, die nicht von der Vereinbarung von 2015 gedeckt war und überdies den Gedanken des Kirchenasyls ad absurdum führte. Im Prozess gegen den Benediktinermönch hatte das OLG denn auch explizit festgestellt, dass es für die Aufnehmenden keine Pflicht gebe, ein Kirchenasyl aktiv zu beenden.

Auch Amtsrichter Thomas Fahr, das ist der Mann, der Mutter Mechthild die Freiheitsstrafe angedroht hat, unterstützt nun in der Verhandlung den Antrag der Staatsanwaltschaft, das Verfahren nach Paragraf 153 Absatz 2 der Strafprozessordnung einzustellen. Verteidiger Franz Bethäuser hätte zwar einen Freispruch bevorzugt, da im Paragraf 153 immerhin doch von einer zu erwartenden „geringen Schuld“ die Rede ist, zu guter Letzt einigt man sich dann aber doch auf die Einstellung. „So, das war’s dann“, beschließt der Richter die Sitzung. Und als die Äbtissin ihm zum Abschied noch die Hand gibt, fügt er hinzu: „Es war nicht böse gemeint.“

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