Bayer verkauft Glyphosat und Krebsmittel: Pestizid und Krebsmittel aus einer Hand
Mit der Monsanto-Übernahme verkauft Bayer ein Pestizid, das wohl Krebs verursacht – und ein Medikament, das den Krebs stoppen soll.
Der Chemiekonzern Bayer verdient an einem Pestizid, das wahrscheinlich Krebs verursacht – und er verkauft ein teures Medikament, um diesen Krebs zu heilen. Das Leverkusener Unternehmen macht also wohl erst Menschen krank und heilt sie dann wieder – natürlich gegen Bezahlung.
Glyphosat ist das weltweit meistverkaufte Pestizid – und vor allem umstritten, weil 2015 von der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft worden ist. Da die zuständigen Fachbehörden der Europäischen Union das Mittel jedoch für unbedenklich halten, haben die EU-Staaten Glyphosat Ende 2017 für weitere 5 Jahre zugelassen. Dennoch wird zum Beispiel in Deutschland darüber diskutiert, dieses Unkrautvernichtungsmittel zu verbieten. In den USA muss sich Bayer gegen rund 8700 Klagen wegen mutmaßlich durch Glyphosat verursachte Krebserkrankungen verteidigen.
Viele Kläger berufen sich auf das Gutachten der Krebsforschungsagentur, wonach Glyphosat in mehreren Tierversuchen zu Krebs führte. Drei Vergleichsstudien zwischen Personen mit und ohne Kontakt zu der Chemikalie in Kanada, Schweden und den USA zeigen den Wissenschaftlern zufolge erhöhte Risiken für das Non-Hodgkin-Lymphom, einem bösartigem Tumor im Lymphgewebe.
Daran ist auch der Kalifornier Dewayne Johnson erkrankt; Ärzte prognostizieren, dass der 46-Jährige nur noch kurz leben wird. Zu Johnsons Erkrankung habe Glyphosat erheblich beigetragen, stellte im August ein Gericht in San Francisco fest. Denn Johnson hatte als Platzwart bis zu 30 Mal pro Jahr Pestizide mit dem Wirkstoff auf dem Gelände von Schulen ausgebracht. Das Gericht verurteilte Bayers US-Tochter Monsanto dazu, dem Mann Schadenersatz in Millionenhöhe zu zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da Bayer Widerspruch eingelegt hat.
Gift und Gegengift
Johnsons Fall ist der erste Schadenersatzprozess in den USA wegen einer mutmaßlich von Glyphosat verursachten Krebserkrankung. Aber er ist keinesfalls der letzte. Tausende andere Kläger machen das Pestizid für ihr Non-Hodgkin-Lymphom verantwortlich.
Vielleicht kann einigen ein Medikament aus dem Hause Bayer helfen: der Wirkstoff Copanlisib, den die US-Gesundheitsbehörde FDA im September 2017 zugelassen hat. Das Präparat heißt im Handel „Aliqopa“. Es darf Patienten mit dem follikulären Lymphom gegeben werden, das trotz zweier anderer Therapien zurückgekehrt ist.
„Das follikuläre Lymphom ist ein Untertyp des Non-Hodgkin-Lymphoms, und die Verbindung in der Literatur geht zum Non-Hodgkin-Lymphom“, schreibt der Wissenschaftler Christopher Portier der taz, der die Krebsforschungsagentur bei der Begutachtung von Glyphosat beraten hat. Auch einer der Autoren des Gutachtens, der Mediziner Francesco Forastiere, bestätigte der taz: „Ja, es ist die gleiche Krebsart.“ Ähnlich äußerte sich Professor Martin Dreyling, Onkologe am Klinikum der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Dreyling war nicht an dem Gutachten beteiligt.
Aliqopa lässt sich Bayer fürstlich bezahlen. Eine 60 Milligramm-Dosis wird in den USA für rund 4800 Dollar angeboten. Diese Menge wird in der Regel mehrmals im Monat verabreicht. Mit Glyphosat verdient Bayer Millionen, aber genaue Zahlen veröffentlicht das Unternehmen nicht.
Monsanto entpuppt sich als schwere Bürde
„Auch ohne ein abseitiges Geschäftsmodell zu unterstellen, kommt hier das ganze Dilemma des erweiterten Bayer-Konzerns zum Ausdruck: Der neue Gemischtwarenladen verkauft ein potenziell krankmachendes Pestizid und gleichzeitig ein Medikament gegen diese Krankheit“, sagte der Glyphosat-Experte Harald Ebner, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der taz. „Das verpasst dem Bayer-Image weitere Kratzer. Die Monsanto-Übernahme entpuppt sich immer mehr als schwere Bürde für die Glaubwürdigkeit des Aspirin-Herstellers und einstigen Gesundheitskonzerns.“
Bayer erklärte auf taz-Anfrage, der Konzern stelle Produkte her, „die einerseits dazu beitragen, eine hochwertige Ernährung von Millionen Menschen auf nachhaltige Weise zu sichern, und andererseits schwere Krankheiten zu behandeln.“ Die Glyphosat-Einstufung der Internationalen Krebsforschungsagentur stehe im Widerspruch zu 40 Jahren wissenschaftlicher Forschung. Aufsichtsbehörden „auf der ganzen Welt“ hätten festgestellt, dass Glyphosat nicht krebserregend sei.
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