Bayer-Konzern stellte Forschung ein: Big Pharma machtlos gegen Corona
Bayer habe Infektionskrankheiten vernachlässigt, sagen Aktivisten. Bei der Online-Hauptversammlung bleiben Kritiker außen vor.
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Deshalb hat die Organisation beantragt, den Aufsichtsrat bei der Bayer-Hauptversammlung am Dienstag nicht zu entlasten. In einem weiteren Gegenantrag verlangt die CBG, die Dividende bis auf den Mindestsockel von 10 Cent pro Aktie zu kürzen und die frei werdenden Summen zum Aufbau einer Pharmasparte zu nutzen, die „den Ansprüchen der Zeit“ besser gerecht werde. Auch der Bayer-Großaktionär Union Investment lehnt die geplante Dividende in Höhe von 2,80 Euro ab. Der Fonds begründet das mit der Unsicherheit wegen der Klagewelle von mutmaßlichen Opfern des Pestizids Glyphosat in den USA, der Bayer Milliarden kosten könnte.
„Corona traf Big Pharma völlig unvorbereitet. Keiner der 20 größten Pillen-Konzerne hat zu den Vorgänger-Viren von Sars-CoV-2 wie Sars-1 und Mers geforscht“, so die Aktivisten. „Epidemien, die alle paar Jahre einmal auftreten oder auch nicht, bieten eben keine belastbare Kalkulationsgrundlage für die renditeorientierten Geschäftsmodelle von Bayer & Co.“
Besonders die Abwicklung der Tropenmedizin Ende der 1980er Jahre erweise sich jetzt als fatal. Zwar habe Bayer bereits 1937 seinen Wirkstoff Chloroquin als Malariamittel zum Patent angemeldet. Holländische Virolog*innen hätten der Substanz 2004 bei Versuchen mit Zellkulturen „einen gewissen pharmakologischen Effekt“ gegen das erste Sars-Virus bescheinigt. Doch Bayer habe dann nicht begonnen, die Anwendung auf breiterer Basis zu erproben. „Hätte das Unternehmen dies getan, lägen jetzt belastbare Resultate vor, und die Gesundheitsbehörden bräuchten angesichts von elf Toten bei einem Klinischen Test in Brasilien und Sterbefällen durch Selbstmedikation nicht dringend vor einer Chloroquin-Einnahme zur Covid-19-Therapie zu warnen“, so die CBG.
Glyphosat-Verhandlungen verzögert
Ihre Kritik dürfen die Aktivisten dieses Jahr nicht auf der Hauptversammlung vortragen. Denn der Bundestag beschloss im März im „Gesetz zur Abmilderung der Covid-19-Pandemie“, dass Aktionärstreffen auch online stattfinden können. Bayer war der erste Konzern, der zu einer solchen „Online-HV“ einlud.
Bayers Werner Baumann war vergangenes Jahr der erste Dax-Vorstandschef überhaupt, den die Aktionäre nicht entlasteten – wegen der Risiken durch den Kauf des Glyphosat-Herstellers Monsanto. Dieses Jahr muss er sich nun nicht grillen lassen: Die oft stundenlange Generaldebatte fällt aus. Die Aktionäre durften nur bis spätestens zwei Tage im Voraus Fragen einreichen. Der Vorstand kann sie zusammenfassen, bündeln – oder ganz weglassen.
Bayer will die Coronakrise auch bei den Verhandlungen über einen Vergleich mit den inzwischen rund 53.000 Menschen nutzen, die ihre Krebserkrankung auf Glyphosat zurückführen. Der Konzern pokert wieder höher und streut, dass sich die Gespräche verzögerten. Klägeranwälte bestreiten das. Die nächsten US-Prozesse sind wegen der Pandemie verschoben, der Druck auf Bayer, die Sache schnell abzuschließen, sinkt.
Unterdessen legte der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) im ersten Quartal um gut 10 Prozent auf 4,39 Milliarden Euro zu. Die Pandemie führte in einigen Geschäftsfeldern zu einer stark gestiegenen Nachfrage, teilweise zu einer Bevorratung, etwa bei Nahrungsergänzungsmitteln, wie ein Sprecher sagte.
Bayer ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet. (mit rtr)
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