Bauwirtschaft gegen linke Wohnpolitik: Immobilien-Lobby schlägt zurück
Gegen Mietendeckel und Enteignungen: In Berlin startet die Immobilienwirtschaft eine PR-Kampagne gegen staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt.
Sie holen zum Rundumschlag gegen Berlins linke Wohnungspolitik aus: Der vom Senat beschlossene Mietendeckel und das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ seien keine nachhaltigen Lösungen. Hinter den Debatten verberge sich vielmehr ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Werteverfall, der sich letztlich gegen die Stadt richten werde, sagt Initiativensprecher Tim Kauermann. Subtext: Wenn es nicht schnell eine wohnungspolitische Kehrtwende gibt, sieht bald ganz Berlin so schlimm aus wie diese heruntergerockte Fabriketage. Edvard-Munch-Emoji.
Flankiert von schönen bunten Plakaten und einer Social-Media-Kampagne mit flotten Sprüchen wie „Durchstarten Stadt Ausbremsen“, „Dampf machen Stadt Mieten Deckeln“ will das Bündnis dem Senat ein „Manifest“ mit fünf Kernforderungen überreichen.
Darin findet man allerdings nur das übliche Mantra der Bauwirtschaft: einfachere Bauordnung, weniger Bebauungsplanverfahren, attraktive Förderangebote für Neubau, Bereitstellung von Bauland, Abkehr von der jetzigen Wohungspolitik. Insgesamt wirkt der PR-Stunt ein wenig wie eine Verteidigungsschlacht gegen Mietendeckel & Co. Letztlich hoffe die Initiative dabei auch auf Unterstützung der Bürger*innen, heißt es. Auch über Unterschriftensammlungen denke man nach, so Kauermann.
Deutsche Wohnen freut sich
Bis dahin werde die Kampagne zum „maßgeblichen Teil von Mitgliedern aus dem Immobiliensektor getragen mit einem jährlichen Budget im niedrigen sechsstelligen Bereich“, heißt es auf Nachfrage. Sprich: die BFW, der Berlin-Brandenburgische Lobby-Verband der privaten Immobilienunternehmen zahlt die Kampagne zum Großteil. Berlins größtes und wohl auch berüchtigtes Wohnungsunternehmen, die Deutsche Wohnen, ist in der Kampagne bisher nicht vertreten. Gut findet man die Kampagne dort trotzdem: „Wir freuen uns über jede seriöse öffentliche Debatte, die dazu führt, neben Regulierungen echte Lösungen für die Wohnungsfrage zu finden“, teilt das Unternehmen mit.
Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum gilt angesichts steigender Mieten und Immobilienpreise derzeit als eine der drängendsten sozialpolitischen Fragen. Die Immobilienbranche steht deswegen unter zunehmenden Druck: In Berlin hat sich Protest von unten wie etwa das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ formiert, das Spekulation stoppen und große Wohnungsunternehmen enteignen will. 77.000 und damit mehr als genug Unterschriften hat das Volksbegehren gesammelt. Derzeit liegen die Unterschriften in der Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD), wo die rechtliche Zulässigkeit geprüft wird.
Zudem haben auch Bundes- und Landesregierungen reagiert: Die Mietpreisbremse, die diese Woche auch vom Verfassungsgericht bestätigt wurde, will der rot-rot-grüne Senat in Berlin durch einen generellen Mietenstopp ergänzen, der ab dem kommenden Jahr gelten soll. Ein Gesetzentwurf will die R2G im Oktober vorlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe