Bauvorhaben Pankower Tor: Noch offene Fragen
Nachdem der Nabu seine Klage zurückgezogen hat, könnte es am Pankower Tor endlich losgehen. Ein paar Hürden müssen allerdings noch genommen werden.
Cornelius Bechtler ist jedenfalls optimistisch. „Wir haben uns vorgenommen, am 31. März einen städtebaulichen Vertrag und einen Erschließungsvertrag zu unterzeichnen“, sagt Pankows grüner Baustadtrat der taz.
Es geht beim Pankower Tor um nicht weniger als das derzeit größte städtebauliche Projekt in Berlin. Auf dem ehemaligen Güter- und Rangierbahnhof soll zwischen den S-Bahn-Stationen Pankow und Pankow-Heinersdorf ein neues Stadtquartier entstehen. 2.000 Wohnungen, eine Schule, zwei Kitas, Einkaufen, Erschließung durch eine Tram, der Radschnellweg Panke-Trail – und natürlich ein Möbelhaus.
Denn der Eigentümer des Grundstücks und potenzielle Investor macht eigentlich in Möbel. Doch Kurt Krieger, dem unter anderem die Höffner-Möbelhäuser gehören, ist eben auch in Pankow aufgewachsen. Mit dem Pankower Tor will er sich einen Traum erfüllen. Ein Stadtviertel als biografisches Statement.
Die meisten Geschichten enden nicht einfach, nachdem in der taz darüber berichtet wurde. Deshalb haken wir noch einmal nach: In unserer Serie „Was macht eigentlich …?“ rund um den Jahreswechsel 2023/24 erzählen wir einige Geschichten weiter.
Viel Zeit verstrichen
Auf Zeit kann der 1948 geborene Krieger also nicht mehr spielen. Ohnehin haben die Planungen für das 500 Millionen Euro schwere Vorhaben aus seiner Sicht schon viel zu lange gedauert. Nachdem er das 34 Hektar große Gelände 2009 gekauft hatte, war von Wohnungsbau noch keine Rede. Nicht nur seinen Möbelmarkt wollte Krieger bauen, sondern vor allem Büros und eine Shoppingmall.
Nur, wo sollte die hin? Gleich neben den Bahnhof Pankow oder doch auf die östliche Seite des Areals am Bahnhof Heinersdorf? Über Jahre stritten sich Investor, Bezirk und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung um die Frage, welche Auswirkungen die Mall auf den Einzelhandel in Pankow hätte und welche Verkehrsströme welcher Standort nach sich ziehen würde.
Das ist Geschichte. Seit 2022 liegt ein Masterplan auf dem Tisch. Ein Jahr zuvor war aus einem „konkurrierenden Workshopverfahren“ der Architekt Tobias Nöfer als Sieger hervorgegangen. Schon in der Auslobung war von einer Shoppingmall keine Rede mehr gewesen. Stattdessen soll das Einkaufen ganz klassisch in den Erdgeschosszonen der einzelnen Blöcke stattfinden.
Nöfers Masterplan sieht zudem einen Park auf der Nordseite nahe der Damerowstraße sowie einen Stadtplatz am Bahnhof Pankow und einen weiteren Park zwischen Berliner Straße und Mühlenstraße vor. Schon bei der Vorstellung der sechs Entwürfe im Workshopverfahren hatte Nöfer den meisten Zuspruch bekommen.
Ein Kreuz mit den Kröten
Doch dann kam, was Zukunftsforscher manchmal eine Wildcard nennen. In diesem Fall war das mit dem „wild“ sogar wörtlich zu nehmen: Über die Jahre hat sich auf dem Areal eine der größten Kreuzkrötenpopulationen Deutschlands angesiedelt. Schnell war davon die Rede, die streng geschützten Tiere nach Brandenburg umzusiedeln.
Doch der Naturschutzbund Nabu bezweifelte den Erfolg einer Umsiedlung und reichte eine Klage ein. Wieder drohten Jahre des Stillstands in Pankow. So ungehalten war Kurt Krieger, dass er bei einem digitalen Bürgerforum im Februar 2022 die damals noch Regierende Bürgermeisterin in die Pflicht nehmen wollte: „Frau Giffey muss ein Machtwort sprechen. Möge sie mit der Faust auf den Tisch hauen.“
Doch nicht Franziska Giffey (SPD) hat das Problem abgeräumt, sondern Krieger selbst. „Kreuzkröte bleibt Berlinerin“, freute sich der Nabu im Oktober und kündigte an, seine Klage wieder zurückzuziehen. Zuvor hatten sich die Umweltverwaltung und Krieger darauf verständigt, der Krötenpopulation auf dem Ostteil des Geländes hinter der Prenzlauer Promenade fünf Hektar zur Verfügung zu stellen.
Ganz vom Tisch ist das Thema freilich noch nicht, räumt Stadtrat Bechtler ein. Denn die für den Artenschutz vorgesehenen Flächen seien alleine auf dem Grundstück von Krieger nicht unterzubringen. Also müssen auf den benachbarten Grundstücken Ausgleichsflächen gefunden werden.
„Die Artenschutzproblematik ist und bleibt derzeit unsere größte Herausforderung“, sagt Bechtler. „Wir wollen das bestmöglich lösen.“ Dass das Pankower Tor an der Krötenfrage noch einmal scheitern könnte, glaubt der Grüne aber nicht. „Es wird nicht eng.“
Offene Fragen gibt es laut Cornelius Bechtler auch beim Thema Verkehr. Zwar habe noch niemand den Panke-Trail an der Damerowstraße oder die Straßenbahntrasse entlang der Granitzstraße infrage gestellt. „Einen Planfeststellungsbeschluss für die Tram gibt es allerdings noch nicht“, sagt Bechtler.
Tatsächlich scheint Berlins CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner keine große Anhängerin von Straßenbahnen zu sein. In ihrem vor kurzem vorgestellten Verkehrskonzept für den dynamisch wachsenden Norden Berlins kommt der Tram nur die Rolle einer Übergangslösung zu. So stoppte Schreiner die Planungen für eine Straßenbahntrasse bis zum Bahnhof Blankenburg. Stattdessen setzt die Senatorin auf neue U-Bahnen. Die werden aber, wenn überhaupt, erst in Jahrzehnten fertig.
Kommt die Straßenbahn?
„Die Tram muss kommen, und zwar rechtzeitig“, fordert deshalb Cornelius Bechtler. „Wenn man ein autoarmes Quartier will, muss man es auch optimal an den öffentlichen Nahverkehr anbinden.“ Da seien sich alle Fraktionen in Pankow einig.
Offen gegen die geplante Straßenbahn hat sich Manja Schreiner bislang aber nicht ausgesprochen. Bei einem Spitzengespräch Anfang Juni hat sie, wie auch Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD), die Pankower Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne), Verkehrsstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU), Baustadtrat Bechtler sowie Investor Krieger das Gesamtpaket abgesegnet. Das Planfeststellungsverfahren für die Trasse der Tram, hieß es am Mittwoch aus dem Hause der Verkehrssenatorin, soll allerdings erst 2025 eingeleitet werden.
Seitdem laufen im Bezirk die Arbeiten an einem Bebauungsplan auf Hochtouren. Ende 2024 soll er fertig sein, so dass 2025 der erste Spatenstich folgen könnte.
Happy End also? Sicherheitshalber hat Bechtlers Amt den Bebauungsplan in zwei Teile geteilt. Der Bebauungsplan 3-60A gilt für die westlich der Prenzlauer Promenade gelegene „Westfläche“, auf der die Wohnungen, der Stadtplatz und die Parks entstehen werden. „Wir machen das, weil wir auf der Westfläche weiter sind“, sagt Bechtler.
Etwas später soll dann der Bebauungsplan 3-60B für die „Ostfläche“ festgezurrt werden. Zu ihm gehört auch der denkmalgeschützte Ringlokschuppen aus dem Jahr 1893, der vor den Abrissplänen Kriegers gerettet werden konnte. Inzwischen wird er saniert.
Sozialwohnungen sicher
Rund um den Lokschuppen sollen dann auch die inzwischen 800 Kröten ihren neuen Platz finden. Der 18 Kilometer lange Panke-Trail, der ursprünglich dort entlangführen sollte, muss dann einen großen Bogen um die Kröten machen.
Die beiden Verträge, die am 31. März unterzeichnet werden sollen, werden derzeit unter Hochdruck zwischen dem Bezirk und der Wohnungsbauleitstelle des Senats ausgearbeitet. Auch die Zahl der preisgebundenen Wohnungen steht nun fest. „Es wird ein Drittel der 2.000 Wohnungen werden“, betont Stadtrat Bechtler.
Auch das war lange Zeit nicht sicher gewesen. Noch im Februar 2022 hatte Kurt Krieger, der Möbelkönig, der sich in Pankow ein Denkmal setzen will, die Frage nach bezahlbaren Wohnungen lapidar beantwortet: „Das entscheiden wir nach Kassenlage.“
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