Baumsterben in Deutschland: Schwere Schäden im Wald
Der aktuelle Waldbericht zeigt, dass nur 28 Prozent der Bäume gesund sind. In zu erwartenden Trockenperioden wird es nicht besser bestellt sein.
Bäume sterben leise. Wälder siechen, bevor das Ökosystem zusammenbricht. Zarte grüne Blätter treiben in diesen Tagen an den Zweigen und können vergessen lassen, dass mehr als zwei Drittel der Laub- und Nadelbäume in deutschen Wäldern geschädigt sind. Nur 28 Prozent der Waldbäume haben keine Schäden, ergibt die Waldzustandserhebung 2018 aus dem Hause der für Forstwirtschaft zuständigen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU).
So schlecht ging es dem Wald noch nie. 2017 konnten die Forstbeamten noch 34 Prozent der Bäume ohne Verlichtung nach Berlin melden. Sie beurteilen die Schäden nach der Menge der kahlen Stellen in den Kronen. 54 Prozent der Kiefern und 40 Prozent der Fichten stehen auf der Warnstufe. Eichen und Buchen geht es besonders schlecht: Nicht einmal jede fünfte Buche wächst mit voller Laubkrone heran, nur 20 Prozent der Eichen gelten als gesund.
Die Auswirkungen der Dürre von 2018 sind in der Statistik noch gar nicht erfasst. Die FörsterInnen zählen zwischen Juli und August die Blätter und Nadeln, sodass die Schäden des vergangenen Dürresommers erst im nächsten Waldschadensbericht auftauchen werden.
„Verantwortlich sind die extrem hohen Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft“, sagt Rudolf Fenner, Waldbiologe bei der Naturschutzorganisation Robin Wood. Industriell arbeitende Landwirte düngen Äcker mit Stickstoff, verklappen Gülle auf Feldern, spritzen Jauche in den Boden. Die Stickstoffverbindungen aus Dünger und dem Mist der Massentierhaltung reagieren in der Umwelt. Aus Nitrat wird Nitrit, Gase wie Ammoniak oder Lachgas treiben den Klimawandel an.
EU prüft Klage gegen Deutschland
Der Stickstoffüberschuss versauert die Waldböden und düngt zugleich. „Das treibt die Bäume zu Wachstum, wichtige Nährstoffe werden aber ausgewaschen“, sagt Fenner. Der übermäßige Stickstoff aus der Landwirtschaft verschiebt das natürliche Nährstoffgefüge. Die EU hat bereits 1991 eine Nitratrichtlinie erlassen, um das Grundwasser zu schützen. Deutschland verstößt permanent dagegen, weshalb die EU eine Klage gegen Deutschland prüft. Die Roten Listen der gefährdeten Pflanzenarten nennen das Nährstoffüberangebot als eine der wichtigsten Ursachen für das Aussterben.
„Die Bäume fühlen sich prall, und gleichzeitig fehlt ihnen was“, sagt Waldexperte Fenner. Das Umweltbundesamt drückt es so aus: „Die Stickstoffüberdüngung verursacht bei Bäumen ein übermäßiges Wachstum in die Länge und weiche, schwammige Triebe, Zellen und Gewebe.“ Die Bäume seien geschwächt, knickten im Sturm um und seien anfällig für Pilze und Borkenkäfer.
Trockenheit und Stürme nehmen im Klimawandel zu. In heißen Sommern und milden Wintern vermehren sich auch die von der Forstwirtschaft gefürchteten Borkenkäfer und andere sogenannte Schadinsekten. Landwirtschaftsministerin Klöckner kann daher leicht die Schuld am schlechten Zustand der Wälder auf natürliche Ursachen schieben. „Die Sturmschäden im Winter, dann die lang anhaltende Dürre, zudem der Borkenkäferbefall – das vergangene Jahr war für unsere Wälder ein Katastrophenjahr“, sagte sie. Ihre Vorgänger hatten die jährlichen Waldzustandserhebung noch öffentlichkeitswirksam auf Pressekonferenzen vorgestellt. Klöckner hat nicht einmal eine Pressemitteilung herausgegeben. Stattdessen stellte sie sich als Retterin der Forstwirte dar: „Ich habe vergangenes Jahr rasch reagiert und zusätzlich 25 Millionen Euro für Waldschäden bereitgestellt.“
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