Batteriewerk in Norddeutschland: Fabrik in Dithmarschen-Tempo
Der Bau der Northvolt-Fabrik in Schleswig-Holstein startet: Der Kanzler lobt das Tempo, vor Ort gibt es Sorge um Natur und Infrastruktur.
Wo jetzt noch Gräben und grüne Marschwiesen zu sehen sind, sollen auf einer Fläche von 110 Hektar Batterien für eine Million E-Autos pro Jahr hergestellt werden. Die Investitionssumme liegt bei rund 5 Milliarden Euro. Die Produktion soll 2026 starten, den Vollbetrieb erwartet das schwedische Unternehmen Northvolt für seine dritte Fabrik im Jahr 2029.
Von „Dithmarschen-Geschwindigkeit“ sprach Olaf Scholz in Anlehnung an den von ihm geprägten Begriff des „Deutschland-Tempos“. Die Menschen in der Region würden „nicht schnacken, sondern einfach machen“. Es sei beeindruckend, wie die Region und vor allem die zwei kleinen Gemeinden Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden, auf deren Grund die Fabrik stehen soll, die Planungen hinbekommen hätten.
Bis auf die Treckerdemo am Starttag gab es bisher kaum Proteste gegen die Ansiedlung. Dennoch machen sich die Menschen Sorgen, wie das Werk die Region verändern wird. Als im Januar die Gemeindevertretung von Norderwöhrden als letzte Instanz nach Land, Bund und EU über den Bau abstimmte, fiel das Ergebnis mit vier Ja- und drei Nein-Stimmen knapp aus. Das gebe die Stimmung im Ort wieder, sagte eine Gemeindevertreterin der taz.
Wohnungen für 3.000 Beschäftigte?
Unklar ist etwa, wo die 3.000 Beschäftigten und ihre Familien leben sollen, ob Schul- und Kita-Plätze ausreichen. Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, forderte Landes- wie Bundesregierung auf, die Region beim Wohnungsbau nicht allein zu lassen. „Ich habe bislang nicht den Eindruck, dass den politisch Verantwortlichen die Dimension der Herausforderung klar ist“, sagte Breitner. Auch die Verkehrsinfrastruktur ist noch nicht gerüstet: „Northvolt plant bei voller Produktion täglich mit bis zu zwölf schweren Güterzügen“, sagt Stefan Seidler, der für die Minderheitenpartei SSW im Bundestag sitzt. „Für diese Züge muss Platz auf den Schienen sein.“
Auch Northvolt-Chef Carlson betonte, dass die Infrastruktur parallel wachsen müsse, damit das Projekt ein Erfolg werde. Der Standort liege aber am „perfekten Punkt“: Nirgendwo in Deutschland gebe es so einen Überfluss an Windenergie. Denn Batterieproduktion ist energieaufwendig: Für die Herstellung einer Batterie mit einer Kilowattstunde Leistung braucht es rund das 60-fache an Strom. Denkbar sind nach Worten eines Northvolt-Mitarbeiters direkte Kooperationen mit umliegenden Windparks. Was fehlt, sind Fachkräfte. Carlson rief alle Schleswig-Holsteiner:innen auf, die der Karriere wegen weggezogen seien, „bitte, bitte“ zurückzukehren. Auch alle andere Menschen seien willkommen: „Wir wollen Diversität.“
Für Schleswig-Holstein stellt die Fabrik des 2016 gegründeten Unternehmens einen großen Schritt auf dem Weg zum „ersten klimaneutralen Industrieland“ dar – ein Ziel der Regierung Günther. Um Northvolt willkommen zu heißen, erhält die Firma 137 Millionen Euro Landesmittel. Weiteres Geld kommt vom Bund: Als „Wichtiges Projekt in europäischem Interesse“ gab es bereits im Mai 2022 eine erste Förderzusage über 155 Millionen Euro. Inzwischen wurde die Summe auf 700 Millionen Euro aufgestockt, um zu verhindern, dass die Schweden den Bau in die USA verlagern, wo die Regierung von Joe Biden mit viel Geld „grüne“ Industrieprojekte anlockt.
Als dritte Fördersäule zeichneten Bund und Land eine Wandelanleihe des Northvolt-Mutterkonzerns in Höhe von 600 Millionen Euro. Einer der Gründe für die Förderung, die einigen Ökonomen als zu üppig erscheint: Die hiesige Autoindustrie wird mit Northvolt unabhängiger von Batterien aus Asien.
„Grünste Autobatterie-Fabrik der ganzen Welt“
Neben der Finanzierung waren auch praktische Fragen umstritten; Weil ein Landwirt nicht verkaufen wollte, musste das Fabrikgelände um 50 Hektar schrumpfen. Um Streit über den übermäßigen Verbrauch von Grundwasser zu vermeiden, wie es ihn beim Tesla-Werk in Brandenburg gibt, will Northvolt aufbereitetes Brauchwasser zur Kühlung verwenden. Entstehende Abwärme der Fabrik soll genutzt werden, um Gebäude in der Kreisstadt Heide zu heizen. Das Werk werde „die grünste Autobatterie-Fabrik der ganzen Welt“, schwärmte Ministerpräsident Günther.
Dennoch hat der BUND Schleswig-Holstein, der die Pläne ursprünglich wohlwollend begleitet hatte, inzwischen „massive Bedenken gegen das vorgesehene wasserrechtliche Genehmigungsverfahren“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Pläne seien intransparent, die Folgen des Eingriffs nicht ausreichend untersucht. Klar ist bereits, dass unter der Fabrik der Lebensraum geschützter Moorfrösche verschwindet, die Tiere wurden bereits umgesiedelt. Auch archäologische Spuren menschlicher Siedlungen werden verschüttet. Um sie zumindest zu dokumentieren, arbeitet gerade ein archäologisches Team unter Hochdruck.
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