Bannmeile um Berliner Kneipe Syndikat: Vorgezogene Sperrstunde
Die Versammlungsbehörde will wohl verhindern, dass die Demo gegen Räumung direkt vor dem Syndikat stattfinden kann. Das Kollektiv will dagegen klagen.
Das Kollektiv teilte weiter mit: „Nachdem die Versammlungsbehörde mehrere Tage nicht erreichbar war, wissen wir nun, was die Strategie der Cops ist. Das werden wir so nicht hinnehmen“, schrieb das Syndikat. Man werde im Eilverfahren klagen, sobald der schriftliche Auflagenbescheid da sei.
Die bei der Polizei angesiedelte Versammlungsbehörde bestätigte auf Rückfrage. „Die Demo wird verlegt, aber nicht verboten“, sagte eine Sprecherin der Pressestelle der taz. Fragen nach der Rechtsgrundlage und Begründung für die Verlegung ließ die Polizei zunächst unbeantwortet.
Für das Syndikat dränge sich der Verdacht auf, dass Polizei und Versammlungsbehörde die Anmeldung der Kundgebung bewusst verzögert hätten. So hätte das Kollektiv die Demo bereits am 17. Juli angemeldet. Daraufhin hätte die Versammlungsbehörde den politischen Charakter angezweifelt, dem der Anmelder daraufhin mit einem umfangreichen Konzept widersprochen habe. Daraufhin gab es laut Syndikat zwei Wochen Funkstille. Die Versammlungsbehörde sei auch für den Anwalt den Anmelders nicht zu erreichen gewesen.
Erst am Mittwoch dann sei ein Kooperationsgespräch, einhergehend mit den Einschränkungen angeboten worden. Eine ordentliche juristische Prüfung einer mehr als fragwürdigen Entscheidung sei in dieser kurzen Zeit unmöglich, schreibt das Kollektiv: „Das ist ein Armutszeugnis für den rot-rot-grünen Senat.“
Gerichtsvollzieher räumt für Milliardärsfamilie Pears
Der Kiezkneipe droht wie mehreren linken Projekten in der Stadt derzeit nach einem langen Rechtsstreit die Räumung. Seit 35 Jahren schenkt das Syndikat im Schillerkiez zu solidarischen Preisen Getränke im von Verdrängung gebeutelten Neuköllner Schillerkiez aus. Am Freitag, 7. August, um neun Uhr morgens soll nun der Gerichtsvollziehen anrücken – im Auftrag der britischen Milliardärsfamilie Pears, die ihren Immobilienbesitz systematisch verschleiert, wie nicht zuletzt Recherchen des Kollektivs aufgedeckt hatten.
Bei einer Demo vergangenen Samstag unter dem Motto „Raus aus der Defensive“ hatten zwischen 2.000 und 3.000 Menschen gegen die drohende Räumung protestiert. Dabei waren auch die anderen bedrohten Projekte wie Liebig 34, Potse und Meuterei.
Polizei knüppelte Demo auseinander
Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nachdem Farbbeutel auf einen verglasten Neubau flogen, stürmte die Polizei mit Knüppeln und Pfefferspray die Demo. Es flogen auch Flaschen und Steine, ebenso versuchten einige Barrikaden zu errichten. Später am Abend gab es danach eine Spontandemo von 200 Menschen in Prenzlauer Berg. Am Ende gab es mehrere Verletze. Drei Polizist:innen mussten ins Krankenhaus, zwei Einsatzfahrzeuge wurden beschädigt.
Am Donnerstag plante das Syndikat direkt vor der Kneipe eine „Lange Nacht der Weisestraße“, bei der Anwohner:innen und Aktivist:innen versuchen wollen, die Räumung zu blockieren. Es soll Videos, Musik, Redebeiträge, Dia-Shows und weitere Überraschungen geben. Angemeldet ist die Kundgebung von 20 Uhr abends am Donnerstag bis 10 Uhr morgens am Freitag.
Falls wirklich geräumt werden sollte, ist bereits eine Demo für den Freitagnachmittag um 17 Uhr auf dem Herrfurthplatz in Schillerkiez angekündigt. Darüber hinaus hatte das sogenannte Interkiezionale-Bündnis bei jeder Räumung einer der stadtweit bedrohten linken Projekte dezentrale Aktionen und jeweils um 21 Uhr „kraftvolle Spontis“ aufgerufen. Der Ort solle jeweils kurz vorher bekannt gegeben werden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene