Banken sollen für Staaten einspringen: Merkel schont die Steuerzahler
Kanzlerin Merkel macht sich in der EU unbeliebt, weil Banken zahlen sollen, falls ein Staat Pleite geht. Was für ein Zufall: Ihr Vorschlag greift erst nach der Bundestagswahl 2013.
Griechenland und Irland sind sich einig: Die deutsche Bundesregierung trägt zumindest eine Mitschuld, dass die Risikoaufschläge für irische und griechische Staatsanleihen steigen. Denn Kanzlerin Angela Merkel verlangt, dass ab 2013 auch die privaten Gläubiger zu beteiligen sind, wenn Euro-Länder in Schieflage geraten - und nicht nur die europäischen Steuerzahler.
Dieser Vorstoß "könnte vielen das Rückgrat brechen", beschwerte sich daraufhin der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nimmt die Kanzlerin hingegen in Schutz. Auf einem Bankenkongress sagte er am Freitag, die Märkte hätten es "längst eingepreist", dass private Gläubiger künftig haften müssen.
Ab 2013 soll der derzeitige EU-Rettungsschirm auslaufen, der Kredite in Höhe von 750 Milliarden Euro vergeben kann, die von den Euroländern und dem Internationalen Währungsfonds stammen. Anschließend sollen - ähnlich wie bei einer Privatinsolvenz - die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.
So soll der Schuldnerstaat die Chance bekommen, sich zu sanieren. Auch für die Gläubiger könnte es ein gutes Geschäft sein, einen Teil der Außenstände zu stunden oder abzuschreiben: Letztlich könnten sie mehr von ihrem Geld wiedersehen, als wenn ein Staat einfach in Konkurs geht und die Zahlungen einstellt - so wie vor neun Jahren Argentinien.
Merkels Plan mag im Prinzip vernünftig sein. Problematisch ist die lange Frist bis 2013. Sie macht die Märkte nervös, die sich gegen das künftige Risiko schon jetzt absichern. So kletterte die Rendite von zehnjährigen irischen Staatsanleihen über 8 Prozent, für griechische Anleihen werden fast 12 Prozent fällig und für portugiesische knapp sieben Prozent.
Die Folge: Die finanzielle Lage der Krisenstaaten verschlechtert sich noch weiter. Das ist das Gegenteil dessen, was ein geordnetes Insolvenzverfahren eigentlich erreichen soll. "Das ist so, wie wenn jemand dir sagt: Weil du in Schwierigkeiten bist, lade ich dir noch mehr auf den Rücken", polterte Griechenlands Regierungschef Papandreou. Hinter den Kulissen sollen noch ganz andere, nicht druckfähige Worte gefallen sein, berichtet die Financial Times.
Die Bundesregierung hält jedoch an ihrer Forderung nach einer künftigen Beteiligung der Gläubiger fest. Damit will sie den deutschen Steuerzahlern signalisieren, dass nicht immer nur sie für die diversen Rettungspakete zur Kasse gebeten werden. Immerhin ist Deutschland der größte Einzahler in den Rettungsfonds. Doch die Regierung steht auch unter Druck von den deutschen Banken, die es zum Teil gar nicht verkraften könnten, wenn sie einen Teil ihrer irischen Forderungen abschreiben müssten.
Allein die verstaatlichte Krisenbank Hypo Real Estate sei mit Forderungen in Höhe von 10,3 Milliarden Euro in Irland engagiert, meldete die FAZ. Zähle man alle Staatsschulden der Krisenländer Irland, Griechenland, Portugal und Spanien zusammen, müsse die Bank um 35,5 Milliarden Euro bangen. Deutsche Bank, Commerzbank, DZ-Bank und die Landesbank Baden-Württemberg hätten jeweils Forderungen von 7 bis 8 Milliarden Euro an diese vier Länder.
Um die Banken nicht vollends gegen sich aufzubringen, drängt die Regierung jetzt erst mal Irland unter den Rettungsschirm, damit das Land zahlungsfähig bleibt - und hofft inständig, dass die Krise nicht noch neben Portugal auch Spanien oder gar Italien erfasst. So weit würde der Schirm nämlich nicht reichen.
Zufällig sind 2013, wenn Merkels neues Verfahren in Kraft treten soll, auch Bundestagswahlen. Dann kann die nächste Regierung die deutschen Banken irgendwie dazu bringen, auf einen Teil ihres Geldes zu verzichten. Die EU löst den Konflikt unterdessen auf ihre Weise: Die für kommende Woche geplanten Gespräche zwischen den Finanzministern über den künftigen Krisenmechanismus wurden erst mal auf Dezember vertagt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“