Bank of England ehrt Alan Turing: Ein symbolträchtiger Geldschein
Der legendäre Mathematiker wird künftig auf 50-Pfund-Noten abgebildet sein. Turing musste zu Lebzeiten Abscheuliches über sich ergehen lassen.
E in Mann im Halbprofil, seine Unterschrift, Formeln, sein Geburtsdatum in binärem Code. Der Hintergrund rot, die Aufschrift „Bank of England – Fifty Pounds“.
Alan Turing war ein Visionär, seiner Zeit voraus. Seine Leistungen auf den Gebieten der Mathematik, Logik und Computerwissenschaften gelten als bahnbrechend. Turings Anteil an der Entschlüsselung deutscher Codes im Zweiten Weltkrieg machten ihn zum Kriegshelden. Verdammenswert jedoch sind die schweren seelischen und körperlichen Verletzungen, die sein Heimatland ihm zufügte. 1952, nach einer Verurteilung wegen seiner Homosexualität, konnte Turing dem Gefängnis nur durch die „freiwillige“ Zustimmung zur Injektion von Hormonen entgehen. Die Libido sollte auf diese Weise unterdrückt werden.
Wegen der Verurteilung wurde Turing zudem aus dem Staatsdienst entlassen und mit Reiseverboten belegt. Ob sein Tod 1954 ein Unfall oder Selbstmord war, ist bis heute ungeklärt. Das verstoßene und erniedrigte Genie wurde in den frühen 2000er Jahren zu einem Symbol, über seinen konkreten Fall hinaus.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Denn bis 1967 blieben homosexuelle Akte zwischen Männern in England strafbar. Verurteilungen aus der Zeit davor behielten ihre Gültigkeit. Versuche, die Opfer staatlicher Willkür zu rehabilitieren, scheiterten immer wieder. Sogar noch im Jahr 2009 konnte nur ein Gnadenakt der Königin, am parlamentarischen Prozedere vorbei, Alan Turing den Makel des Urteils nehmen.
Turings Prominenz aber gab den Bestrebungen, das Unrecht zumindest symbolisch wiedergutzumachen, neuen Aufwind. Im Jahr 2017 schließlich wurden die Urteile wegen Homosexualität rückwirkend aufgehoben. Das entsprechende Gesetz wird Alan Turing Law genannt.
Dass die Bank of England in dieser Woche verkündet hat, den Mathematiker und sein Werk auf einer Banknote zu ehren, ist somit nicht nur als Anerkennung seiner beruflichen Leistung zu verstehen. Einen wegen seiner sexuellen Identität mit staatlicher Macht brutal gequälten Mann auf der Landeswährung, einem wichtigen Hoheitssymbol, abzubilden, ist auch ein Eingeständnis von Schuld gegenüber Tausenden anderen. Und das kommt besser spät als nie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung